
Neben dem branchenübergreifend schlechten Digitalisierungsgrad steht gerade der öffentliche Sektor mit den Bereichen Bildung und Gesundheitswesen besonders schlecht da. Wenn die Schulen in dieser Woche teilweise wieder schließen, heißt es noch einmal Heimunterricht ohne digitale Medienunterstützung, ohne verbesserte E-Learning-Systeme usw. Und man kommt nicht umhin sich zu fragen: Was haben Kultusministerien und Politik eigentlich acht Monate lang gemacht, um die Situation zu verbessern?
Schaut man in die Gesundheitsämter, ist von Faxen, Nachverfolgung auf Papier und einer App, die keinen nennenswerten Nutzen stiftet zu lesen. Ist Deutschland zu unfähig für digitale Lösungen? Oder fehlen in den Regierungen die Kompetenz und der Wille die eigene Administration besser auszustatten? Während die südostasiatischen Länder die Corona-Pandemie weitestgehend in den Griff bekommen haben, rühmt sich die Politik hierzulande dafür, besser als Italien und Spanien im Pandemiegeschehen dazustehen. Visionär ist das nicht!
Das Gesundheitswesen als Innovationstreiber erkennen
Im Jahr 2018 lag der Anteil der Gesundheitsausgaben am Bruttoinlandsprodukt bei 11,7 Prozent. In den vergangenen Jahren hat dieser Anteil stetig zugenommen. Somit ist das Gesundheitswesen ein Wachstumstreiber. Insgesamt arbeiten mehr als 5,6 Millionen Beschäftigte in dieser Branche. Allein seit dem Jahr 2000 hat die Beschäftigtenanzahl um 1,5 Millionen Menschen zugenommen. Die Erkenntnis, für welche Branche sich die Regierenden besonders interessieren sollten, dürfte damit außer Frage stehen.
Auch industrieseitig hat Deutschland eine interessante Position. Im Weltmarkt für Medizintechnologien liegen wir mit einem Anteil von 9,9 Prozent auf Platz zwei hinter den USA. Mit einem geschätzten globalen Wachstum von 5,6 Prozent jährlich dürfte dieser Markt auch weiterhin äußerst attraktiv bleiben. Mit Blick auf das Innovationspotenzial der Branche auf der einen, sowie den Bedarf auf der anderen Seite, sich als besonders wettbewerbsfähig hervorzuheben, dann bietet die Gesundheitswirtschaft eine ideale Kombination.
Fokus auf die inkrementelle Innovationsverbreitung
Wie gelangen Innovationen in den Markt? Das stark regulierte Gesundheitswesen hat mit der Selbstverwaltung einen Mechanismus eingebaut, um Innovationen zu bewerten, zuzulassen oder abzulehnen. Einerseits können über den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) neue Technologien oder Verfahren in den Markt gelangen. Andererseits können im stationären Sektor sogenannte Neue Untersuchungs- und Behandlungsverfahren (NUBs) über einen Status und die anschließende Budgetverhandlung mit den Krankenkassen eingeführt werden. Diese Verfahren dauern mitunter sehr lange. Patienten profitieren in dieser Zeit nur eingeschränkt oder gar nicht von diesen Innovationen.
Der Weg außerhalb des Regulierungsrahmens ist die inkrementelle Verbreitung. Hier stehen einerseits Produktivitätssteigerungen und andererseits Produktverbesserungen im Vordergrund. Der Hybrid-OP ist ein Beispiel mit dessen Hilfe Kliniken ihre Produktivität steigern können. Diagnostik und Therapie finden in einem Setting statt, sodass schnellere und bessere Ergebnisse erzielt werden. Da ein Hybrid-OP in das Feld der Investitionsentscheidungen fällt, ist ein Nachweis der Produktivitätssteigerung zu erbringen.
Aufgrund der unzureichenden Investitionsfinanzierung müssen Krankenhäuser Investitionen häufig aus thesaurierten Gewinnen bestreiten. Ein Beispiel von Produktverbesserungen ist der 3D-Druck von Prothesen. Dadurch könnte eine enorme Kostensenkung und Individualisierung erfolgen, die insbesondere die Qualität für den Patienten erhöht. In einem transparenten Gesundheitsmarkt würden Patienten und Therapeuten sich dann zunehmend für qualitativ hochwertigere Produkte entscheiden.
Kernkompetenz der Politik: Überregulierung
Während der Staat sich in Corona-Zeiten besonders in das Wirtschaftsgeschehen einmischt, herrscht im deutschen Gesundheitswesen schon seit Jahrzehnten eine de facto Planwirtschaft. Das heißt staatliche Gremien setzen Preise, bspw. für eine Krankenhausbehandlung fest, oder planen in welchen Regionen welche Leistungen in welchem Umfang erbracht werden dürfen. Eine marktwirtschaftliche Steuerung ist damit weitestgehend ausgesetzt, wodurch Fehlallokationen entstehen.
Beim Versuch in ländlichen Regionen einen Facharzt zu finden, zeigt sich das Ausmaß staatlicher Leistungsplanung. Beobachtet man auf der anderen Seite die Entwicklung in den Kliniken, werden die Fehlanreize bei der Leistungserbringung deutlich. Weniger staatliche Regulierung und mehr wettbewerbliche Instrumente sind für ein funktionierendes Gesundheitswesen unabdingbar!
Ohne diese werden wir die Innovationsführerschaft in dieser Branche auf kurz oder lang nicht erreichen. Bei der Verbreitung von Innovationen sollte daher vermehrt auf die Kunden geschaut werden. Effizienzgewinne oder eine Qualitätssteigerung sind die entscheidenden Parameter. So lange der Staat die Investitionsentscheidungen auf Landesebene beeinflusst, muss die Produktivitätssteigerung besonders in den Blick genommen werden. Hier sind die Stichworte: Hybrid-OP, Robotik, Automatisierung von Logistik, prozessorientierter Umbau.
Bei der Neuzulassung von Produkten und Leistungen müssen mehr Spielräume und eine Beschleunigung der Verfahren erfolgen. Denn besonders Start-Ups haben keine Möglichkeiten lange Zulassungsverfahren zu überstehen. An dieser Stelle könnte sich die Regierung auch Gedanken über die bessere Finanzierung von Neugründungen mit Wagniskapital machen.
Am Ende entscheiden immer die Kunden
Wenn wir in Deutschland auch zukünftig Innovationen entwickeln und vermarkten wollen, muss mehr Dynamik ins System. Ansonsten werden die großen Technologieunternehmen aus Asien und den USA zukünftig den Ton angeben und damit den Gesundheitssektor dominieren.
Auch der Datenschutz und die Datenverarbeitung müssen erneut auf den Prüfstand. Eines Tages werden Apple und Google kundenorientierte Lösungen anbieten, die einen hohen qualitativen Nutzen für Versicherte oder Patienten haben. Auch mit noch so viel Regulierung wird die Politik es dann nicht schaffen, diese Player aus dem Gesundheitsmarkt herauszudrängen. Am Ende entscheiden immer die Kunden, welche Produkte und Dienstleistungen sie nutzen wollen. Ein innovationsorientierter Wettbewerb mit weniger regulierenden Elementen ist ein erster Schritt in die richtige Richtung!


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