Georg Thieme Verlag KGGeorg Thieme Verlag KG
Georg Thieme Verlag KGGeorg Thieme Verlag KG

Erste LesungKommt jetzt die große Pflegereform?

Pflegekräfte sollen mehr Verantwortung übernehmen und von Bürokratie entlastet, die Pflegefachassistenz-Ausbildung neu geregelt werden. Dazu gibt es zwei Gesetzentwürfe, über die der Bundestag nun beraten hat. Was Praktiker dazu sagen.

Reichstagsgebäude Plenarsaal Deutscher Bundestag
Deutscher BundestagFelix Zahn/Photothek/Deutscher Bundestag
Plenarsaal im Reichstagsgebäude

Bereits die Ampel-Koalition hatte zwei zentrale Gesetzentwürfe vorgelegt, die die Pflege in Deutschland reformieren sollen. Pflegefachkräfte sollen mehr heilkundliche Aufgaben übernehmen dürfen und von Bürokratie entlastet werden. Gleichzeitig soll eine bundeseinheitliche Ausbildung für Pflegefachassistenzen die zersplitterten Landesregelungen ablösen. Der Deutsche Bundestag hat die Entwürfe nun in erster Lesung am 11. September beraten.

Wir erweitern die Befugnisse von Pflegefachpersonen. Denn sie können oft so viel mehr als sie dürfen.

„Wir erweitern die Befugnisse von Pflegefachpersonen. Denn sie können oft so viel mehr als sie dürfen“, sagte Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) zur Einbringung der Gesetzespläne für das Pflegefachassistenzgesetz und das Gesetz zur Befugniserweiterung und Entbürokratisierung in der Pflege in den Bundestag.

Pflegefachkräfte sollen durch letzteres künftig mehr Aufgaben eigenverantwortlich leisten können, die bisher Ärztinnen und Ärzten vorbehalten sind – etwa beim Versorgen von Wunden, bei Diabetes und Demenz.

Daneben sollen Pflegekräfte von „vermeidbarer Bürokratie“ entlastet werden, wie Warken sagte. Dazu soll unter anderem der Umfang von Dokumentationen für Qualitätsprüfungen auf ein notwendiges Maß begrenzt werden. „Jede Minute, die sich eine Pflegekraft nicht mit Formularen beschäftigt, ist eine gewonnene Minute für die pflegebedürftigen Menschen“, so die Ministerin.

Geregelt werden soll auch eine bundesweit einheitliche Ausbildung für Pflegefachassistenten und -assistentinnen, wofür es laut Warken bisher in den Ländern einen Flickenteppich mit 27 verschiedenen Vorgaben gibt. Zu den Gesetzesplänen folgen nun zunächst Ausschussberatungen im Parlament. 

Pflegerat sieht entscheidenden ersten Schritt

Der Deutsche Pflegerat (DPR) begrüßt die beiden Vorlagen als wichtige Schritte zur Stärkung der Pflegeberufe und fordert eine konsequente Umsetzung. „Mit dem Beginn der Beratungen im Bundestag beginnt der entscheidende erste Schritt, die Kompetenzen von Pflegefachpersonen endlich voll zu nutzen“, sagt Christine Vogler, Präsidentin des DPR.

Wichtig ist nun, dass der pflegefachliche Kern auf diesem Weg nicht verwässert wird.

Wichtig sei nun, dass der pflegefachliche Kern auf diesem Weg nicht verwässert werde, betont Vogler. „Pflegefachpersonen brauchen klare, verbindliche Befugnisse, um selbstständig und eigenverantwortlich handeln zu können.“ So werde die Gesundheitsversorgung gestärkt und der Beruf zukunftsfähig gemacht.

Dazu gehöre auch, dass die maßgeblichen Organisationen der Pflegeberufe auf Bundesebene verbindlich einbezogen, echte Mitgestaltungs- und Mitwirkungsrechte erhalten und eine dauerhaft finanzierte, hauptamtliche Struktur bekommen, fordert die DPR-Vorsitzende.

Mehr zum Thema:

„Die bundeseinheitliche Pflegefachassistenzausbildung beendet die 27-fachen zersplitterten Regelungen der Länder“, sagt Vogler. Das sei ein echter Fortschritt für Qualität, Vergleichbarkeit und Berufsmobilität. Entscheidend werde jetzt die konkrete Umsetzung des Gesetzentwurfes mit seinen verlässlichen Standards und seiner konsequenten Durchlässigkeit hin zur dreijährigen Ausbildung im Parlament und dann in der Ausbildung und im Berufsalltag sein, damit die Pflegefachassistenz zum attraktiven Einstieg in den Pflegeberuf wird.

