Georg Thieme Verlag KGGeorg Thieme Verlag KG
Georg Thieme Verlag KGGeorg Thieme Verlag KG

PrognoseSo sieht die Zukunft der Laborbranche aus

Labore stehen vor vielen Herausforderungen. Das Stimmungsbild aus der Branche zeigt Lösungsansätze für Labore, Kliniken und Industrie. Nachhaltigkeit und Künstliche Intelligenz könnten in der Strategie eine Rolle spielen.

Eine Forscherin bei der Arbeit im Labor
Seventyfour/stock.adobe.com
Symbolfoto

Noch vor zehn Jahren versuchten immer mehr Kliniken, ihre Labore outzusourcen und die Leistungen von extern einzukaufen. Es schien günstiger, war mit weniger Aufwand verbunden und lief zuverlässig. Doch heute ist die Frage nicht mehr: Outsourcing – ja oder nein? Vielmehr geht es um neue, intelligentere Wege.

Je nach Größe des Standortes entfallen bis zu 2,5 Prozent des gesamten Klinikbudgets auf die Laborarbeit. Steigende Kosten begleiten die Branche generell im Krankenhausmanagement. Drei große Themen stoppten den Trend, die Labore komplett in andere Hände zu geben: erstens Corona, zweitens die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) zum Thema Outsourcing durch Kliniken vom 26. April 2022, nach dem relevante Leistungen im Krankenhaus erbracht werden müssen, und drittens immer größere Engpässe bei der Leistungserbringung durch die Labore.

Jetzt gilt es, wieder selbst Initiative zu zeigen. Dabei stehen Laborverbünde zwischen verschiedenen Kliniken genauso hoch im Kurs, wie Kooperationen mit der Industrie und die Zentralisierung von Laborleistungen innerhalb von Konzernen und Klinik-Ketten. Aber auch das Anbieten der Laborleistungen weit über die Landes-, manchmal Kontinent-Grenzen hinweg gehört dazu.

Starlab untersucht Stimmungsbild der Laborbranche

Laborbetreiber und Klinik-Manager treibt gemeinsam die Sorge der steigenden Kosten um, verursacht vor allem wegen immer höherer Energiepreise. Zusätzlich gibt es immer mehr Personal- und Lieferengpässe. Letztere erholen sich derzeit, wie eine aktuelle Umfrage der Starlab Gruppe – einem der größten Industrieanbieter für Labore – zeigt.

Starlab untersuchte das Stimmungsbild in der Laborbranche unter 351 Kunden aus Deutschland, Großbritannien, Italien, Frankreich und Österreich. Die Ergebnisse dürften auch für Klinik-Manager und deren hauseigene oder in Kooperation geführten Labore interessant sein. 

Lieferengpässe runter, Preisdruck rauf

Klaus Ambos, CEO von Starlab International: „Die Lieferengpässe sind zurückgegangen. Wir haben jetzt das neue Normal. 98,5 Prozent der angeforderten Produkte sind wieder in 24 bis 48 Stunden beim Kunden.“

Laut der Erhebung geben erstmals 67 Prozent der Befragten an, ausreichend mit Liquid Handling-Produkten versorgt zu sein und nicht unter Lieferverzögerungen zu leiden – der beste Wert seit 2020 (57 Prozent). Die Produktion von Materialien ist teilweise aus dem Ausland zurück nach Deutschland verlagert worden.

Das Vertrauen der Labore in die Lieferfähigkeit der Industrie sei wieder hergestellt. Jetzt würde eher der Preisdruck Kopfschmerzen bereiten. Energiepreise und Inflation fordern ihren Tribut. Und: „Ich kann den Kunden nicht in Aussicht stellen, dass der Preisdruck sinkt“, so Ambos.

Mehrfachbenutzung von Material bedeutet einen Paradigmenwechsel in der Laborbranche!

Der Materialbedarf in den Laboren steigt der Umfrage zufolge immer weiter. Ein Viertel der Kunden erwartet einen deutlichen Mehrbedarf. Die größte Herausforderung für Labore sehen inzwischen 46 Prozent der Befragten in steigenden Preisen beim Verbrauchsmaterial und 31 Prozent bei Personalengpässen (in Deutschland sogar 42 Prozent).  

