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Stimmen vom ProtesttagWarum demonstrieren Sie am Brandenburger Tor?

Mit Protesten in ganz Deutschland haben Kliniken erneut auf ihre teils bedrohliche Finanzlage aufmerksam gemacht. Die Aktionen mobilisierten Tausende Beschäftigte und Vertreter von Klinikleitungen. kma hat sich in Berlin umgehört.

Delegation Bayern
Gassmann/Thieme
Aus Bayern waren Vertreterinnen und Vertreter diverser Krankenhäuser zum Protest am Brandenburger Tor angereist.

Es ist voll vor dem Brandenburger Tor in Berlin – und laut. Bei der zentralen Kundgebung zum bundesweiten Aktionstag „Alarmstufe Rot“ sind weit über Tausend Vertreter aus Kliniken in ganz Deutschland dabei. Parallel finden Aktionen in weiteren Städten statt, darunter Düsseldorf, Frankfurt/Main und Stuttgart.

Wegen akuter wirtschaftlicher Nöte an vielen Standorten verlangt die Branche erneut zusätzliche Hilfen des Bundes. Die Versorgungssicherheit für die Bevölkerung sei gefährdet, mahnt Dr. Gerald Gaß, der Vorstandschef der Deutschen Krankenhausgesellschaft, in Berlin. kma hat sich am Brandenburger Tor umgehört und einige Stimmen eingefangen.

„Wir erleben einen Flächenbrand“

Thomas Ewald hatte eine weite Anreise, aber sie war es ihm wert. „Die Lage ist wirklich ernst“, sagt der Vorstandsvorsitzende des InnKlinikums Altötting und Mühldorf. Die Krankenhausreform müsse besser vorbereitet werden, fordert er: „Derzeit erleben wir eher einen Flächenbrand – Minister Lauterbach zündet an und wartet, welche Krankenhäuser vom Netz gehen.“

Lauterbach nimmt uns Trägern die Luft zum Atmen, uns geht das Geld aus.

An Ewalds Seite steht Max Heimerl, Landrat des Kreises Mühldorf, der mit dem Landkreis Altötting Träger des Klinikums ist. „Lauterbach nimmt uns Trägern die Luft zum Atmen, uns geht das Geld  aus.“ Es fehle jetzt für andere wichtige Aufgaben wie Investitionen in Klimaschutz, ÖPNV und Bildung. In den vergangenen zwei Jahren mussten die Kreise rund 55 Millionen Euro in ihr Klinikum pumpen. „Lauterbach zerstört gerade viel Vertrauen“, ärgert sich Ewald. Gerade für junge Leute bei der Berufswahl gebe es zurzeit ganz falsche Signale. „Auch in diesem Sinne ist die Lage desaströs.“

Mittags am Tor, abends im Bundestag

Auch Dr. Axel Paeger, Gründer und Vorstandsvorsitzender von Ameos, ist extra aus der Schweiz angereist, um bei dem Protesttag dabei zu sein. Insgesamt sind rund 160 Beschäftigte aus deutschen Häusern der Klinikgruppe am Brandenburger Tor. Paeger beklagt die Preis-Kosten-Differenz von 13 Prozent, die sich für die Jahre 2022 und 2023 kumuliert habe: „Das kann kein Krankenhaus aushalten.“ Diese Differenz sei die Ursache für derzeit 52 deutsche Krankenhäuser in Insolvenz, „und es werden jede Woche mehr“.

Das kann kein Krankenhaus aushalten.

Die Krankenhausreform sei jedenfalls nicht die Antwort auf das Problem: „Die Reform ist ein anderes Thema. Sie ändert nichts daran, dass Krankenhäuser nicht refinanziert werden und mit jedem Patienten, den sie versorgen, Geld verlieren.“ Auch Ameos leide unter dem fehlenden Ausgleich: „Derzeit haben wir keine ausreichende Kostendeckung.“ Am Abend ist Paeger noch zum Austausch mit Abgeordneten im Bundestag verabredet.

Denken Sie das Ganze, und arbeiten Sie mit allen Gruppen zusammen.

„Wir müssen uns bei der Politik endlich Gehör verschaffen“, betont Jean Franke, Geschäftsführerin der Sana Kliniken Berlin-Brandenburg. Es gelte, Präsenz zu zeigen und deutlich zu machen, „dass es mit der Reform so nicht geht“. Ihr Appell an Karl Lauterbach: „Sichern Sie die Krankenhauslandschaft – schnell, warten Sie nicht.“ Es müsse dringend eine Übergangslösung her. Lauterbach solle „klug und mutig sein“, wünscht sich Franke und fordert: „Denken Sie das Ganze, und arbeiten Sie mit allen Gruppen zusammen – träger-, klinik- und sektorenübergreifend.“

„Politische Bankrotterklärung“

Warum Alexander Mohr, am Brandenburger Tor demonstriert? „Weil die Lage so dramatisch ist. Es geht um existenzielle Fragen“, sagt der Vorstand des Klinikums Fürth: „Auch kommunale Träger werden nicht durchhalten.“ Auch für die Stadt Fürth sei mittlerweile eine Dimension erreicht, „in der es eng wird“. Dabei sei die Krankenhausfinanzierung keine ihrer Kernaufgaben.

Auch kommunale Träger werden nicht durchhalten.

Dr. Manfred Wagner, der Ärztliche Direktor des Klinikums, formuliert es noch deutlicher: „Es ist eine politische Bankrotterklärung des Ministers, zu sagen: ‚Ich weiß, dass Krankenhäuser sterben werden – es tut mir leid‘.“ Lauterbach habe die Verantwortung, „dafür zu sorgen, dass genau das nicht passiert“. Deshalb brauche es jetzt einen Kostenausgleich.

Mehr Praxis, weniger Wissenschaft.

Roy J. Noack, Geschäftsführer des Immanuel Krankenhauses in Berlin, hat eine klare Forderung an Gesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach: „Mehr Praxis, weniger Wissenschaft – sorgen Sie endlich dafür, dass die Krankenhäuser mit ausreichend Mitteln ausgestattet sind, damit sie die Reform noch erleben können.“ Noacks Erwartung an den Aktionstag: „Dass wir viel Krach machen und so die Aufmerksamkeit erreichen, die wir brauchen.“

Wir brauchen eine kurzfristige Lösung.

Dr. Georg Hillebrand ist für den 6K Klinikverbund Schleswig-Holstein in Berlin, dem fünf Kliniken angehören. Der Verbund hat gut 200 Vertreter für die Reise in die Hauptstadt mobilisiert. „Wir sind nicht gegen die Reform, sie hat viele gute Ansätze“, sagt Hillebrand, der Ärztlicher Direktor des Klinikums Itzehoe ist: „Aber wir kommen gar nicht so weit, bis das in zwei, drei Jahren greift.“ Deshalb brauche es jetzt eine kurzfristige Lösung. Direkt nach der Kundgebung stieg Hillebrand wieder in den Zug nach Itzehoe, am Abend hatte er noch einen Termin im Klinikum.

Die 6K-Kliniken waren mit einer großen Abordnung aus Schleswig-Holstein bei der Kundgebung in Berlin dabei.

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