
Zum ersten Mal seit langem stand die professionelle Pflege im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit in Deutschland. Und zwar nicht aufgrund eines Skandals oder weil neueste Hochrechnungen für die Zukunft einen Zusammenbruch der pflegerischen Versorgung prophezeien. Diesmal schien es ehrliche Anerkennung für die Leistung der Pflegenden zu sein.
Zusammen mit den anderen Gesundheitsberufen mussten sie die erste Infektionswelle bekämpfen und die Anzahl der Verstorbenen so gering wie möglich halten. Angesichts der Tatsache, dass dieser Kampf gegen einen bis dato nahezu unbekannten Gegner stattfindet, haben wir uns Stand heute gut geschlagen, wenn man die Zahlen mit anderen Ländern vergleicht. Was viele nicht zu sehen scheinen, ist die Tatsache, dass dieser Erfolg nicht ohne Opfer errungen wurde.
Ein Bild von zwei Extremen
Auf der einen Seite stehen Kollegen, die teilweise seit mehreren Wochen in 12-Stunden-Schichten arbeiten, um der Pandemie Herr zu werden. Kollegen, die mit mangelnder und improvisierter Schutzkleidung hochinfektiöse Patienten versorgen und sich zu hunderten selbst mit Covid-19 anstecken. Und auch Kollegen auf der ganzen Welt, die im Kampf um das Leben von Patienten ihr eigenes Leben lassen mussten. Auf der anderen Seite gibt es Angehörige der Gesundheitsberufe, die in Kurzarbeit geschickt wurden, weil ihre Region bis jetzt glücklicherweise nicht so stark betroffen ist, wie zunächst befürchtet wurde. Viele müssen nun um ihren Arbeitsplatz bangen, da die Corona-Pandemie für einige Kliniken der finanzielle Sargnagel bedeutet.
Von „Helden“ war in fast jedem medialen Beitrag die Rede, täglicher Applaus von den Balkonen und Fenstern lies große Rückendeckung aus der Gesellschaft erahnen. Kostenloses Carsharing, Fastfood oder Rabatte in Onlineshops für medizinisches Personal zeigen Dankbarkeit und Anerkennung für die große Leistung. Bei so viel Unterstützung hätte man als professionell Pflegender fast euphorisch werden können!
Nur leere Worte
Doch politisch kommt außer großen Worten leider wenig. Die Pflegepersonalgrenzen sind vorerst ausgesetzt, Notstandsgesetze mit Zwangsrekrutierung von medizinischem Personal werden diskutiert. Selbst beim Bonus für die Altenpflege schieben sich Politik und Pflegekasse gegenseitig den schwarzen Peter der Finanzierung zu. Für die Krankenpflege gibt es gar nichts. Über langfristige Veränderungen für Pflegekräfte wird nicht im Ansatz geredet, obwohl Pflegende jetzt mehr denn je eine politische Reaktion erwarten. Das kann man natürlich damit begründen, dass die Pandemie noch nicht durchgestanden ist. Allerdings bleibt die Frage, wie viel Zeit noch bleibt, um nachhaltige Verbesserungen auf den Weg zu bringen.
Die Corona-Krise kann bei vielen Pflegekräften der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt, denn „from hero to zero“ in zehn Wochen erzeugt viel Frustration und selbst der Applaus ist mittlerweile verstummt.



Bitte loggen Sie sich ein, um einen neuen Kommentar zu verfassen oder einen bestehenden Kommentar zu melden.
Jetzt einloggen