Bürokratieabbau im Krankenhaus fehlt

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) unterstützt beide Gesetzesinitiativen, sieht jedoch an entscheidenden Stellen noch Nachbesserungsbedarf. Positiv am Gesetzentwurf zur Befugniserweiterung und Entbürokratisierung bewertet die DKG, dass künftig eine eigenverantwortliche Heilkundeausübung im vertragsärztlichen Bereich sowie im Krankenhaus ermöglicht werden soll.

„Dies wertet die pflegerische Berufsausübung deutlich auf und schafft mehr Klarheit über den eigenständigen Verantwortungsbereich der Pflegefachpersonen“, sagt Prof. Henriette Neumeyer, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der DKG.

Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Bürokratieentlastung im Krankenhausbereich ausgeklammert bleibt.

Kritisch sieht die DKG jedoch, dass der Gesetzentwurf zwar wichtige Entlastungen im Bereich der Langzeitpflege vorsieht, für die Krankenhäuser aber keine Maßnahmen zum Bürokratieabbau enthält. Pflegefachpersonen sind in Kliniken täglich bis zu drei Stunden mit administrativen Tätigkeiten belastet. Schon eine Reduktion dieser Zeit um nur eine Stunde würde rechnerisch 47.000 Vollzeitkräfte für die direkte Patientenversorgung freisetzen. „Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Bürokratieentlastung im Krankenhausbereich ausgeklammert bleibt. Angesichts des massiven Fachkräftemangels muss diese Chance dringend ergriffen werden“, mahnt Neumeyer.

DKG fordert Rolle als Vertragspartei

Weitere Kritik der DKG betrifft die geplante Erweiterung der Befugnisse im Rahmen von Paragraf 112a SGB V. Hier soll ein Katalog ärztlicher Leistungen definiert werden, die künftig auch von Pflegefachpersonen übernommen werden können. Da dieser Katalog auf den Vereinbarungen des vertragsärztlichen Bereichs nach Paragraf 73d SGB V basiere, fordert die DKG eine verbindliche Rolle als Vertragspartei. Zwar sehe der Entwurf ein Stellungnahmerecht und die Teilnahme an Sitzungen vor, doch reiche dies nach Ansicht der Krankenhäuser nicht aus.

Wenn Pflegefachpersonen künftig auch im Krankenhaus zusätzliche Aufgaben übernehmen sollen, dann müssen die Krankenhäuser ... in die Entwicklung des Leistungskatalogs eingebunden sein.

„Wenn Pflegefachpersonen künftig auch im Krankenhaus zusätzliche Aufgaben übernehmen sollen, dann müssen die Krankenhäuser als deren wichtigste Einsatzorte auch maßgeblich in die Entwicklung des Leistungskatalogs eingebunden sein“, betont Neumeyer.

Reimann zur Pflegegesetzgebung

Für die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes Dr. Carola Reimann sind die geplante Kompetenzerweiterung für Pflegefachpersonen sowie die bundesweit geregelte Pflegeassistenz-Ausbildung richtige Schritte. „Gerade für die geplante Reform zur Primärversorgung braucht es die Kompetenzen von Pflegefachpersonen“, sagt die AOK-Chefin.

Das Ziel einer spürbaren Entbürokratisierung in der Pflege sei richtig und wichtig – gerade auch angesichts der angespannten Personalsituation. Umso bedeutsamer sei es, dass alle beteiligten Akteure in den Blick genommen werden, einschließlich der Pflegekassen.

Einige der vorgesehenen Regelungen ... bringen aus Sicht der Pflegekassen allerdings keinen erkennbaren Effizienzgewinn, sondern zusätzlichen Koordinierungsaufwand.

Einige der vorgesehenen Regelungen im Gesetz – etwa die geplante Ausweitung der Berichtspflichten an den GKV-Spitzenverband und das Bundesgesundheitsministerium – brächten aus Sicht der Pflegekassen allerdings keinen erkennbaren Effizienzgewinn, sondern zusätzlichen Koordinierungsaufwand. Laut Reimann sollen künftig Pflegekassen jede Fristüberschreitung nach Paragraf 18c SGB XI zusätzlich begründen, selbst dann, wenn die Leistung längst abgeschlossen ist. Das führe zu nachträglicher Prüfung, interner Rückverfolgung und neuer Dokumentation – ohne erkennbaren Nutzen für die Versicherten.

Ebenso würde die geplante Einrichtung eines Beratungsgremiums auf Bundesebene, dessen Ergebnisse zu Vereinheitlichungen bei der Beantragung von Leistungen führen sollen, neue bürokratische Strukturen auf Seiten der Pflegekassen schaffen. „Hier sollte man besser auf bereits etablierte Gremien und Formate zurückgreifen“, sagt Reimann.

Sortierung
  • Derzeit sind noch keine Kommentare vorhanden. Schreiben Sie den ersten Kommentar!

    Jetzt einloggen

Philips GmbH Market DACH

Philips vernetzt Daten, Technologien und Menschen

Die Medizin macht täglich Fortschritte. Damit steigen auch die…