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BetriebskostenPatientenportale nach dem KHZG – wer zahlt?

Der Aufbau von Patientenportalen wird durch das KHZG unterstützt. Eine Studie ist jetzt der Frage nachgegangen, wie die Finanzierung der Betriebskosten nach Ablauf der Förderung sichergestellt werden kann.

Patient sitz am Empfang im Krankenhaus zur Angabe seiner Daten
auremar/stock.adobe.com
Symbolfoto

Das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) bewirkt eine breite Digitalisierung der Krankenhauslandschaft. Nicht geklärt ist indes die Frage der Finanzierung der Betriebskosten. Einmal angeschafft, müssen die Systeme nicht nur gewartet, sondern auch weiterentwickelt werden. Patientenportale etwa sollen nach Fördertatbestand 2 des KHZG zu einem transparenteren Informationsaustausch, zu einer stärkeren Entlastung des Personals und zu einer besseren Unterstützung der Patienten führen – doch das Return on Invest (ROI) ist bei Portalen nur schwer zu greifen.

Aus unternehmensökonomischer Sicht braucht es validierbare Hypothesen, auf welcher Grundlage die Betriebskosten für Wartung und Weiterentwicklung dauerhaft finanziert werden können. Hierzu muss der für das Unternehmen passende Mehrwert mit dem besten Kosten-Nutzen-Verhältnis identifiziert und der tatsächliche Zielerreichungsgrad messbar gemacht werden.

Betriebskosten bis zu einem Prozent des Gesamtumsatzes

Die Managementberatung Borchers & Kollegen hat in einer nicht-repräsentativen Studie die Daten von rund 40 Krankenhäusern analysiert. Dem Krankenhaus entstehen direkte und gut kalkulierbare Kosten für die Implementierung des Patientenportals inklusive der Schnittstelle zum Krankenhausinformationssystem (KIS) und laufende Kosten für Wartung und Lizenzen in Höhe von 0,5 bis 1 Prozent des Gesamtumsatzes, die sich direkt aus den KHZG-Projekten ergaben.

Häufig werden diese von Begleit- und Folgeprojekten flankiert, die nochmals Kosten in ähnlicher Größenordnung verursachen. Darüber hinaus müssen Schulungen, Support, Redaktionstätigkeiten, Key-User und mobile Endgeräte mitgedacht und finanziert werden. Attraktive Erweiterungen des Portals etwa in Form von digitaler Signatur, Bedside Terminals oder Check-in-Terminals verursachen zusätzliche Kosten.

In jeder Branche hatten Serviceportale einen holprigen Start, ob in der Verwaltung oder in der Industrie.

„Wenn die Schattenaufwände oder Querimplikationen – Prozessveränderungen und Portalerweiterungen bei Hard- und Software – mit einbezogen werden, sollten die Krankenhäuser Betriebskostensteigerungen in einer Größenordnung von 1 bis 2 Prozent des Gesamtumsatzes einplanen“, rät Prof. Dr. Jan Appel, Partner bei Borchers & Kollegen. Gefährlich sei dabei die hohe Latenz beim Return on Investment (ROI), wenn Mehrwerte bei Patientenportalen mit erheblicher Verzögerung zu den Kosten eintreffen.

Serviceportale – eigentlich ein alter Hut

In jeder Branche hatten Serviceportale einen holprigen Start, ob in der Verwaltung oder in der Industrie. Auch für Krankenkassen waren die Onlinegeschäftsstellen (OGS) erst mal nur eine (lästige?) Pflicht, um der Transparenzforderung des Gesetzgebers nachzukommen. Höherer Effizienzdruck aus dem Wettbewerb und Personalmangel haben dazu geführt, dass mittlerweile 80 Prozent der Kassen Selfservices zur Erhöhung des Automatisierungsgrades bzw. der Dunkelverarbeitungsquote nutzen. Hier haben sich Serviceportale zum Standard entwickelt, um durch Selfservices nachgelagerte Prozessabläufe effizienter und effektiver zu gestalten und zu automatisieren – und das bei gesteigerter Kundenzufriedenheit. In Zeiten historischer Beitragssatzsteuerungen ist das überlebenswichtig geworden, um im Wettbewerb zu bestehen.

