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Frust bei DKGVorhaltepauschale bringt keinen Vorteil für Krankenhäuser

Eine Auswirkungsanalyse kommt zu dem Ergebnis, dass die Vorhaltepauschale alle Ziele verfehlt. DKG-Chef Gaß lehnt die geplante Vorhaltefinanzierung daher entschieden ab. Weder Entökonomisierung noch Existenzsicherung seien damit gegeben.

Rotes Kreuz
Dilok/stock.adobe.com
Symbolfoto

Bereits sechs Kliniken haben im Januar 2024 Insolvenz angemeldet. Damit steigt die Gesamtzahl der Häuser seit Beginn 2022 auf 47. Eine ungeahnte Pleitewelle steht bevor, tut sich zeitnah nichts in Sachen Krankenhausreform, ist sich DKG-Chef Dr. Gerald Gaß sicher.

„Wir stehen zur Krankenhausstrukturreform und fordern deren Umsetzung“, beteuerte der DKG-Cheflobbyist am 16. Januar bei der Jahresauftaktpressekonferenz noch einmal die Notwendigkeit eines gut organisierten Prozesses. Die derzeitige „kalte Strukturreform“ werde für weitere 100 Häuser dieses Jahr aber das Aus bedeuten, wenn zeitnah nichts passiert, befürchtete er. Das sei besonders ärgerlich, weil der Referentenentwurf zur Krankenhausreform absichtlich vom Ministerium zurückgehalten werde, „solange es seinen Willen beim Transparenzgesetz noch nicht bekommen hat“, erklärte er frustriert.

Zeitgleich forderte Gaß, dass die Experten aus der Selbstverwaltung und den Krankenhäusern sowie die Bundesländer in diesen Reformprozess eingebunden werden müssten. Er beklagte die derzeitige „Hinterzimmerpolitik“ des Bundesgesundheitsministeriums (BMG).

Streit um Transparenzgesetz

Die erhoffte Lösung durch die Krankenhausreform entpuppe sich zunehmend als luftleerer Raum, erklärte die Hessische Krankenhausgesellschaft (HKG) in einer Pressemitteilung. Prof. Steffen Gramminger, Geschäftsführender Direktor der HKG, warf der Bundesregierung sogar vor, „sich unter dem Deckmantel des Reformvorhabens aus der Verantwortung zu ziehen“. Das sehe man nicht nur an der Vorhaltefinanzierung, sondern auch an den aktuellen Reibereien zwischen dem Bund und den Ländern hinsichtlich des im Vermittlungsausschuss hängen gebliebenen Krankenhaustransparenzgesetzes. Gaß positionierte sich in diesem Streit deutlich „an der Seite der Bundesländer“. Seiner Meinung nach wolle der Gesundheitsminister durch die Hintertür des Transparenzgesetzes die Level einführen, die die Bundesländer ablehnen. „Wir sehen es als Vorgriff und Durchgriff auf die Krankenhausplanung“, betonte der DKG-Präsident.

Wir sehen es als Vorgriff und Durchgriff auf die Krankenhausplanung.

Simulation: Fehlsteuerung durch Vorhaltepauschalen

Worauf begründet die DKG ihre ablehnende Haltung zur Vorhaltefinanzierung? Vebeto, eine auf Datenanalysen spezialisierte Firma aus Hamburg, hat in einer von der DKG beauftragten Studie verschiedene Szenarien finanziell durchdekliniert. Die Analysen bezogen sich auf ein fiktives 150-Betten-Haus mit einer Abteilung für Endoprothetik und einer Urologie. Betrachtet wurden die Auswirkungen mit den Vorhaltepauschalen und im Vergleich dazu mit dem bisherigen DRG-System.

„Die Vorhaltepauschale verfehlt alle gesteckten Ziele. Wir haben in den Simulationen keinen Anhaltspunkt gefunden, dass die Vorhaltefinanzierung für irgendein Krankenhaus einen Vorteil bringt. Unsere Auswirkungsanalyse ist ernüchternd“, erklärte Vebeto-Geschäftsführer Dr. Hannes Dahnke auf der Pressekonferenz, auf der er die Studie erstmals vorstellte. Das System sei nur komplizierter und wirke sich retrospektiv aus. „Die Vorhaltepauschale beruht auf Zahlen, die zwei Jahre alt sind“, erklärt Dahnke auf Nachfrage. Es komme zu ähnlichen Schwankungen wie im DRG-System, nur zeitversetzt und über den Zeitraum von zehn Jahren gesehen in etwas kleineren Dosen.

Hilft die Vorhaltefinanzierung kleinen Krankenhäusern?

Die vollständige Simulationsstudie von Vebeto finden Sie hier.

Die Ergebnisse der Auswirkungsanlyse zeigen, dass die Ziele im vorliegenden Konzept verfehlt werden.

Die Studie ist die erste Wirkungsanalyse bezüglich der Vorhaltepauschalen. Sie basiert auf dem aktuellen Arbeitsentwurf von Gesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach. Die Schwierigkeit einer solchen Simulation zeigte sich bereits bei der Präsentation während der Pressekonferenz. Ein hoch komplexer Algorithmus muss angewendet werden, es fehlen jedoch noch diverse Feinparameter bei den Pauschalen. Deren Berechnung finde derzeit hinter verschlossenen Türen statt, kritisierte Gaß.