Um dem entgegenzuwirken, fahren Industrie und Labore jetzt eine Strategie, die von Kliniken mit ihren eigenen Laboren durchaus ähnlich gestaltet werden kann. Den Preisdruck will man durch Einsparen von Energie von der Herstellung bis zur Aufbereitung, wo es auch immer geht, begegnen. Zusätzlich hält im Labormarkt immer mehr Recyclingmaterial Einzug. Weg von der „Einweg-Straße“, hin zur Mehrfachbenutzung von Material mit Nachhaltigkeit. Ambos betont: „Dies bedeutet einen Paradigmenwechsel in der Laborbranche!“

Neun von zehn Laboren sind laut Starlab-Erhebung der Meinung, dass Nachhaltigkeit immer wichtiger für Labore wird. 95 Prozent reduzieren deswegen schon heute Abfall wo möglich, 92 Prozent sparen bewusst Energie und 75 Prozent bestellen größere Gebindegrößen, um Transportemissionen und Verpackungsmüll zu reduzieren. Mehr als jedes dritte Labor bildet sich zudem regelmäßig zu Umweltthemen fort (72 Prozent) oder bestellt nachhaltig produzierte oder wiederverwendbare Produkte.

KI klopft an die Labortür

Das schnellste Pferd, auf das Industrie und Labore jedoch setzen, ist die Künstliche Intelligenz (KI). Sie klopft jetzt förmlich an die Labortür, berichtet Ambos. In den nächsten fünf Jahren werde sie die Arbeit im Labor maßgeblich verändern. Dies könne unter anderem einen Teil des Arbeitskräfteproblems lösen. So erwartet eine Mehrheit von 55 Prozent der Labore, dass KI in den nächsten fünf Jahren die Arbeit im Labor maßgeblich verändern wird.

Auch Kliniken sind hier gefragt. Künstliche Intelligenz statt Krisen-Modus heißt das Zauberwort, dessen Einstieg kein Manager verpassen sollte. Denn die KI arbeitet auch nachts im Labor selbstständig und ohne müde zu werden.

Die KI bringe nach Auffassung von Starlab den Fortschritt nicht nur in die medizinische Diagnostik, sondern es gäbe auch einen klaren Return of Investment für die Krankenkassen, in dem die Menschen bereits unterstützt werden, wenn sie noch gesund sind und nicht erst bei einer Erkrankung.

Wir alle haben einen enormen Kostendruck – durch Preissteigerungen in der Logistik, der Energie, im Material, beim Personal. Auf der anderen Seite steigen die Vergütungen und Honorare für uns nicht.

Laboratorische Präventionsprogramme mit KI könnten kaufmännisch auf längere Sicht auch für die Kliniken selbst interessant werden, um ihre Laborstrukturen zufriedenstellend finanzieren zu können. Wichtig sei, dass jetzt die politischen Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit Europa nicht den Anschluss verliert, so Klaus Ambos.

Auch Dr. Michael Müller, 1. Vorstandsvorsitzender der ALM (Akkreditierte Labore in der Medizin e.V.) bestätigt: „Wir alle haben einen enormen Kostendruck – durch Preissteigerungen in der Logistik, der Energie, im Material, beim Personal. Auf der anderen Seite steigen die Vergütungen und Honorare für uns nicht.“ Die Lösung hierfür seien Verhandlungen mit den Kliniken. Im stationären Bereich müssten die Verträge angepasst werden, Versorgung und Leistung von den Kliniken als Gesundheitsanbieter gewährleistet werden. Doch in der Krankenhausstrukturreform seien die Erfordernisse der Krankenhäuser nicht vollständig abgebildet. Also auch hier ist die Politik wieder gefragt.

Insourcing, Robotik und neue Technologien

Als Teil des Gesundheitskonzerns Fresenius streben die Helios-Kliniken für ihre hohe medizinische Ergebnisqualität in der Labormedizin derzeit ein Insourcing an, „wo immer dies möglich und sinnvoll ist“, erklärt ein Helios-Sprecher. Der Einsatz Künstlicher Intelligenz etwa solle hierbei den Patienten schnell und direkt zugutekommen. 

„Im Sinne unseres Clusteransatzes setzen wir auch im Laborbereich entsprechende Kooperationen um und bilden Laborverbünde“, sagt Prof. Dr. Dirk Peetz, Helios Fachgruppenleiter Labormedizin und Chefarzt des Instituts für Labormedizin, Helios Klinikum Berlin-Buch. „So arbeiten die Labore unserer großen Maximalversorger in Krefeld und Wuppertal eng zusammen. Und in der Hauptstadt sind die Labore unseres Klinikums in Berlin-Buch im Norden und des Helios Klinikums Emil von Behring im Südwesten Berlins sowie des brandenburgischen Helios Klinikums Bad Saarow miteinander verwoben.“

Auch die Standorte in Wiesbaden werden labortechnisch aus einer Hand bedient. Die enge Kooperation gilt ebenfalls für die Vernetzung von stationärem und ambulantem Bereich. Durch diese Zusammenarbeit der Teams könnten Innovationen und neue Ansätze in der Labormedizin möglichst breit zum Einsatz kommen, so Peetz.

