
So manche Klinik hatte zu kämpfen als 2011 die Wehrpflicht abgeschafft wurde. Als Nebeneffekt fielen nämlich einige Tausend Zivildienstleistende (Zivis) aus dem Stellenplan, was für den ein oder anderen Betrieb einen partiellen oder globalen Zusammenbruch bedeutete, da einige Bereiche größtenteils eben auf diese Zivis aufgebaut waren. Es waren schließlich günstige Arbeitskräfte. Nun wird (wie jeden Sommer) darüber diskutiert, ob ein Pflichtjahr für junge Menschen in einer sozialen oder gemeinnützigen Einrichtung wieder eingeführt werden soll. Ziel des Ganzen soll sein, dass die Absolventen lernen Verantwortung in der Gesellschaft zu übernehmen und ihren Beitrag zum Gemeinwesen leisten.
Zwischen Überforderung…
Möchte man der Politik böse Absichten unterstellen, könnte man auch sagen, dass dem personell schwer gebeutelten Sozial- und Gesundheitswesen eben diese günstigen Arbeitskräfte wieder zugeführt werden sollen, um die fehlenden Fachkräfte zu ersetzen. Die Folgen wären zum einen ein weiterer Qualitätsverlust in der Versorgung und zum anderen eine Überforderung der jungen Menschen, welche das Pflichtjahr absolvieren. Lernen würden Sie dann vermutlich nur eines: Soziale Berufe sind nichts für mich, weil sie überfordernd, schlecht bezahlt und ohne Aufstiegsperspektive sind. Angesichts der Tatsache, dass die sozialen Berufe dringend auf qualitativen und quantitativen Nachwuchs angewiesen sind, sollte dieses Szenario unter allen Umständen vermieden werden!
… und Chance
Bei aller Schwarzmalerei aufgrund negativer Erfahrungen sollten wir die Chancen, welche so ein soziales Pflichtjahr bietet, nicht ignorieren. Es bietet nämlich auch die Möglichkeit insbesondere für den Pflegeberuf einen Einblick in den fordernden und vielfältigen Alltag der professionellen Pflege zu ermöglichen. Insbesondere für junge Menschen, die bis dahin noch keinerlei Bezug zur professionellen Pflege durch Familie oder Freunde hatten, eröffnet das soziale Pflichtjahr die Möglichkeit einen echten Einblick in den Beruf zu bekommen. Natürlich geht dieses Szenario nur auf, wenn ein entsprechendes Konzept vorliegt, in welchem die Absolventen entsprechend begleitet werden, anstatt „Mädchen/Junge für Alles“ zu sein. Für die Kliniken kann sich das im Kampf um Auszubildende als echter Trumpf erweisen. Erfahrungen mit den Absolventen des Freiwilligen Sozialen Jahres (FSJ) zeigen, dass sich einige für eine Ausbildung der Pflege entscheiden.
Ein durchdachtes Begleitungskonzept ist vielerorts utopisch
Leider ließe sich an vielen Standorten eine Begleitung durch pädagogisch qualifiziertes Personal wohl kaum realisieren. Schon für die eigenen Auszubildenden haben viele Kliniken weder genügend Praxisanleiter noch die Zeit entsprechende Anleitungen durchzuführen. Und so hängt es, wie so oft, an den Rahmenbedingungen. Gelänge es, diese dahingehend zu optimieren, könnte ein soziales Pflichtjahr den Pflegeberufen langfristig durchaus einen Schub geben. Und zwar nicht durch unqualifiziertes günstiges Personal, sondern durch ausgebildete Fachkräfte.


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