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Prompte Antwort

Prof. Tom Bschor und Prof. Christian Karagiannidis, Mitglieder der Regierungskommission der Bundesregierung, meldeten sich umgehend zu Wort und scholten die Vebeto-Studie als zu „eindimensional und statisch“. Sie habe nur die Vorbehaltsvergütung im Blick und lasse andere Faktoren wie den sich verschärfenden Fachkräftemangel völlig außen vor, so die beiden Experten. Sie verteidigten den Arbeitsentwurf der Bundesregierung: „Behandlungen werden in den qualitativ hochwertigen Leistungsgruppen gebündelt und kleinere Krankenhäuser fusionieren zu größeren Kliniken. In den Ballungsräumen sind die Voraussetzungen hierfür hervorragend, da Deutschland über eine europaweit einzigartig hohe Dichte an Krankenhäusern verfügt.“ Für ländliche Kliniken bestehe die attraktive Möglichkeit der Level 1i-Krankenhausbildung und damit der Abkehr vom DRG-System, was die Simulation nicht berücksichtige.

Arbeitsentwurf

Der letzte Arbeitsentwurf des BMG zum Krankenhausstrukturgesetz (KHSG) sieht eine Vorhaltefinanzierung für den stationären Bereich vor, die das alte DRG-System – zumindest teilweise – ersetzen soll. Lauterbachs Absicht dahinter ist, dass Krankenhäuser Schwankungen bei Patientenfallzahlen besser ausgleichen und damit finanziell nicht so schnell in Schieflage geraten können. Auf der Seite des BMG liest man, dass die Vorhaltepauschalen eine Art „Existenzgarantie“ für Häuser sein soll, selbst wenn sie vergleichsweise wenig Behandlungen anbieten. Dies verneint Gaß vehement: „Die Vorhaltepauschale rettet keine kleinen Häuser. Sie kann Erlösverluste bei einem allgemeinen Rückgang der Patientenzahl oder beim Verlust von Leistungsgruppen infolge der Krankenhausplanung nicht ausgleichen.“

Die Vorhaltepauschale rettet keine kleinen Häuser.

Fakt ist: Lauterbach hält nicht sein Wort. Denn auf seiner Pressekonferenz vom 23. November 2023 verkündete er, die Änderungsvorschläge der Länder zeitnah einarbeiten und sich bereits Anfang Januar wieder mit ihnen treffen zu wollen. Der Referentenentwurf sollte dann zügig folgen. Davon ist derzeit keine Rede, der Zeitplan wankt. Spätestens vor der Sommerpause müsste das Bundeskabinett einen Reformentwurf beschlossen haben, damit der einst gepriesene große Wurf noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden kann.

Geplante Vorhaltefinanzierung vor dem Aus?

Gaß erteilte am Ende der Pressekonferenz den von Bund und Ländern geplanten Vorhaltepauschalen auf Basis von Leistungsgruppen eine klare Absage: „Wir müssen uns die Frage stellen, ob sich der Umstieg auf dieses hoch komplexe System lohnt. Da ist die klare Antwort nein. Es kommt mit der Vorhaltefinanzierung nicht zu einer Entökonomisierung. Die Erlöse der Häuser bleiben weiterhin an den Fallzahlen orientiert und es gibt keine Existenzsicherung für kleine Häuser, die sich auf die Grundversorgung zurückziehen und Leistungsgruppen abgeben.“

Die Vorhaltepauschalen würden auch nicht die Zentrenbildung begünstigen, wie sie sich das das BMG vorstelle, ist sich Gaß sicher. Sie würden diese sogar konterkarieren. Entbürokratisierung würde der Umstieg ebenfalls nicht mit sich bringen. Das mache für ihn deutlich, „dass der Reformprozess in seiner bisherigen Form in einer Sackgasse steckt“. Sein Fazit: „Wir brauchen mehr Transparenz und mehr Beteiligung durch die Selbstverwaltung bereits in der Ausarbeitung von Vorschlägen, um generell wieder mehr Vertrauen in den Reformprozess zu bringen und eine Lösung für die sehr komplexen Aufgabenstellungen zu finden, die vor uns liegen.“

Der Reformprozess in seiner bisherigen Form steckt in einer Sackgasse.

Gegenvorschlag

Der DKG-Chef betonte, dass es bereits jetzt im System Bausteine gebe, die man weiterentwickeln könne. Zuschläge für die Notfallversorgung rund um Uhr, Zentrums- oder Sicherstellungszuschläge, die für Kliniken der Grundversorgung gedacht sind. Zudem gebe es auch heute schon Mehr- und Minderausgleiche im System, die weiterentwickelt werden könnten. Gaß plädierte dafür, sich lieber mit den Strukturkosten eines Hauses zu befassen als mit Leistungsgruppen für ein System. Zugleich mahnte er an, dass sich das von Lauterbach vorgeschlagene Konzept frühestens 2027 entfalten könne, der immense ökonomische Druck auf die Kliniken dann aber noch drei Jahre weitergeführt werde. Diese Hängepartie „können wir uns als Krankenhäuser und als Land nicht leisten“.

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