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Uniklinik JenaNeues Zentrum für Langzeitfolgen nach Virusinfektionen

Kranke, die an postinfektiösen Syndromen leiden – dazu zählen Langzeitfolgen nach Viruserkrankungen wie Post Covid und ME/CFS – befinden sich in Deutschland nach wie vor in einer Notlage. Für sie gibt es Hoffnung am Uniklinikum Jena.

Interdisziplinäres Zentrum für postinfektiöse Langzeitfolgen an der Uniklinik Jena
UKJ
Interdisziplinäres Zentrum für postinfektiöse Langzeitfolgen am Universitätsklinikum Jena.

Das Universitätsklinikum Jena bündelt seine Behandlungsangebote für Menschen, die an den Langzeitfolgen von Corona- und anderen Virusinfektionen leiden: Im interdisziplinären Zentrum für postinfektiöse Langzeitfolgen (IPZL) werden zugleich Forschungsprojekte angesiedelt, die die Versorgung der Betroffenen untersuchen, wie das Klinikum mitteilte.

Dabei geht es nicht nur um Long Covid, sondern auch um andere Virusinfektionen, etwa Pfeiffersches Drüsenfieber, die zu ähnlichen Dauerleiden wie etwa chronischer Erschöpfung führen können. Deren Krankheitsmechanismen seien bisher kaum verstanden, erläuterte der Leiter des Zentrums, Professor Dr. Andreas Stallmach.

Das Jenaer Universitätsklinikum zählte zu den ersten Kliniken bundesweit, die nach dem Beginn der Corona-Pandemie vor fünf Jahren Long-Covid-Ambulanzen aufbaute. Inzwischen werden dort 3000 Betroffene behandelt. Sie kommen vor allem aus Mitteldeutschland, aber auch aus dem gesamten Bundesgebiet. In Thüringen waren von den 900 000 Menschen, für die eine Corona-Infektion dokumentiert ist, etwa 50 000 bis 60 000 von Post-Covid betroffen. Drei Viertel davon sind inzwischen genesen.

Rund 5000 der noch immer Erkrankten leiden an der schwersten Form der neuroimmunologischen Langzeitfolgen, einer Krankheit mit dem sperrigen Namen Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom (ME/CFS). Sie ist bisher nicht heilbar.

Ich habe durch ME mein komplettes Leben verloren.

„Ich habe durch ME mein komplettes Leben verloren“, sagt eine Ärztin, die selbst erkrankt ist. Viele Kranke beschreiben diesen Verlust ihres bisherigen Lebens durch ME/CFS. Doch obwohl die Krankheit so schwer und die Lebensqualität niedriger als bei Krebs ist, kennen viele Ärzte sie nicht oder negieren sie schlimmstenfalls sogar – was die Not der Kranken verschärft.

Zentren wie das IZPL in Jena sind deshalb ein Hoffnungsschimmer: „Es dient als zentrale Anlaufstelle für Patientinnen und Patienten, die an lange anhaltenden Leistungseinschränkungen nach Virusinfektionen leiden“, sagt Prof. Stallmach. „Zudem stellt es eine neue Plattform dar, um neue Forschungsprojekte zu initiieren mit dem Ziel, die Erkrankung besser zu verstehen, neue Behandlungsansätze zu entwickeln.“

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Tagesklinik gibt Hilfe beim Umgang mit der Erkrankung

Im IZPL können Patienten in einer Tagesklinik eine Behandlung erhalten, in der sie nach einer gründlichen Diagnostik vor allem den Umgang mit ihrer Erkrankung lernen sollen: darunter Anleitungen zum Krankheitsmanagement durch Pacing, zum Schlafmanagement, Übungen für die kognitive Rehabilitation und Unterstützung in der Krankheitsakzeptanz.

