
In den Ergebnissen seiner Herbstumfrage unter 116 Unternehmen verzeichnet der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) eine angespannte Geschäftssituation. Obwohl erwartet wird, dass der Umsatz leicht um 3,1 Prozent steigt, rechnen über die Hälfte der Firmen mit Gewinneinbrüchen. Dies trifft vor allem auch kleine und mittelständische Unternehmen. Die Kostensteigerungen sind enorm.
Als Gründe nennen die Unternehmen mit 80 Prozent an erster Stelle die überbordende Bürokratie, 65 Prozent beklagen die gestiegenen Zertifizierungskosten durch die MDR-Implementierung, 64 Prozent die steigenden Personalkosten.
Abwanderung von Investitionen
Knapp ein Drittel der befragten Unternehmen (31 Prozent) verlagern Investitionen ins Ausland, davon 15 Prozent ins EU-Ausland und 10 Prozent in die USA.
Das europäische Regulierungssystem für Medizinprodukte (MDR) sei nicht mehr zeitgemäß. 56 Prozent der Unternehmen präferieren inzwischen das FDA-System. Die MDR muss nach Meinung der BVMed-Unternehmen dringend weiterentwickelt, verbessert und transparent gemacht werden. Wichtig seien auch berechenbare Kosten, die Abschaffung der Rezertifizierung alle 5 Jahre sowie vorhersehbare und klare Fristen. Gespräche dazu laufen derzeit bereits. Darauf beruhen die Hoffnungen für mehr Innovationen.
Die MedTech-Branche steht am Wendepunkt.
„Die MedTech-Branche steht am Wendepunkt“, so BVMed-Geschäftsführer und Vorstandsmitglied Dr. Marc-Pierre Möll, auf der Jahrespressekonferenz am 7. Oktober, „Steigende Zölle werden zu Preissteigerungen führen.“ Dabei steige der Bedarf an Medizintechnikprodukten, wegen der Überalterung und zunehmender aktiver Nachfrage der Patienten stark an.
Forderung nach Zollfreiheit
So wird eine Nachbesserung von Zöllen dringend nötig, mahnt der BVMed mit Blick auf die EU-Kommission. Ziel sei ein „Zero for Zero“, also der Abschaffung von Zöllen auf bestimmte Waren. Jetzt „haben wir ein 0 zu 15“, sagt Möll. Da es um Patienten geht, müssten aus humanitären Gründen Ausnahme-Regelungen erarbeitet werden. Nur so kann eine Versorgungssicherheit gewährleistet werden.

Die EU müsse sich neben den Zöllen auch um die Stabilisierung der Lieferketten kümmern und die KMU völlig neu definieren. National sei es ein großer Fortschritt, dass die MedTech-Branche nun auch zur „Leitwirtschaft“ gehöre, sagt Mark Jalaß, Vorstandsvorsitzender des BVMed. Allerdings müsse eine eigene Strategie entwickelt werden, denn MedTech funktioniere nicht wie Pharma.
Dr. Möll: „Wir wollen wieder Innovationsführer werden.“ 22 Prozent der befragten BVMed-Unternehmen verringern ihre Investitionen jedoch gegenüber dem Vorjahr, nur 19 Prozent erhöhen sie.
Noch seien die deutschen MedTech-Unternehmen mit einer Quote von 68 Prozent exportstark. Doch eine schleppende Digitalisierung, steigende Kosten für Energie, Rohstoffe und Logistik durch die Verschlechterung der Rahmenbedingungen der letzten Jahre machten ihnen zu schaffen.
Zur Entbürokratisierung gehöre auch, eine Mehrwertsteuer von 7 Prozent einheitlich für alle Medizintechnik-Produkte zu haben. Allein dies würde zum Beispiel bei der AOK zu Einsparungen von 2,9 Millionen Euro führen.
Teilweise mehr Arbeitsplätze
Trotz der wirtschaftlich angespannten Lage investiere die Branche in weitere Arbeitsplätze. Ein Drittel der BVMed-Unternehmen erhöhe ihre Zahl der Beschäftigten, rund die Hälfte halten die Mitarbeitendenzahl im Vergleich zum Vorjahr stabil. Nach wie vor seien die Berufsaussichten in der Medizintechnik „hervorragend“, laut BVMed.
Desweiteren entwickle sich KI mehr und mehr zum Standard in dem Bereich: 91 Prozent der befragten Unternehmen nutzten künstliche Intelligenz zur Entwicklung von Lösungen und Unterstützung von Prozessen.
MedTech nützlich bei der Krankenhausreform
Wenn die Krankenhausversorgung zukunftssicher werden soll, muss die MedTech hierbei stärker in den Fokus rücken. Denn sie sei Teil der Lösung der Krankenhausreform. Dazu gehöre auch, die Krankenhausplanung bedarfsgerecht zu gestalten, Anreize für Innovationen und Qualität zu schaffen, das Implantate-Register-Gesetz zu reformieren.
Damit die MedTech-Branche in Deutschland stärker wächst, gilt es künftig Doppel-Regulierungen zu vermeiden, längere und ausreichende Übergangsfristen zu schaffen und die Rahmenbedingungen für den Export verlässlich zu gestalten.
Bundeskanzler Friedrich Merz nannte die MedTech-Branche einen „Hoffnungsträger“. Die Unternehmen, die damit gemeint sind, haben nun der Politik klar zu verstehen gegeben, welche Bedingungen sie brauchen, um diese Hoffnungen zu erfüllen.
MedTech-Branche in Zahlen
Beschäftigte: über 212.000 Menschen
Ausbildungsplätze: 13.000
Fachkräftemangel: in über 80 Prozent der Unternehmen. Gesucht wird vor allem im Vertrieb (68 Prozent), Marketing (37 Prozent), Produktion (30 Prozent), Qualitätsmanagement (28 Prozent), Regulatory Affairs (26 Prozent), Forschung und Entwicklung (25 Prozent) sowie Data-Science-Management, Digitalisierung und IT (25 Prozent)
Zusammensetzung Unternehmen: 93 Prozent sind kleine und mittelständische Unternehmen (KMU).
Gesamtumsatz der Branche 2024: rund 41 Milliarden Euro
Exportquote: bei 68 Prozent
Brutto-Wertschöpfung: 38,3 Mrd. Euro
Re-Invest: rund 9 Prozent des Umsatzes gehen in Forschung und Entwicklung








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