Kosten für Personal und Material steigen zu stark im Verhältnis zur Vergütung der Leistungen.

Helios profitiert aufgrund seiner Größe von Skalierungseffekten durch Prozessstandards und Einkaufsvorteilen. Zudem setzt man dort auf Nachwuchsförderung und Ausbildungsplätze in eigenen und kooperierenden MTL-Schulen. In der Labormedizin werden die Automatisierung von Prozessen und der Einsatz von Robotern zur Entlastung des Personals künftig eine zunehmende Rolle spielen. Auch werden sich vor allem größere Labore immer mehr spezialisieren und mit neuesten Diagnostikmethoden die Versorgung verändern: zum Beispiel durch integrierte hämatoonkologische Speziallabore.

Den stetig steigenden wirtschaftlichen Druck auf die Labore bekommen auch die Unikliniken zu spüren. „Kosten für Personal und Material steigen zu stark im Verhältnis zur Vergütung der Leistungen“, bestätigt Timo Burkhardt, Kaufmännischer Geschäftsführer, Department für Diagnostische Labormedizin am Uniklinikum Tübingen (UKT). Deutlich über 1000 stationäre Patientenbetten sowie diverse medizinische Zentren machen einen 24/7 Betrieb der großen eigenen Labore am Standort Tübingen teilweise unumgänglich. Die großen Laborinstitute wurden dort in einem Department zusammengeschlossen. Darüber hinaus gibt es für die umfangreiche diagnostische Versorgung weitere wertvolle Kooperationspartner, wie private Labore oder andere spezialisierte Zentren.

Labordiagnostik ist das Rückgrat der medizinischen Versorgung

Ein Fehler der Politik sei es, so Burkhardt, dass die Investitionsfinanzierung der Krankenhäuser unzureichend ausfällt und nicht adäquat erhöht werde. „Speziell Labore sind sehr geräteintensiv. Zudem kennzeichnet sich der Markt durch eine hohe Dynamik. Es besteht vor allem in diesen Bereichen ein hoher Investitionsbedarf“, sagt der Experte.

Die Labordiagnostik sei nun mal das Rückgrat der medizinischen Versorgung, die Therapie-Qualität hängt entscheidend davon ab. Eine schnelle und adäquate Diagnostik rette zum Teil Patientenleben und spart bei anderen Patienten wiederum unnötige Kosten für die Kliniken und letztendlich für das gesamte Gesundheitssystem.

Auch die steigende Digitalisierung und Implementierung der KI seien zunächst Kostentreiber. Kliniken müssen da immer wieder in Vorleistung gehen, um hiervon am Ende auch wirtschaftlich profitieren zu können.

Konkurrenz um das IT-Personal

Der Fachkräftemangel auf der anderen Seite betrifft aus Burkhardts Sicht nicht nur das Labor-Personal, sondern auch das zunehmend relevante IT-Personal. Hier konkurrieren die Kliniken unter anderem mit der Autoindustrie und anderen sehr gut zahlenden Branchen um die wertvollen Arbeitskräfte.

Nicht zuletzt gebe es auch einen Wettbewerb mit den niedergelassenen Laboren. Das UKT bildet an einer eigenen MTL-Schule medizinische Technologen aus und versucht durch eine moderne und innovative Laborinfrastruktur sowie die Verzahnung von Krankenversorgung, Forschung und Lehre ein optimales und langfristig attraktives Arbeitsumfeld zu schaffen, um das eigens ausgebildete Fachpersonal zu halten.

Viele Laborleistungen werden am UKT auch für den ambulanten Bereich erbracht, wodurch sich die wirtschaftliche Relevanz erhöht. Timo Burkhardt ist sich nicht zuletzt deshalb sicher: „Eine qualitativ hochwertige Labordiagnostik ist für eine Klinik unverzichtbar. Ein Labor ist daher viel mehr, als nur eine kleine Dienstleistungseinheit innerhalb einer klinischen Versorgungsstruktur – es ist mitunter Grundstein für das Fortbestehen von Kliniken.“

2024. Thieme. All rights reserved.
Sortierung
  • Derzeit sind noch keine Kommentare vorhanden. Schreiben Sie den ersten Kommentar!

    Jetzt einloggen

Doctolib GmbH

Doctolib Hospital – Mit Digitalisierung zu mehr Effizienz und Erfolg! 

Die Technologie von Doctolib schafft einen…

Philips GmbH Market DACH

Philips vernetzt Daten, Technologien und Menschen

Die Medizin macht täglich Fortschritte. Damit steigen auch die…