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Der kma Entscheider-Blog

kma Entscheider BlogStille Personalreserven jetzt bereithalten

Die Bundeswehr hat bereits damit begonnen Reservisten für den Katastrophendienst zu rekrutieren. Gleiches sollte parallel mit den ehemaligen Ersatzdienstleistenden erfolgen. Jeder der sich für den Dienst in der medizinischen oder sozialen Versorgung bereiterklärt, sollte schnellstmöglich eine Verwendung finden.

Philipp Köbe
Philipp Köbe ist freiberuflicher Dozent und Unternehmensberater im Gesundheitswesen.

Seit einigen Wochen bereitet sich Deutschland auf den Ernstfall in der Gesundheitsversorgung vor. Ab dem kommenden Montag könnte die erste große Welle der Intensivpatienten auf unsere Kliniken zurollen. Die Bundesländer sind jedoch nicht überall gleichermaßen gut vorbereitet. Das Musterland Bayern scheint indes bereits zu umfassendsten Vorkehrungen getroffen zu haben, wie man aus Insiderkreisen hört. Auch in der Schweiz haben sich die Kliniken bereits gut auf einen Ansturm auf die Intensivbetten vorbereitet. Dort unterstützt die Armee die Spitäler bei der Logistik, Medizinstudenten werden rekrutiert und die Kinderbetreuung für das betreffende Personal wird umfassend ausgebaut. 

Kollaps der personellen Situation vermeiden

Bereits heute, wo die größten Aufgaben vermeintlich noch bevorstehen, klagt das Personal in Kliniken bereits über unhaltbare Zustände. Täglich wird an die Bevölkerung appelliert, bitte zu Hause zu bleiben. Ich habe von Kollegen gehört, dass sie bereits seit mehr als zwei Wochen ununterbrochen im Einsatz sind. Feste Dienstzeiten sind zudem ausgesetzt. In der öffentlichen Berichterstattung wird über die Auslastung der Intensivkapazitäten diskutiert. Ausgangsannahme sind dabei in erster Linie die vorhandenen Betten. Betten sind tatsächlich ein schönes Rechenelement, bilden jedoch nur einen Teil der Kapazität ab. Denn der wichtigere Parameter ist das versorgende Personal. Ohne eine Fachkraft ist das Bett quasi wertlos. Intensivmedizinisches Personal ist so knapp wie nie. Sollte eine größere Ansteckungswelle bei ebendiesem stattfinden, würden sich die verfügbaren Kapazitäten schlagartig dezimieren.

Stille Personalreserven jetzt an den Start bringen

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hat bereits damit begonnen, Reservisten für die Bundeswehr zu rekrutieren. Die Tagesschau meldete am 19. März 2020 bereits 2000 Freiwillige, die dem Aufruf des Verteidigungsministeriums gefolgt sind. Parallel dazu sollte auch die Reservisten aus den Ersatzdiensten angesprochen werden. Auch wenn der Zivildienst in seiner damaligen Form nicht als Reserve für einen Ernstfall vorgesehen war, könnte heute die Zeit sein, diese Menschen erneut zu berufen. Im Jahr 2009 leisteten rund 90 000 Männer in Deutschland Zivildienst. Insgesamt dürften in den vergangenen Jahrzehnten mehrere Millionen den Ersatzdienst geleistet haben. Diejenigen von ihnen, die nicht ohnehin in sozialen Berufen oder der Gesundheitsversorgung tätig sind, bieten ein enormes Unterstützungspotenzial.

Natürlich ist vollkommen klar, dass angelernte Personen keinen Ersatz für examinierte Pflegekräfte oder medizinisches Fachpersonal darstellen. Jede helfende Hand würde in diesen Zeiten jedoch die angespannte Situation in Kliniken entschärfen. Schließlich gibt es neben der Patientenbetreuung noch unglaublich viele Tätigkeiten, die geleistet werden müssen. Neben dem Liefern und Nachfüllen von Materialien, der Koordination und Telefonbetreuung, müssen auch Patienten transportiert werden. Viele klassische Aufgaben des Zivildienstes könnten in dieser Situation Verwendung finden.

Dezentrale Koordination der Freiwilligen

Es wäre die Aufgabe des Bundesgesundheitsministers, Jens Spahn, es seiner Parteikollegin gleich zu tun, und diesen Aufruf zu starten. Anschließend sollten die Länder und Kommunen die Koordination im Einzelnen übernehmen. Analog der Rekrutierung von Medizinstudierenden sollte diese Personalquelle unverzüglich mit einbezogen werden. Die Landesgesundheitsministerien sollten dafür einheitliche Prozesse und ihre volle Unterstützung anbieten. Das volle Know-how der Ministerien muss nun dezentral genutzt werden, und zwar schnell! Bei der Uniklinik Köln können sich unter anderem Freiwillige für jeglichen Einsatz melden. Die Schlagkraft dieses Instruments scheint jedoch bislang wenig Erfolg zu zeigen. Die Rückmeldung seitens der Kliniken ist zu langsam. Im Klartext bedeutet das, der Druck auf das Fachpersonal steigt, obwohl die Ressourcen zur Verfügung stünden. Die Koordination darf an dieser Stelle nicht der Engpass sein!

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