
Die Zahlen sind besorgniserregend. Laut einer im Frühjahr 2024 veröffentlichten repräsentativen Umfrage im Auftrag der Deutschen Krankenhausgesellschaft berichteten 73 Prozent der Kliniken, dass die Zahl gewalttätiger Übergriffe in den vergangenen fünf Jahren mäßig (53 Prozent) oder deutlich (20 Prozent) gestiegen ist. Besonders betroffen sind demnach Pflegekräfte – insbesondere in den Notaufnahmen. Diese Wahrnehmung können wir innerhalb der Asklepios Gruppe nur bestätigen.
Allein in unserer Hamburger Asklepios Klinik St. Georg musste die Krankenhaus-Security im vergangenen Jahr mehr als 300 Messer sicherstellen. Täglich sehen sich unsere Mitarbeitenden verbalen oder körperlichen Übergriffen ausgesetzt – und längst nicht jeder Vorfall wird überhaupt dokumentiert.
Viele Kolleginnen und Kollegen verzichten inzwischen darauf, Beleidigungen oder Bedrohungen zur Anzeige zu bringen, da die Verfahren von den Behörden häufig mit dem Hinweis auf eine vermeintliche Ausnahmesituation der Angreifenden eingestellt werden. Diese Entwicklung ist zutiefst besorgniserregend. Ihr muss dringend Einhalt geboten werden – nicht zuletzt, damit die Gesundheitsbranche auch in Zukunft ein attraktives Arbeitsumfeld bleibt und wir Abwanderungen von Fachkräften vermeiden.

Null Toleranz bei Gewalt
Wie lassen sich unsere Mitarbeitenden wirksam vor Aggression und Gewalt schützen? Mit dieser Frage starteten Vertreterinnen und Vertreter des Konzernbetriebsrates, des Bereichs Personal & Soziales und der Geschäftsführung der Asklepios Kliniken Hamburg eine Initiative, die im Herbst 2024 in der Kampagne #HaltzuGewalt mündete. Ihr Anspruch: Sicherheit spürbar erhöhen, Patientinnen und Patienten sowie Angehörige sensibilisieren und echte Veränderungen anstoßen.
Zu diesem Zweck wurden gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern der Arbeitssicherheit in einem ersten Schritt die Notaufnahmen unserer Hamburger Kliniken inspiziert, die häufig als Gefahrenschwerpunkte gelten. Welche baulichen Maßnahmen können die Sicherheit des Personals optimieren? Welche Unterstützung benötigen die medizinischen Teams? Rund drei Stunden lang dauerte jede Besichtigung – hinzu kamen Vor- und Nachbereitung der Begehung. Anschließend wurden unterschiedliche Maßnahmen abgeleitet.
Die Initiative fußt auf mehreren Säulen. Sie alle sollen unsere Mitarbeitenden in ihrem Arbeitsalltag besser schützen und unterstützen. Zu ihnen zählen unter anderem:
- Vor-Ort-Begehungen & bauliche Anpassungen: In unseren Notaufnahmen prüfen wir Räumlichkeiten und schaffen Schutzräume wie „Panic Rooms“ für den Ernstfall.
- Hilfetelefon: Eine vertrauliche Hotline – geschultes Personal unseres Employee Assistance Dienstleisters INSITE ist hier rund um die Uhr erreichbar, und bietet sofortige Hilfe und Beratung - auf Wunsch auch anonym.
- Schrillalarme: Tragbare Alarme machen Bedrohungen durchdringend hörbar und rufen schnell Unterstützung herbei. Außerdem senden sie ein Lichtsignal, sodass auch bei Dunkelheit direkt gesehen werden kann, wo Hilfe benötigt wird.
- Installation eines Desktop-Notrufsystems: In der Asklepios Klinik Wandsbek startet ein Pilotprojekt – fühlen sich Mitarbeitende beispielsweise im Bereich der Patientenaufnahme bedroht, können sie via Tastatur einen Knopf betätigen, der Kolleg:innen und die Security alarmiert, sodass ihnen schnellstmöglich Hilfe zuteilwird.
- Informationsmaterial: Einheitliche Poster und Flyer in mehreren Sprachen klären über Abläufe auf und reduzieren Missverständnisse.
