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Der kma Entscheider-Blog

kma Entscheider BlogKommt 2020 die große Klinik-Pleitewelle?

Das neue Jahr bringt neue Regularien und damit neue Risiken für die Kliniken mit sich. Der zunehmende Fachkräftemangel wird die Gesundheitseinrichtungen weiter unter Druck setzen. Wer werden in diesem Jahr die Gewinner und wer werden die Verlierer sein? Am Ende verlieren wahrscheinlich in den meisten Fällen die Patienten.

Philipp Köbe
Philipp Köbe ist freiberuflicher Dozent und Unternehmensberater im Gesundheitswesen.

Der Krankenhaus Rating Report 2019 bescheinigt der deutschen Kliniklandschaft eine Verschlechterung der Lage. Der Anteil der Krankenhäuser mit einem negativen Jahresergebnis auf Konzernebene hat sich auf 28% gegenüber dem Vorjahr mit 16% deutlich erhöht. Rund 12% der Kliniken sind damit einer erhöhten Insolvenzgefahr ausgesetzt. Einher gehen diese Entwicklungen mit einem geringen Rückgang der Fallzahlen. Der Krankenhaus Rating Report 2019 greift auf die Daten von 2017 zurück.

In der Zwischenzeit hat sich die Lage weiter zugespitzt. Zum größten Risiko hat sich die Schließung einzelner Einheiten aufgrund des Personalmangels hervorgetan. In 2019 war häufig von der Sperrung von Intensiv-Betten, der Schließung ganzer Stationen oder der Abmeldungen von der Notfallversorgung zu lesen. Dadurch mussten einerseits Patienten abgewiesen werden, anderseits mussten die Kliniken Erlöseinbußen hinnehmen. Die Ausweitung der Personaluntergrenzen auf weitere Fachabteilungen könnte dieses Problem zukünftig noch verschärfen.

Die Personalbudgets als neuer Risikofaktor

Mit der Herausnahme der Pflegepersonalkosten aus den Fallpauschalen wurde vom Gesetzgeber ein neues Konstrukt zur Refinanzierung der Betriebskosten geschaffen. Das Ziel dieser Maßnahme ist eine bessere Personalausstattung in der Pflege und ggf. auch eine höhere Bezahlung selbiger. Wie die praktische Umsetzung aussehen soll und ob die Kliniken tatsächlich ihre gesamten Pflegepersonalkosten ersetzt bekommen, ist vielen noch unklar. Zukünftig werden die Krankenhäuser die Pflegebudgets gesondert mit den Kostenträgern verhandeln. Warum etwas verhandelt werden soll, was zu einhundert Prozent von den Kassen refinanziert werden müsste, ist fraglich. Woher das Personal für eine üppigere Ausstattung der Pflegebereiche kommen soll, ebenso.

Möglicherweise soll damit eine nach oben offene Lohnspirale verhindert werden, wenn Kliniken reihenweise beginnen bei der Konkurrenz Personal abzuwerben, sei es in der Altenpflege oder beim Krankenhaus 500 Meter weiter. Diese Dynamik produziert zwangsläufig Gewinner und Verlierer. Die Gewinner werden diejenigen sein, die einen längeren Atem in Form von Liquidität haben und ihren zukünftigen Mitarbeitern ein besseres Arbeitsumfeld anbieten können, als es im derzeitigen Unternehmen vorherrscht. Dies geht natürlich auch mit der Bezahlung einher. Die Verlierer werden hingegen diejenigen sein, die bereits heute unter den schwierigen Rahmenbedingungen leiden.

Bei denen Personalknappheit das Geschäft einschränkt, Dienstpläne verdichtet werden und die Arbeitsbedingungen sich ins unerträgliche für Mitarbeiter und Patienten bewegen. Die Beschleunigungkräfte dürften dann relativ zügig zu einem Zusammenbruch einiger Krankenhäuser führen. Bei der Schließung von Abteilungen durch den Mangel an Pflegekräften, werden auch andere Berufsgruppen schnell den Arbeitgeber wechseln. Allen voran die Ärzte - die besten gehen zuerst.

Die Unsicherheit als größtes Zukunftsrisiko

Die ohnehin geringer werdende Planungssicherheit wird weiter eingeschränkt. Überleben werden diejenigen, die sich am schnellsten anpassen können bzw. auf Marktveränderungen reagieren werden. Die Schließung einer Fachabteilung bei einem Wettbewerber kann dabei auch eine Chance sein, sich selbst besser im Markt zu positionieren. Das hilft auch der Konsolidierung. Alles steht und fällt damit, ob man selbst ausreichend Personal zur Verfügung hat. Wer die besten Rahmenbedingungen bietet, wird gewinnen. Und wie wird man auf Erlöseinbrüche reagieren? Die Freisetzung von Personal wird die Erlöse mittelfristig nicht sichern. Die meisten Kliniken sind bei den Sachkosten bereits am Limit. Investitionen in die rettende Digitalisierung werden bei ungünstigen Zukunftsaussichten zunehmend schwieriger. Obwohl demographisch bedingt die Fallzahlen steigen werden, ist der Markt der stationären Leistungserbringer nach wie vor überversorgt. Über kurz oder lang wird es zum Austritt vieler Kliniken kommen müssen. Die Politik steuert unerbittlich über die Regulierung.