Eine Mehrwertlandkarte aus der Community

Da es im Krankenhaussegment zwar bereits viele Krankenhausplattformen, aber noch kaum KHZG-FTB2-Patientenportale im laufenden Betrieb gibt, kann die Wirtschaftlichkeit nur aus Erfahrungswerten abgeleitet werden. Um die wirtschaftlichen Potenziale von Patientenportalen zu identifizieren, wurde eine „Community Patientenservices“ initiiert. Ziel dieses Ansatzes war es, von den Erfahrungen der Digitalisierungspioniere aus der Community zu profitieren.

Es erfolgte ein Informationsaustausch mit Projektverantwortlichen von Krankenhäusern und verschiedenen Anbietern von Patientenportalen. Als Ergebnis dieses „Think talks“ entstand eine Mehrwertlandkarte mit validierbaren Hypothesen, die das Krankenhausmanagement als Instrument für den Dialog mit IT-Abteilung, Fachabteilungen und Controlling nutzen kann.

Strategische Mehrwerte brauchen geeignete Voraussetzungen

Für strategische Mehrwerte tritt die Rendite erst nach mehreren Jahren ein. Daher ist es wichtig, mittel- und langfristige Ziele anzustreben und zu verfolgen. Selbst wenn gerade keine Zeit oder keine Mittel für einen umfassenden Strategieprozess vorhanden sind, ist es wichtig, sich die angestrebte Positionierung in der Krankenhauslandschaft in den nächsten Jahren bewusst zu machen und im Unternehmen die entsprechenden Voraussetzungen zu schaffen.

Auch beim Fehlen einer expliziten Unternehmensstrategie lassen sich die weiteren Mehrwerte von einer „Strategieblaupause“ ableiten. Thorid Gehrmann, Projektleiterin Patientenportale und Abteilungsleitung Produkt- und Innovationsmanagement am KRH Klinikum Region Hannover GmbH, schätzt, dass die meisten Häuser die strategische Bedeutung und die Change Aufwände in der Umsetzung von Patientenportalen immer noch unterschätzen.

Prozesskritik vor Prozessdigitalisierung

Für operative Mehrwerte ist eine Prozessorientierung des Unternehmens eine Voraussetzung. Eine Wertschöpfungskette sowie eine Prozesslandkarte der aktuellen Kern-, Unterstützungs- und Managementprozesse sind in der Wirtschaft üblich, im Gesundheitswesen aber noch keine Selbstverständlichkeit. Es ist wichtig, die Change-Aufwände zu berücksichtigen und tatsächliche Mehrwerte messbar zu machen.

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Neben der Erfassung der Ist-Prozesse gilt es auch, sich die hybriden Soll-Prozessabläufe beim Zusammenspiel von Mensch und Maschine zu überlegen – zum Beispiel beim Aufnahmemanagement, welches digital ausgefüllte Fragebögen nutzt und auch damit umgehen kann, wenn ein Termin doch analog am Telefon gebucht werden soll. Oft führt dies zu einem neuen Selbstbild der Berufsgruppen, welches heute so noch nicht existiert: Ist der Sozialdienst für die Nachsorge im Entlassmanagement zuständig, oder braucht es doch Fallmanager? Diese Umstellungen erfordern Prozess- und Chance Manager in den Krankenhäusern im engen Kontakt mit allen Betroffenen.

Es ist wichtig, die Change-Aufwände zu berücksichtigen und tatsächliche Mehrwerte messbar zu machen.

Die Mehrwertlandkarte in der Anwendung

Sowohl die Veränderungen auf der strategischen als auch auf der operativen Ebene erfordern in den Entscheidungsprozessen ein angemessenes Zusammenspiel zwischen IT, Management und den betroffenen Anwendern und Stakeholdern des Unternehmens. Das Management benötigt eine grundlegende Digitalisierungskompetenz und Vertrauen in die Entscheidungskompetenz der IT-Abteilung in Bezug auf strategische Maßnahmen, die auf den ersten Blick keinen sofort nachvollziehbaren Mehrwert haben – wie beispielsweise die Interoperabilität. Von der IT-Abteilung fordert dies eine hohe Kommunikationskompetenz und -bereitschaft sowie die Fähigkeit, mit gegenläufigen Zielsetzungen umzugehen.