- Mitarbeiterschulungen: Über unsere Lernplattform AskNow vermitteln wir Strategien zum Umgang mit verbalen und körperlichen Angriffen – verpflichtend insbesondere für Führungskräfte.
- Aufstockung der Anzahl an Deeskalationstrainer:innen: Speziell geschulte Kolleg:innen geben ihr Wissen weiter und stärken das Team im Konfliktfall.
- Dokumentationsbögen & Erweiterung der internen Meldestelle: Jede Meldung zählt – nur so werden Übergriffe sichtbar und Handlungsdruck erzeugt.
- Angepasste Hausordnung: Klare Regeln ermöglichen Hausverbote oder -verweise bei Übergriffen oder Störungen des Betriebsfriedens.
Wichtig zu wissen: Ein Teil der Maßnahmen ist verpflichtend umzusetzen – drunter etwa Schulungen. Welche Kommunikationsmittel darüber hinaus eingesetzt werden, entscheiden die Kliniken und ihre Verantwortlichen eigenständig. Sie alle haben einen „Werkzeugkasten“ sowie Bestellformulare und Druckvorlagen erhalten, um die Initiative lokal und ihren Bedürfnissen entsprechend zum Leben zu erwecken. Und schon jetzt zeigt sich: Viele Angebote stoßen auf große Resonanz – das Feedback aus den Einrichtungen und von unseren Mitarbeitenden ist durchweg positiv. Die Initiative wird als wichtiger Hebel verstanden, um Risikofaktoren zu minimieren und die Arbeitssicherheit zu erhöhen.
Auch extern zeigt #HaltzuGewalt Wirkung. Inzwischen liegt eine Vielzahl an Anfragen anderer Kliniken und Unternehmen vor, die sich für unser Konzept interessieren. Und: Die Kampagne ist für den Deutschen Betriebsrätepreis nominiert – die bedeutendste Auszeichnung für Arbeitnehmervertretungen in Deutschland.
Politische Unterstützung erwünscht
In bestimmten Situationen erweist sich zusätzliche Unterstützung allerdings als unverzichtbar. Insbesondere in Ballungszentren wie unserem Klinik-Cluster Hamburg, in dem wir sieben Krankenhäuser betreiben, setzen wir daher in einzelnen Notaufnahmen auch weiterhin auf den Einsatz von Sicherheitspersonal. Diese Mitarbeitenden gewährleisten den Schutz unseres Klinikpersonals und können im Bedarfsfall schnell und professionell eingreifen. Derzeit tragen wir die Kosten für diese Sicherheitsmaßnahmen vollständig selbst. Angesichts der wachsenden Bedeutung des Themas wäre es jedoch wünschenswert, wenn auch die politischen Entscheidungsträgern die Notwendigkeit von Sicherheitspersonal in Kliniken anerkennen und sich künftig an der Finanzierung beteiligen.
Es geht dabei um weit mehr als um die Frage der Finanzierung von Sicherheitspersonal. Entscheidend ist, welche Richtung wir als Gesellschaft einschlagen und wie es uns gelingt, Gewalt von unseren Kliniken und Mitarbeitenden fernzuhalten. Diese Aufgabe stellt eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung dar – eine, der wir uns gemeinsam, bereichsübergreifend und in enger Abstimmung stellen müssen.
Mit der Initiative #HaltzuGewalt haben wir gemeinsam mit dem Gesamt- und Konzernbetriebsrat einen wichtigen Auftakt gesetzt. Uns ist bewusst, dass der Weg zu mehr Toleranz, Verständnis und Respekt gegenüber unseren Klinikmitarbeitenden noch nicht abgeschlossen ist. Doch die ersten Schritte sind getan – und die bundesweit positive Resonanz bestärkt uns darin, diesen Weg konsequent weiterzugehen. Sie motiviert uns, nach weiteren Lösungen zu suchen und unser gemeinsames Engagement nachhaltig auszubauen. Denn eines ist für uns unverrückbar: Gewalt darf in unseren Kliniken keinen Platz haben – nicht heute, nicht morgen, und auch nicht in der Zukunft der Asklepios Gruppe.








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