
Mit Vorträgen, Paneldiskussion und einem praxisorientierten Testing Hub lud die Universitätsmedizin Frankfurt (UMF) am Dienstag, den 24. September 2024 zum 3. Frankfurter E-Health-Tag ein. Unter dem Motto „Vernetzte Zukunft im Gesundheitswesen“ informierte das Uniklinikum über digitale Versorgungssteuerung sowie über den Umgang mit Krisen am Beispiel des 2023 erfolgten Hackerangriffs.
„Unser Ziel ist es, durch digitale Innovationen die medizinische Versorgung effizienter und vollständig entlang der Patientenpfade zu gestalten, um stationär wie ambulant eine optimale, personalisierte Behandlung zu ermöglichen“, sagte Prof. Dr. Jürgen Graf, Ärztlicher Direkter und Vorstandsvorsitzender der Universitätsmedizin Frankfurt in seiner Eröffnungsrede. Im Testing Hub konnten die Teilnehmenden ein Dutzend solcher innovativen Software- und Daten-Projekte begutachten und ausprobieren.
Vom Hackerangriff zum Neuaufbau der IT
Im Fokus der Veranstaltung stand unter anderem der bei Routinekontrollen entdeckte Hackerangriff auf das Universitätsklinikum Frankfurt im Oktober 2023 und das sich anschließende IT-Krisen-Projektmanagement. „Heute, ein Jahr später, sind wir ohne Störungen zurück im Normalbetrieb – obgleich noch nicht vollständig am Internet“, blickte Ingo Jung, Informationssicherheitsbeauftragter der UMF, zurück. Zu keinem Zeitpunkt habe Gefahr für die Patientensicherheit bestanden, versicherte er.
Der Krisenstab hat nach der Attacke direkt den Stecker gezogen.
Für die Wiederherstellung und zukünftige Abwehr musste die IT-Sicherheit verstärkt werden. Sofort-Maßnahmen waren die Aktivierung einer Spezialfirma für IT-Forensik und Einrichtung eines Krisenstabs, der die proaktive Trennung vom Internet, die Separierung aller internen Netze und Trennung vom Backupsystem beschloss. „Das Krisenmanagement hat für uns sehr gut funktioniert, weil wir eine Instanz hatten, welche die Wichtigkeit entstehender Probleme für Ärzte, Pflege, Verwaltung und IT bewertete und diese priorisierte.“
Doris Henneberger, Leiterin der Stabsstelle Pflegedirektion IT-Systeme, sprach auf dem E-Health-Tag über die temporär erschwerten Arbeitsprozesse durch den Offline-Betrieb: „Die KIS funktionierten zwar weiterhin, aber vieles lief vorübergehend nicht – so z.B. das Einspielen von Laborwerten in die Patientenakte, die Kommunikation mit der Leitstelle im Rettungswesen, der Kontakt mit Blutbank, Transport- und Sozialdiensten, Apotheken-Lieferungen, das mobile Arbeiten nebst Rufbereitschaft, die Studienkommunikation und viele weitere, gewohnte Funktionen.“
Mit einem Fokus auf der Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung und Stabilisierung der Geschäftsprozesse konnte die UMF jedoch funktionale Not- und Ersatzverfahren ohne Datenverluste und Verschlüsselung in die Wege leiten. So konnte der Normalbetrieb allmählich wiederhergestellt werden. Langfristige Maßnahmen in der IT-Architektur waren u.a. die Implementierung eines Security Incident and Event Management (SIEM) Systems sowie eines Security Operation Centers (SOC).
Nebeneffekt: Mehr Transparenz der Klinik-IT
„Das Gute ist: Durch die Cyberattacke haben wir gesehen, wie unsere IT-Infrastruktur eigentlich gewachsen ist und wie Datenflüsse, Server und Systeme miteinander verschaltet sind“, resümierte Ingo Jung. „Wir haben gemerkt, dass die Krankenversorgung einfach weiterlaufen kann – da wir nicht verschlüsselt wurden, den Angreifer früh entdeckt und aus dem Spiel genommen haben.“ Inzwischen plant die UMF eine Neuaufstellung ihrer IT-Architektur durch ein ausfallsicheres Rechenzentrum. Dies basiere auf Georedundanz, wie der IT-Sicherheitsbeauftragte Patrick von Kietzell-Papsdorf am Testing Hub für Cybersecurity ankündigte.
