
Die Politik von US-Präsident Donald Trump ist von einer bislang nicht vorstellbaren Unberechenbarkeit und Aggressivität gekennzeichnet. Über viele Jahre aufgebautes Grundvertrauen wurde in kurzer Zeit zerstört. Bislang akzeptierte Abhängigkeiten, insbesondere im digitalen Bereich, werden deshalb zu Recht hinterfragt. Aufgrund inhärent hoher Sensibilität bestanden bei der Speicherung medizinischer Daten auf Servern von US-Unternehmen bei Vielen ohnehin bereits „Störgefühle“. Durch den nun stattgefundenen Vertrauensbruch wurde das Thema „Daten-Souveränität“ über Nacht aus einem eher theoretischen Diskussionsraum in das reale Hier-und-Heute gebeamt.
Bereits auf der DMEA im April war erkennbar, dass deutsche Klinikträger verstärkt nach Alternativen zu amerikanischen Cloud-Anbietern wie AWS, Microsoft etc. Ausschau hielten. Für die Speicherung medizinischer Daten suchen sie nach Unternehmen, die ausschließlich dem europäischen Rechtsrahmen verbunden sind, und damit den Werten und Vorstellungen ihrer Patienten entsprechen.
Wir brauchen eine performante und preiswerte Euro-Cloud.
Ja, es gibt sie, die deutschen bzw. europäischen Cloud-Anbieter. Allen gemein ist, im Vergleich zu den US-Anbietern, höhere Kosten bei mäßiger Performance. Häufig fehlen die entscheidenden Microservices um datengetriebene Funktionen rasch umzusetzen. Um diese Defizite abzubauen, braucht es Größe und gebündelte Kompetenz! Ohne Skaleneffekte werden weder kompetitive Preispunkte noch ausreichende Performance-Levels erreichbar sein. Wir brauchen eine performante und preiswerte Euro-Cloud.
Airbus sollte Vorbild sein
Vor einer ähnlichen Herausforderung stand Europa vor 55 Jahren in der Luftfahrtindustrie. Die technologische und infrastrukturelle Abhängigkeit von den USA war nach Ende des Zweiten Weltkriegs kontinuierlich angewachsen. Ende 1970 begegnete Europa dieser Abhängigkeit mit der Gründung von Airbus. Anfangs wollte niemand an einen Flugzeugbauer aus Europa glauben. Und ja, zum Start lief nicht alles glatt. Heute ist Airbus vom Himmel aber nicht mehr wegzudenken. Mit Engineering „Made in Europe“ hat Airbus die US-Konkurrenz inzwischen abgehängt.
Über die vergangenen 20 Jahre hat Europa in einem schleichenden Prozess die Hoheit über die eigenen Daten verloren. Das gilt leider auch für medizinische Daten.
Heute benötigen wir für unsere digitale Infrastruktur ähnlich mutige Entscheidungen. Mit Ausnahme von SAP spielen europäische Unternehmen in der digitalen Welt bestenfalls Neben- bzw. Nischenrollen. Die technologische Abhängigkeit umfasst alle Wirtschaftsbereiche und damit auch die Gesundheitswirtschaft. Dabei geht es längst nicht mehr nur um Hardware oder isolierte Software-Anwendungen. Im Fokus stehen cloudbasierte Datenspeicher und rechenintensive Applikationen. Hier sind die Abhängigkeiten am ausgeprägtesten und bezüglich des Missbrauchspotentials am gefährlichsten.
Über die vergangenen 20 Jahre hat Europa in einem schleichenden Prozess die Hoheit über die eigenen Daten verloren. Das gilt leider auch für medizinische Daten. So werden zwar alle ePA-Daten auf Servern innerhalb Europas gespeichert werden. Ein Großteil dieser Server gehört allerdings US-Techunternehmen. Deren Vorstände haben in den vergangenen Wochen auf eindrucksvolle Weise bewiesen, dass sie bereit sind, wertebezogene Überzeugungen über Nacht zugunsten neuer politischer Ansagen zu opfern.
Anschubfinanzierung aus Infrastrukturfonds
Um unsere bestehende Abhängigkeit zu überwinden und die Souveränität über die eigenen Daten wiederzuerlangen, braucht es einen europäischen Kraftakt – ähnlich wie bei Airbus vor 55 Jahren. Wir benötigen einen staatlich finanzierten aber privatwirtschaftlich organisierten Rahmen. Der Eintritt in diesen Rahmen muss mittels Subventionen und/oder Investitionshilfen für bestehende Unternehmen attraktiv gemacht werden. Dabei ist es wichtig, in der Ausgestaltung an markwirtschaftliche Prinzipien als Garanten für Produktivität und Wirtschaftlichkeit festzuhalten. Zur Anschubfinanzierung wären EU-Fördermittel wie auch Mittel des in Deutschland gerade eingerichteten Infrastrukturfonds bestens angelegt.
Ähnlich wie Airbus wird ein solches Euro-Cloud-Investment langfristig reichhaltig Dividenden einfahren. Neben dem direkten wirtschaftlichen Erfolg mit vielen guten Arbeitsplätzen bei den Betreibern und dem Aufbau wertvoller Tech-Expertise werden alle Wirtschaftsbereiche profitieren, insbesondere die Gesundheitswirtschaft. Am wichtigsten wird sein, dass wir als Europäer wieder souverän über unsere Datennutzung auf der Basis unserer Werte entscheiden können. Also packen wir es an!








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