Bei Bedarf sind auch die Behandlung im Gedächtniszentrum des Klinikums und eine telemedizinische Nachbetreuung in Videosprechstunden möglich. „In der Verbindung der verschiedenen Disziplinen einschließlich sozialmedizinischer Beratung und telemedizinischer Betreuung ist dieses Behandlungskonzept bundesweit einzigartig“, so Prof. Stallmach.

Assoziiert mit dem Zentrum sind mehrere Forschungsprojekte zu den Langzeitfolgen von Virusinfektionen. Das WATCH-Projekt testet Behandlungssäulen in einem neuartigen mobilen Versorgungsansatz im Post-Covid-Bus. Auch an einem Verbund zur Erforschung von ME/CFS und an zwei Projekten, die mobile Gesundheitsdaten für die Verlaufsbeobachtung und eine personalisierte Behandlung nutzen, ist das Zentrum beteiligt.

... Langzeitfolgen von Infektionen sind ein relevantes Problem. Die Krankheitsmechanismen sind noch kaum verstanden.


„Wir mussten durch die Pandemie lernen, dass die Langzeitfolgen von Infektionen ein relevantes Problem sind. Die Krankheitsmechanismen sind noch kaum verstanden,“ betont Stallmach. „Eingebunden in große wissenschaftliche Netzwerke und Studien will das IZPL zur Beantwortung dieser Fragen beitragen, damit wir Menschen mit Langzeitfolgen nach einer Infektion mit Corona, auch mit Influenza oder dem Epstein-Barr-Virus oder nach einer Sepsis besser helfen können.“

Was bedeuten Post Covid, ME/CFS und Long Covid?

Menschen mit Post Covid und stark reduzierter Belastbarkeit sind keine homogene Gruppe. Wie Charite-Studien gezeigt hatten, lassen sich unter Post-Covid-Betroffenen mit stark reduzierter Belastbarkeit zwei Gruppen unterscheiden: Ein Teil der Patientinnen und Patienten erfüllt das Vollbild eines ME/CFS. Patienten in der zweiten Gruppe haben zwar ähnliche Symptome, ihre Beschwerden nach körperlicher Anstrengung sind jedoch meist nicht so stark ausgeprägt und halten weniger lang an.

Post Covid

Laut WHO bezeichnet der Begriff Post Covid gesundheitliche Beschwerden, die noch mehr als zwölf Wochen nach Beginn der SARS-CoV-2-Infektion vorhanden sind und nicht anderweitig erklärt werden können. Die britische National Institute for Health and Care Excellence (NICE) verwendet dafür den Begriff Post-Covid-Syndrom.

ME/CFS

ME/CFS ist eine schwere neuroimmunologische Erkrankung, die zu einem hohen Grad körperlicher Behinderung führen kann. Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS sind weltweit etwa 17 Millionen Menschen betroffen. In Deutschland wurde die Zahl ME/CFS-Betroffener vor der Corona-Pandemie auf etwa 250 000 geschätzt, darunter 40 000 Kinder und Jugendliche. Expertinnen gehen davon aus, dass sich die Zahl der Erkrankten durch Covid-19 verdoppelt hat. Die WHO stuft ME/CFS seit 1969 als neurologische Erkrankung ein.

Laut einer Studie der Aalborg Universität aus dem Jahr 2015 ist die Lebensqualität von ME/CFS-Erkrankten im Durchschnitt niedriger als die von Multiple Sklerose-, Schlaganfall- oder Lungenkrebspatientinnen und -patienten. Ein Viertel aller Patientinnen und Patienten kann das Haus nicht mehr verlassen, viele sind bettlägerig und auf Pflege angewiesen. Schätzungsweise über 60 Prozent sind arbeitsunfähig, so die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS.

Long Covid

Post Covid und Long Covid werden in der öffentlichen Diskussion oft synonym verwendet. Long Covid bezeichnet korrekterweise gesundheitliche Beeinträchtigungen im Anschluss an eine Sars-CoV-2-Infektion, die über die akute Krankheitsphase von vier Wochen hinausgehen.

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