Keine Rettung von Todgeweihten

Dabei hätte die Politik viel bessere Möglichkeiten zur Steuerung. Die Länder planen die Klinikkapazitäten und könnten den Wandel deutlich besser über eine veränderte Leistungsplanung lenken. Der mangelnde Mut und die Kurzsichtigkeit kostet den Steuerzahler hunderte Millionen, die in ineffizienten Strukturen verschwinden, statt unrentable Kliniken zu schließen. Zudem setzt man lieber Patientenleben infolge mangelnder Qualität aufs Spiel, weil Leistungserbringer sich auf neue Märkte begeben, in denen sie keine hinreichenden Kompetenzen vorweisen können. Im Jahr 2020 wird die Frage der positiven Fortführungsprognose wohl häufiger auf der Agenda der Wirtschaftsprüfer stehen.

Welche Krankenhäuser haben noch ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell? Wo können durch eine Konsolidierung noch Strukturen erhalten bleiben und wo müssen Kliniken endgültig schließen? Am Ende kommt es nicht darauf an, dass draußen auf dem Schild Klinikum steht, sondern dass eine funktionierende Versorgung vor Ort vorhanden ist. Im Idealfall ein Kombi-Modell aus ambulanter Versorgung und zusätzlichen Angeboten, wie Tagesklinik oder Kurzzeitpflege. Zum Gelingen eines solchen Konzeptes müssen die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) endlich die Leistungsplanung abgeben. Für eine integrierte Versorgung dürfen ambulante und stationäre Leistungen nicht mehr getrennt voneinander geplant werden. Zumal die KVen keine Antworten auf den Haus- und Facharztmangel in ländlichen Regionen haben. Eine integrierte Leistungsplanung sollte schnellstmöglich beginnen.

Die Kostenträger müssen bessere Vergütungsmodelle bieten

Der Innovationsfonds war eine nette Idee. Aber welche guten Versorgungskonzepte haben es bislang in die Fläche geschafft? Warum konnten viele der guten Ansätze nicht auf ganze Regionen ausgerollt werden? Möglicherweise leisten Kostenträger, Leistungserbringer und Politik nicht genug für eine nachhaltige Gesundheitsversorgung. Stattdessen scheint die Selbstverwaltung an vielen Stellen sinnvolle vorhaben zu blockieren. Die Minimalschritte zur Öffnung für neue Versorgungsangebote scheint bei den Akteuren keinen großen Anklang zu finden.

Wenn Leistungserbringer und Kostenträger neben den regulären Budgets demnächst noch über Pflegebudgets verhandeln, sollten auch Strukturverhandlungen mit berücksichtigt werden. Hier sollten die Kostenträger aktiver mitgestalten. Anstatt schlechte Qualität mit Abschlägen und Mindestmengen zur Aufgabe zu zwingen, könnte proaktiv über Leistungsverschiebungen gesprochen werden. Dafür sollte auch der ambulante Sektor für die Kliniken geöffnet werden. Die Maßgabe sollte eine aktive Strukturpolitik sein, statt eines Aushungerns der Kliniken durch Regulierung oder Investitionsmittel-Entzug.

Die Investoren lauern hungrig

Klinikpleiten treiben die Konsolidierung. Das ist auch gut so. Allerdings sollte die Trägervielfalt auch auf lange Sicht erhalten bleiben. Die Ratings sowie die Performance der kommunalen Kliniken fallen besonders schlecht aus. Wer wird die Versorgung von der öffentlichen Hand übernehmen, wenn die Kliniken insolvent sind? Die Investoren warten bereits auf ihre Chance, im Zukunftsmarkt Gesundheit weiter investieren zu können. Das ist auch eine gesamtgesellschaftliche Chance. Wenngleich private Klinikbetreiber in der öffentlichen Diskussion häufig kritisiert werden, treiben sie doch in hohem Maße Innovationen voran und sind in aller Regel deutlich vorne bei der Digitalisierung. Somit wird 2020 auch ein Jahr für Investoren, sich vermehrt im Gesundheitssektor auszubreiten. Die öffentliche Hand sollte sich an dieser Stelle aufgeschlossen zeigen gegenüber privaten Betreibern. Mittels öffentlicher privater Partnerschaften besteht die Möglichkeit neue Versorgungsmodelle mit privater Beteiligung zu entwickeln und die Versorgungssicherheit in der Region aufrecht zu erhalten.

In jedem Fall ist dieses Szenario besser als ein Kliniksterben ohne Alternativen. Der Patient wird den Akteuren danken, wenn er auch zukünftig ohne unfassbar lange Wartezeiten an der Versorgung teilnehmen kann, keine unglaublich langen Strecken in Kauf nehmen muss und keine Angst vor qualitativ schlechter Leistung haben wird. In jedem Fall wird das Jahr 2020 von vielen Veränderungen und Umbrüchen gekennzeichnet sein, die nicht nur Risiken sondern auch Chancen bieten.

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