
Bereits in meinem letzten Blog bemängelte ich, dass im Zuge der Covid-19-Krise zu viel auf Meinungen ohne empirische Belege Wert gelegt wurde, nicht selten sogar von Experten, die auf dem Gebiet der Virologie bis dato nur nebensächlich in Erscheinung getreten sind und keinerlei Publikationen zu diesem Gebiet aufweisen konnten.
Trotzdem hatten einige dieser Stimmen eine medial beachtliche Reichweite. Ich wurde von Teilen der akademischen Welt und solchen, die sich gerne dazu zählen würden, dafür gescholten, diesen misslichen Umstand benannt zu haben. Nun zeigt sich, dass mein Appell bedauerlicherweise bewahrheitet hat.
Fehlerhafte Studien
Während in Deutschland das Heinsberg-Protokoll für großen Wirbel sorgte, hat sich auf globaler akademischer Ebene nun ein wissenschaftskommunikativer Skandal abgezeichnet. Es stellte sich nämlich heraus, dass gleich zwei Beiträge zur Covid-19-Therapie trotz grober Fehler publiziert wurden – und das auch noch in den weltweit wichtigsten Medizinjournalen „New England Journal of Medicine“ und „The Lancet“. Auch Wissenschaftler und Ärzte unter anderem von der renommierten Harvard Medical School sind an diesem Skandal beteiligt. Was war passiert?
Zwei Studien, die den Einsatz der umstrittenen Malariamittel Hydroxychloroquin und Chloroquin bei Covid-19-Patienten, sowie von ACE-Hemmern betreffen, stellten sich im Nachhinein als unwissenschaftlich und unseriös heraus. Nachdem eine externe Begutachtung der verwendeten Patientendaten nicht möglich war, zogen die Autoren Autoren die Studien zurück. Die Firma, die alle Daten für die beiden Covid-19-Studien geliefert hatte, konnte oder wollte die angeforderten Originalunterlagen von mehr als 96 000 Patienten bereitstellen. Bereits im Vorfeld gab es Forscher, die nicht an der Studie beteiligt waren, die Zweifel äußerten, ob überhaupt Daten erhoben wurden.
Bitte keine reinen PR-Shows
Der Wissenschaftsbetrieb und die Gesundheitsbranche sind Felder, die von Haus aus sehr sensibel sind und von vielen Experten unterschätzt werden. Hier kann man kommunikativ sehr viele Fehler machen - wie nicht nur die Corona-Krise gezeigt hat sondern nun auch der Fall der medizinische Journals sollte es im Wissenschafts- und Gesundheitsbetrieb nicht darum gehen, möglichst schnell und effektreich Ergebnisse zu präsentieren, die de facto gar keine sind, sondern darum, so zu kommunizieren, dass die Öffentlichkeit weiß, ob es sich um Zwischenergebnisse handelt und wie belastbar diese sind. Am Ende des Tages ist nämlich niemandem geholfen, wenn suggeriert wird, dass eine Studie noch gar nicht zu Ende geführt wurde, aber es bereits vermeintliche Ergebnisse gibt, die spätere Prozess wieder zurückgenommen werden müssen.
Viele Organisationen aus dem wissenschaftsnahen Bereich unterschätzen noch immer die Bedeutung von seriöser und guter Presse und Öffentlichkeitsarbeit sehr und glauben, dies nebenbei erledigen zu können. Dabei ist es sehr wichtig, dass die Worte aber, auch die Inhalte, die kommuniziert werden, nach außen gut ausgewählt sind, sodass zum einen für die Öffentlichkeit wenige Fragen offenbleiben, aber auch, dass man sich argumentativ nicht in eine Sackgasse begibt und hinterher zurückrudern muss.
Aus diesem Grund ist es meiner Meinung nach extrem wichtig, dass die Gesundheits- und Wissenschafts-Branche endlich die Bedeutung von Public-Relations-Arbeit verstehen und für sich nutzen. Häufig ist es nämlich so, dass zwar ein gewisses Selbstverständnis dafür besteht, nach außen zu kommunizieren allerdings wird ein guter Social-Media-Auftritt gerne mit einem strategischen Kommunikationskonzept verwechselt, so dass viele Informationen einfach nur in der Bubble stecken bleiben und somit keine Informationen nach außen dringen. Das Resultat ist, dass dann Verwunderung darüber herrscht, warum die Öffentlichkeit kein Verständnis für bestimmte Entwicklungen Innovationen oder Probleme aufweist.
Professionalisierung der Kommunikation bringt alle weiter
Ebenfalls wird häufig verwechselt, dass ein Kommunikationsberater nicht in erster Linie dafür da ist, dass er Wissenschaftlern Medientrainings vermittelt, damit dieser lernt, sich in der Öffentlichkeit besser zu artikulieren. Auch dies gehört dazu - aber es gehört vor allem dazu, die kommunikativ relevanten Themen und Botschaften zu identifizieren und zielgruppengerecht zu kommunizieren – und Beziehungen in die verschiedenen Redaktionen – auch außerhalb der Fachpresse langfristig aufzubauen. Die Heinsberg-Studie stand zwar im medialen Kreuzfeuer und wurde sicherlich auch in großen Teilen nicht zu Unrecht gerügt allerdings, wurde hier die Sinnhaftigkeit verstanden, dass Wissenschaft auch massentauglich kommuniziert werden muss, damit sie den Elfenbeinturm verlässt. Es ist vorstellbar, dass das die Kommunikation rund um das Heinsberg Protokoll auf Dauer – und in besserer und fundierterer Ausführung – wegweisend dafür sein kann, wie in der Zukunft Kommunikation für den Wissenschafts- und für den Gesundheitsbetrieb geleistet wird.
Klar sollte bei der Professionalisierung von Wissenschafts- und Gesundheitskommunikation in jedem Fall sein, dass diese nicht einer reinen PR Show gleicht, bei der Wissenschaftler nur ihre Personal Brand in den Vordergrund stellen, ohne dass substanzielle Inhalte mitgebracht werden. Der Inhalt bzw. die Expertise müssen stimmig sein mit dem anvisierten Image als Experte. Nicht in allen Fällen ist es sinnvoll, sich derart präsent zu geben wie Professor Christian Drosten während der Covid-19-Pandemie, aber das sollte nicht der Hauptzweck sein - es sollte in erster Linie darum gehen, dass wissenschaftliche Inhalte nicht nur für die eigene Fach-Bubble, sondern auch leichter verständlich für die Bevölkerung formuliert und dargestellt wird.


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