
Das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) will mit einem „digitalen Superzwilling“ eine Art Navigationsgerät für die minimalinvasive und roboterassistierte Chirurgie schaffen. Der Zwilling soll im Rahmen des neuen Forschungsprojekts „Twin-Win“ entwickelt werden. Neben dem Kurt-Semm-Zentrum des UKSH sind die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), die Universität zu Lübeck und die Vater Solution GmbH beteiligt. Das Land Schleswig-Holstein steuert Fördermittel in Höhe von knapp 950 000 Euro bei.
Bei der roboterassistierten Chirurgie sieht der Operateur an einer Konsole das Operationsfeld, in dem sich die Instrumente befinden, etwa zehnfach vergrößert, in hoher Auflösung und in 3D. Allerdings zeige der Ausschnitt nur wenige Quadratzentimeter im Bauchraum, erklärt das UKSH in einer Mitteilung. Weil sich ein Tumor häufig unter Fettschichten oder hinter den Organstrukturen verberge, müssten die Operierenden aus der bildgebenden Diagnostik von vor der OP abschätzen, wo der eigentliche Befund liege und ihn Schritt für Schritt freipräparieren. Das sei in der Nieren- und Leberchirurgie oder auch beim Entfernen tumorbefallener Lymphknoten oft herausfordernd und zeitaufwendig.
Digitaler Zwilling des Patienten wird sichtbar
„Twin-Win“ soll die Navigation zum Befund mithilfe von künstlicher Intelligenz (KI) und Sensorfusionsmodellen deutlich verbessern. Dazu soll das 3D-Datenmodell des voroperativen CT-Befundes während des Eingriffs in das 3D-Bild des OP-Bereichs integriert und mittels Augmented Reality für die Operierenden sichtbar gemacht werden. Das Modell ist gewissermaßen ein „digital twin“, ein digitaler Zwilling des Patienten – daher der Name „Twin-Win“.
Es sollen Echtzeitdaten unter anderem über die Position der Instrumente im Bauchraum, die relevanten Organstrukturen und die Deformation dieser Strukturen mithilfe von Sensorquellen, wie etwa optisches und elektromagnetisches Tracking oder Ultraschall, und KI erhoben werden.
Dafür streben die Forschenden laut UKSH die Entwicklung eines sogenannten digitalen Superzwillings an, in dem alle Daten der operativen Systeme, des voroperativen Befundes und aus dem Inneren und der Lage des Patientenkörpers in einem dynamischen Echtzeitmodell vereint werden. Gelingt dies, könnte ein OP-Navigationsgerät entwickelt werden, ähnlich dem Navi beim Autofahren, heißt es in der Mitteilung.
Das Ergebnis wäre eine bahnbrechende Innovation.
„Das Ergebnis wäre eine bahnbrechende Innovation, die signifikante Verbesserungen der chirurgischen Qualität und der Patientensicherheit ermöglicht“, sagt der Projektverantwortliche Prof. Dr. Thomas Becker, Sprecher des Kurt-Semm-Zentrums und Direktor der Klinik für Allgemeine, Viszeral-, Thorax-, Transplantations- und Kinderchirurgie des UKSH, Campus Kiel. Bessere Navigation bedeute auch weniger Manipulationen und Verletzungen von gesundem Gewebe und somit die Reduktion des Komplikationsrisikos und postoperativer Schmerzen, so Becker.
Neben Ärzten des UKSH seien Fachleute der Materialwissenschaft sowie Bildgebungsexperten der Lehrstühle für Intelligente Systeme und Marine Data Science der CAU in das Vorhaben eingebunden, zudem Teams des Instituts für Robotik und Kognitive Systeme der Universität zu Lübeck sowie Softwareexperten der Kieler Firma Vater Solution. Auch das Fraunhofer Institut IMTE, das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (beide Lübeck) sowie das Hamburger Start-up Excagol seien an „Twin-Win“ beteiligt.
Das Kurt-Semm-Zentrum wurde 2015 als deutschlandweit erstes interdisziplinäres Roboterzentrum gegründet und entwickelte seither interventionelle Techniken auf diesem Gebiet.








Derzeit sind noch keine Kommentare vorhanden. Schreiben Sie den ersten Kommentar!
Jetzt einloggen