Aus Sicht der IT ist die Bestandswahrung, Stabilität und Resilienz der Anwendungs- und Systemlandschaft oberstes Ziel. Die Anwender benötigen funktionierende Use Cases mit einem für sie nachvollziehbaren Business Case, zu denen die Portale beitragen. Neben dem Tagesgeschäft haben sie kaum Zeit, sich mit einer solch komplexen Thematik auseinanderzusetzen. Aufgabe der Digitalisierung ist es, diese Interessenkonflikte im Tagesgeschäft zu adressieren. Es empfiehlt sich, in den Häusern Stabsstellen oder Strukturen wie einen „Chief Digital Officer“, „Chief Transformation“ oder ein „Digital Board“ zu schaffen.

Return on Investment messbar machen und im Blick behalten

In Abstimmung mit dem Unternehmenscontrolling werden die Mehrwerte in eine sinnvolle Reihenfolge gebracht. Da sich Portale oft in der Einführungsphase befinden, sollten diejenigen Mehrwerte voranstellt werden, die sich mit geringem Aufwand erreichen lassen und möglichst früh einen messbaren Ertrag haben können – auch wenn dieser noch nicht so groß ist.

Damit der Return on Investment nicht aus den Augen gerät, werden zusätzlich für die Mehrwerte Messfaktoren identifiziert, die ein Regelcontrolling auf Jahres- oder Quartalsebene in der Umsetzung erlauben. Zu den Mehrwerten passende Key Performance Indikatoren (KPI) können entweder aus dem Unternehmenscontrolling abgeleitet oder durch Umfragen als Teil eines Strategieprozesses erhoben werden. Besonders geschickt ist es, diese Datenflüsse direkt aus den IT-Systemen abzuleiten.

Telematikinfrastruktur noch ohne ROI?

Wenn über 1000 Patientenportale entstehen, ist kaum vorstellbar, dass langfristig jedes Portal über eine eigene Benutzerkennung verfügt, mit der sich die Patienten anmelden müssen. Laut Förderrichtlinie sind die Anwendungen und Dienste der Telematikinfrastruktur nachzunutzen, sobald diese verfügbar sind.

Die Knackpunkte hierbei sind ein realistischer Zeiterwartungshorizont, der Wandel der Gematik zur Digitalagentur sowie die Digitalisierungsstrategie des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG). Das Ministerium geht dabei von hybriden Versorgungspfaden aus, weshalb die aktuellen Vergütungsstrukturen keine finanzielle Incentivierung beinhalten.

Wie kann „digital vor ambulant vor stationär“ die Versorger entlasten, wenn dies in den Vergütungsstrukturen der Selbstverwaltung nicht vorgesehen ist? Veränderungen geschehen dort am schnellsten, wo die Not der Akteure am größten ist. Durch Fachkräftemangel, demografischen Wandel und wirtschaftliche Engpässe wird das Gesundheitswesen mit zunehmenden Versorgungsengpässen konfrontiert.

Gemeinsam mit der Internationalen Hochschule (IU) Münster werden derzeit eine Bedarfsanalyse und Fokusgruppen zur digital gestützten Versorgung in der Region fortgesetzt. In einem Community-Dialog wird die Vision einer sektorenübergreifenden und interprofessionellen Versorgung in der Region als gemeinsamen Zielpunkt für bestehende und zukünftige Digitalisierungsinitiativen entwickelt.

Empfehlung

Krankenhäuser sollten im ersten Schritt, falls noch nicht geschehen, eine Stabsstelle Digitalisierung einrichten, die die strategischen Mehrwerte im Blick hat, sowie einen Prozess- oder Change-Manager installieren, der sich um die operativen Mehrwerte kümmert. Falls beides vorhanden ist, sollte ein nachhaltiger Strategieprozess eingeführt werden, welcher die tatsächlichen Mehrwerte misst und nachsteuert. Zwischen Patientenportalen und der Telematikinfrastruktur könnten viele Synergien entstehen. Allerdings war die Gematik 2024 noch nicht bereit, sich für Use Cases und Business Cases der Krankenhäuser zu interessieren. Hier bleibt abzuwarten, was in den Modellregionen geschieht. Aufgrund des Strukturwandels der Krankenhauslandschaft ist jetzt der richtige Zeitpunkt, sich in regionalen Netzwerken mit Kooperations- und Vertragspartnern zusammenzutun. Interessierte können sich gerne bei der Community Patientenservices melden.

Dr. Thies Eggers war als Community Manager Initiator sowie Organisator und Dr. Andreas X. Bauer Mitorganisator der Studie.

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