Datenintegration für eine tiefenvernetzte Versorgung
In seinem zweiten Schwerpunkt widmete sich die Veranstaltung der vernetzten Versorgung. Im Einzelnen ging es um die Krankenhausstrukturreform, die Integration von KI und Routinedaten in der Pflege und die durchgehend digitale Versorgungssteuerung mit Hilfe eines virtuellen Hospital Command Centers (VHCC).
„Wir erhoffen uns vom KI-Einsatz eine Entlastung des Pflegepersonals, verbesserte Genauigkeit, personalisierte Pflege und optimierte Planung“, erklärte Katharina Steinhauer von der Stabsstelle für Anwendungsbetreuung Klinische IT-Systeme und Neue Technologien. Der nutzbringende Einsatz von künstlicher Intelligenz sei jedoch nur durch viele Daten möglich, stellte die Pflegewissenschaftlerin klar – nur so könne man klinische Prozesse optimieren, Frühwarnsysteme entwickeln und den Clinical Decision Support verbessern.
Sie verwies in diesem Kontext auf tiefergehende KI-Unterstützung in der Telemedizin bei Diagnosen und Behandlungsvorschlägen. Außerdem sieht sie Chancen für KI in der Robotik, im Medikamentenmanagement, in der Pflegedokumentation und bei prädiktiven Analysen zur Früherkennung von Gesundheitsrisiken.
Hospital Command Center
Wie eine digitale Versorgungssteuerung von Krankenhäusern in der Zukunft aussehen könnte, erläuterte Franziska Bausch, Projektmanagerin für Medizinische Informationssysteme und Digitalisierung an der UMF: „Wir sind aktuell dabei, ein Hospital Command Center aufzubauen“, erklärte sie auf der Konferenz und beschrieb den geplanten Weg dorthin. „Durch ein Command Center kann ein Krankenhaus seine Wirtschaftlichkeit steigern, Silos aufbrechen und eine höhere Versorgungsqualität mit mehr Interdisziplinarität ermöglichen“, fasste sie zusammen. Der zunehmende Bedarf an Digitalisierung und Datenintegration könne durch diese zentrale Steuerungseinheit besser bedient werden.
Kapazitätsprobleme und lange Wartezeiten können so vermieden werden.
„Digitale Versorgungssteuerung ist eine mögliche Lösung für den Fachkräftemangel und Ressourcenengpässe. Risiken werden dabei über ein übergeordnetes Betriebssystem zentral überwacht, gemessen und auf einer „Wall of Analytics“ für die Analyse veranschaulicht. So können betroffene Entscheidungsträger frühzeitig informiert und unerwünschte Ergebnisse wie Kapazitätsprobleme und lange Wartezeiten vermieden werden“, führte Bausch aus. Die klinischen Anwender könnten sich so wieder verstärkt auf ihre medizinische Kernaufgabe fokussieren.
Profitieren wolle man hierbei vor allem von den Erfahrungen anderer Länder: So steht die UMF beispielsweise im engen Austausch mit Israel und den Niederlanden, wo solche Command Center bereits etabliert sind.
Intelligente Datennutzung für die Zukunft
Sogenannte Testing Hubs demonstrierten den Teilnehmenden die laufenden, digitalen Innovationsprojekte der Unimedizin. Die Stände zum Ausprobieren zeigten u.a. die Digitalisierung durch tiefenintegrierte KI in der Tele-Pathologie und die mobile Behandlungsdokumentation in der Pflege. Letzteres ermöglicht den klinischen Anwendern sowohl den Abruf als auch die Eingabe von Informationen am Patientenbett in Echtzeit.
Mit „Saturn“ betreibt die UMF in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut ein KI-basiertes, smartes Arztportal für Betroffene mit unklaren Erkrankungen. Ein weiteres Projekt mit der Bezeichnung SAP BI stellt dem Uniklinikum ein Steuerwerkzeug zur Verfügung, das Daten aus unterschiedlichen Quellen für das Reporting auf KPI-Dashboards aufbereitet. So werden Abhängigkeiten visualisiert und eine datengetriebene Unternehmenskultur gefördert.
Andere Projekte („Comtrac HIV“ und „Susan“) widmen sich hingegen speziellen Anwendungsfällen wie HIV oder Sepsis. Durch die intelligente Nutzung von Gesundheitsdaten und deren Integration in die entsprechenden Bereiche des Klinikbetriebs, sorgen sie für eine verbesserte Behandlungsunterstützung.









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