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Der kma Entscheider-Blog

kma Entscheider BlogImpfpflicht für Gesundheitsfachberufe? Nein, danke!

Vor kurzem ging das Impfen gegen Covid-19 los. Dabei wurden auch Stimmen laut, die eine Impfpflicht für Mitarbeiter in Gesundheitsberufen forderten. Die Diskussion führt jedoch am Kern der Sache vorbei: denn fehlende Fachkräfte und ausbleibende Investitionen sind die viel drängenderen Probleme!

Florian Bechtel
Peter Bechtel
Florian Bechtel, Gesundheits- und Krankenpfleger und Mitglied bei Hashtag Gesundheit e.V.

Vor gut einem Monat war es soweit: das große Impfen gegen das Coronavirus begann. Wobei „groß“ hierzulande vielleicht (noch) nicht unbedingt die richtige Beschreibung darstellt. Fast zeitgleich zum Impfstart flammten die ersten Diskussionen über eine Impfpflicht für Ärzte, Pfleger und andere Krankenhausmitarbeiter, sowie Privilegien für bereits geimpfte Personen auf. Vorher hatten bereits einige Pflegekräfte öffentlich geäußert, sich aktuell noch nicht impfen lassen zu wollen. Hierdurch sahen sich einige hochrangige Politiker genötigt, eine Impfpflicht für eben jene Berufe ins Gespräch zu bringen. Oder anders ausgedrückt: Zwang.

Plötzlich sind Pflegekräfte ein Sicherheitsrisiko

Ein ehemaliger Bundesaußenminister die Regierung sogar nochmals in den sozialen Medien dazu auf, die Impfpflicht für Gesundheitsberufe nun endlich durchzusetzen. Argumentativ untermauerte er diese Forderung mit dem Beispiel, dass er seine Angehörigen in Sicherheit wissen wolle, wenn er sie ins Krankenhaus oder Pflegeheim geben müsste. Außerdem könne die Bevölkerung nicht vom Impfen überzeugt werden, wenn sich selbst Ärzte und Pflegekräfte nicht impfen ließen. Diese Argumentation hinkt jedoch gewaltig! Und vor dem Hintergrund, dass die Partei des besagten ehemaligen Außenministers seit vielen Jahren die fehlgeleitete Gesundheitspolitik in der Regierung mitgestaltet, ist diese Äußerung ein ziemliches Eigentor.

Geimpfte Pflegekräfte sind immer noch zu wenig Pflegekräfte

Wer glaubt, seine Angehörigen seien in Kliniken und Pflegeeinrichtungen sicher, weil das Personal durchgeimpft ist, hat schon lange keine dieser Einrichtungen mehr von innen gesehen. Mal davon abgesehen, dass nicht abschließend geklärt ist, ob geimpfte Patienten nicht trotzdem infektiös sein können, ist die Sicherheit der Patienten durch ganz andere Probleme gefährdet: Unzureichende Personalschlüssel, völlig veraltete Kliniken durch ausbleibende Refinanzierung von Investitionen und fehlende Fachkräfte, um nur drei der großen Probleme des Gesundheitswesens zu nennen. Nach jahrzehntelanger politischer Fehlsteuerung nun die Menschen zum Risikofaktor zu erklären, die das totgesparte System am Leben erhalten, ist blanker Hohn. 

Eine Impfpflicht hat keinerlei Signalwirkung

Auch das Argument, die Gesundheitsberufe müssten als Vorbild vorangehen, wird mit einer Impfpflicht nicht glaubhafter, sondern schürt eher noch das Misstrauen in die Impfung. Es ist ein Trugschluss der Politik, dass eine Ausbildung oder ein Studium im Gesundheitswesen damit einhergeht, sich für die Gesellschaft aufopfern zu müssen und praktisch sein Recht auf körperliche Unversehrtheit aufgeben zu müssen. Außerdem halte ich es schlicht für falsch, den Menschen, die beruflich kranke und pflegebedürftige Menschen versorgen eine Vorbildfunktion oder gar erzieherische Aufgaben anzudichten. Würde man dieser Argumentation folgen, müsste es ein Tabak- und Alkoholverbot für Gesundheitsfachberufe geben. Schließlich kennen wir die negativen Folgen und müssen der Gesellschaft ein Vorbild sein. Die Aufgabe dieser Berufsgruppen besteht allerdings darin, den Patienten oder Bewohner zu beraten, um eine möglichst rationale Entscheidung zu ermöglichen. Und genau das ist der Ansatz, welche die Bundesregierung auch zum Thema Corona-Impfung verfolgen sollte: Aufklärung statt Zwang! 

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