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RufbereitschaftDienstanweisung unwirksam – Klinik verliert vor Gericht

Ein kommunales Klinikum in Niedersachsen wollte Ärzte dazu verpflichten, während der Rufbereitschaft innerhalb von 30 Minuten am Patienten zu sein – Wegzeit und Umkleidezeit inklusive. Das Arbeitsgericht Hannover erklärte die Dienstanweisung als unwirksam.

Ein Richterhammer liegt auf einem Tisch. Hinter im ist verschwommen ein Mann in Richterrobe zu sehen.
Memyjo/stock.adobe.com
Symbolfoto

Vor dem Arbeitsgericht Hannover stritten der Marburger Bund Niedersachsen und ein kommunales Klinikum kürzlich über eine dort angeordnete Dienstanweisung. Der Arbeitgeber verlangte im Rahmen der Rufbereitschaft eine Einrückzeit des Arztes von maximal 30 Minuten. Der Marburger Bund klagte dagegen: die Vorgabe sei unwirksam.

Rahmenbedingungen für Rufbereitschaft

Dem Tarifvertrag für kommunale Krankenhäuser (TV-Ärzte/VKA) zufolge ist keine konkrete Einrückzeit bei Rufbereitschaft definiert. Jede Ärztin und jeder Arzt darf sich somit während seiner Rufbereitschaft an einem von ihm gewählten Ort aufhalten. Laut Arbeitszeitgesetz (§ 5) gilt die Rufbereitschaft, im Gegensatz zum Bereitschaftsdienst, als Ruhezeit, die erst mit dem Abruf des Personals unterbrochen wird. Ziel ist es, dem Arzt zu ermöglichen, sich während der Rufbereitschaft privaten Angelegenheiten zu widmen. Beim Bereitschaftsdienst hingegen ist eine klare Aufenthaltsbeschränkung zulässig, da die Arbeit am Patienten unverzüglich aufgenommen werden muss.

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Nichtsdestotrotz muss auch bei einer Rufbereitschaft ein zeitnahes Behandeln des Patienten gewährleistet sein. Frühere Urteile der Arbeitsgerichte aus den Jahren 1991 und 2002 hielten Anrückzeiten von 10 bis 20 Minuten für unzulässig. Da die Anrückzeit auch Fahrtweg, Umkleidezeit und Arbeitsaufnahme umfasst, wäre der Arzt bei einer so kurzen Frist faktisch gezwungen, sich in unmittelbarer Nähe des Arbeitsplatzes aufzuhalten.

Nach einem Urteil des Arbeitsgerichts Marburg aus dem Jahr 2003 gelten bis zu 45 Minuten als zulässig. Bei der aktuellen Klage sei laut Rechtsanwältin Sarah Steenken entscheidend: „Ob der Arzt seine Freizeit zu Hause verbringen kann oder faktisch doch dazu verpflichtet wird, näher und damit letztlich am Krankenhaus zu verweilen, und ob allgemein die persönlichen und sozialen Interessen in diesem Zeitpunkt trotz Rufbereitschaft in einem der klassischen Ruhezeit vergleichbaren Umfang gewahrt werden.“

Vorgabe ist unwirksam

Mit der Vorgabe der 30-minütigen Eintreffzeit habe der Arbeitgeber die örtliche Beschränkung, wie sie für den Normal- und Bereitschaftsdienst typisch ist, lediglich durch den Faktor Zeit ersetzt, so der Kläger. Der Arzt sei somit gezwungen, sich in unmittelbarer Nähe des Arbeitsplatzes aufzuhalten. Das Arbeitsgericht Hannover stimmte zu und entschied: Die Zeitvorgabe von 30 Minuten ist unwirksam. Begründet wurde das Urteil damit, dass die Dienstanweisung faktisch eine Aufenthaltsbeschränkung darstelle und Umkleide- sowie Wegezeiten nicht berücksichtigt wurden.

Dieses Urteil ist ein wichtiges Signal für den Schutz der Arbeitsrechte.

Ein wichtiges Signal für den Schutz der Arbeitsrechte, so Steenken: „Für die Sicherstellung von externen Vorgaben – seien es Strukturvorgaben oder haftungsrechtliche Anforderungen – dürfen gesetzliche und tarifliche Vorgaben, die letztlich dem Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer dienen, nicht zurücktreten. Will der Arbeitgeber eine Eintreffzeit von 30 Minuten sicherstellen, muss er daher auf andere zulässige Arbeitsformen wie beispielsweise Bereitschaftsdienste zurückgreifen.“

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