
Nach massiver Kritik aus Gesundheitspolitik und Klinikbranche wurde der Klinik-Atlas in Windeseile überarbeitet. Bei der ursprünglichen Beta-Version des Suchportals hatten fast alle Krankenhäuser fehlerhafte Angaben gemeldet, einige kündigten Klagen wegen Geschäftsschädigung an. Aus der Gesundheitsministerkonferenz der Länder kam die Forderung nach sofortiger Abschaltung des Portals. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) und Prof. Karl Lauterbach wiesen die Kritik größtenteils zurück, das Angebot sollte aber laienverständlicher werden. Die neue Version ist den Kritikern nun aber zu dürftig.
Als Teil des Transparenzgesetzes hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) den Klinik-Atlas zum 1. Mai dieses Jahres angekündigt. Mit dem Atlas sollten Patientinnen und Patienten die Behandlungsangebote von 1 700 Krankenhäusern nach verschiedenen Kriterien vergleichen können. An den Start ging dann aber zunächst eine Beta-Version gut zwei Wochen später auf Basis der Klinik-Qualitätsberichte sowie weiterer Daten vom Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) und des Instituts für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG). Mit dem staatlichen Klinik-Atlas will das BMG auch die Notwendigkeit der anstehenden Krankenhausreform unterstreichen, die zu einer stärkeren Spezialisierung führen soll.
Beta-Version wimmelte vor Fehlern
Die Klagen über die erste Version ließen nicht lange auf sich warten, und mündeten in einen Strom harscher Vorwürfe von Kliniken, Fachgesellschaften, Politikern und Patientenvertretern. Die verwendeten Daten seien „veraltet“ oder „massiv mit Fehlern“ belastet; die Suchfunktionen führten Patienten in die Irre, warf allein die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) dem Bundes-Klinik-Atlas vor.
Eine kurzfristig initiierte Umfrage des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI) mit rund 410 Kliniken ergab, dass 79 Prozent der Kliniken fehlerhafte Informationen zu ihrem Krankenhaus gefunden haben: Vor allem bemängelten sie falsche oder fehlende Fallzahlen und Bettenzahlen sowie Notfallstufen. Auch Fachabteilungen waren teilweise falsch bezeichnet oder aufgeführt. Sogar Adressen, Krankenhausnamen oder Krankenhausträger waren teilweise nicht richtig angegeben. Lediglich die Fehler bei den Notfallstufen konnten rasch korrigiert werden.
Kaum Rückschlüsse auf Behandlungsqualität
„Anders als suggeriert wird, gibt es weder umfassende noch faire oder vergleichbare Informationen über den Versorgungsumfang und die Versorgungsqualität in deutschen Krankenhäusern,“ resümierte auch der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Privatkliniken e.V. (BDPK), Thomas Bublitz. So würden die zwei im Atlas verwendeten „Tachos“, mit denen die Zahl der Behandlungsfälle und der „Pflegepersonalquotient“ eines Krankenhauses abgebildet werden, zu Darstellungen führen, die kaum Rückschlüsse auf die Behandlungsqualität zulassen. Weder die undifferenzierte Zahl der Fälle pro Krankenhaus noch die Gesamtzahl der im Krankenhaus angestellten Pflegekräfte sagten Konkretes über die erbrachte Behandlungsqualität aus. Für eine valide Bewertung sei vielmehr eine Risikoadjustierung erforderlich, die den Behandlungsschweregrad der Patienten und eine längere Verweildauer infolge komplexer Indikationen berücksichtigt.
Mangelnde Trefferliste
Schließlich erarbeitete ein Expertengremium der Bayerischen Krankenhausgesellschaft (BKG) für die Beta-Version noch einen 15 Punkte umfassenden Verbesserungskatalog. Die BKG kritisierte vor alle die mangelnde Trefferliste bei der Suchmöglichkeit nach psychiatrischen und psychosomatischen Diagnosen. Die für diese Behandlungen geeigneten Krankenhäuser waren in dem Bundes-Klinik-Atlas komplett nicht auffindbar.
Zweite Version deutlich abgespeckt
Gut einen Monat nach Veröffentlichung der Beta-Version ging schließlich das Update am 20. Juni online. Es zeichnet sich durch eine erhebliche Reduktion der abrufbaren Daten aus. Statt wie bisher für rund 23.000 verschiedene Eingriffe detaillierte Angaben zu machen, sind nun zunächst nur die 20 wichtigsten zusammengefasst abgebildet.
Die Suchkriterien wurden nutzerfreundlich umgestellt, indem eine Vorauswahl an Versorgungsanlässen beziehungsweise Operationen getroffen wurde. Die für Fachleute vorgesehene Suche nach spezifischen Diagnosen und Prozeduren sei aufgrund der Komplexität der Ergebnisse nicht mehr möglich, heißt es dazu auf dem Portal.
Kritikpunkte wurden aufgegriffen
Die Nutzer können über größere Kacheln sich zu einzelnen Bereichen durchklicken: Herz, Lunge, Krebs, Knochen und Gelenke, Neurologie, Gynäkologie, Geburt und Gefäße. Danach kann nach einzelnen Erkrankungen und Operationen sortiert weitergesucht werden.
Psychische Erkrankungen wurden dagegen bei der Suche ausgeklammert. Für die Behandlung psychischer Erkrankungen, etwa Depressionen, Schizophrenie etc. sei der Bundes-Klinik-Atlas keine aussagekräftige Quelle, heißt es nun dazu auf dem Portal, womit einer der zentralen Kritikpunkte aufgegriffen wurde. „Wir sind mit einer sehr komplizierten Möglichkeit an den Start gegangen“, räumte Lauterbach ein. Das System soll ihm zufolge nach und nach um weitere Qualitätskriterien erweitert werden, auch die Leistungsgruppen und Krankenhaus-Level sollen später eingepflegt werden.
Dieser Transparenzatlas hat die Komplexität einer dreispaltigen Excel-Tabelle.
Die neue Version des Vergleichsportals kommt bei den Kritikern aber auch nicht gut an: „Dieser Transparenzatlas hat die Komplexität einer dreispaltigen Excel-Tabelle“, kommentierte der Vorstandsvorsitzende Gerald Gaß die neue Version. Relevante Behandlungsangebote fehlten nun komplett; so sei nichts zu Herzinsuffizienz, Bluthochdruck, COPD, Nieren- und Lebererkrankungen, Augenleiden, Rückenoperationen, Demenz und vielen anderen Erkrankungen zu erfahren. Es bleibe auch in der neuen Version dabei, dass der Laie vom Atlas automatisch auch weitentfernt in das Krankenhaus mit den höchsten Fallzahlen geleitet wird, selbst wenn er direkt vor seiner Haustür ein Krankenhaus mit minimal geringerer aber noch immer sehr hoher Fallzahl hat.
Jetzt steht nichts drin, was den Suchenden weiterhilft.
Auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz kann dem Update nichts abgewinnen: „Der Anspruch des Bundesgesundheitsministers war, dass Kranke im Klinik-Atlas mit einfacher Sprache für komplexe Krankheiten das richtige Krankenhaus finden“, sagte Vorstand Eugen Brysch. „Jetzt steht nichts drin, was den Suchenden weiterhilft. Damit Karl Lauterbach seine groß angepriesene Transparenzoffensive nicht in Banalität abstürzen lässt, muss das Millionen-Euro-Projekt abgeschaltet werden“, fordert er.
Die Präsidentin des Berufsverbandes Deutscher Internistinnen und Internisten (BDI), Christine Neumann-Grutzeck sprach schlicht von einem „schlecht umgesetzten Digitalprojekt“. Der Atlas sei nun so simplifiziert, dass er „keinerlei Nutzen“ mehr für Patienten habe. Auch sie fordert die Abschaltung.









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