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BundesratZeitarbeit in der Pflege ist nun Sache der Regierung

Der Bundesrat hat über eine Initiative aus Bayern zur Begrenzung der Leiharbeit in der Pflege entschieden. Der Appell wird jetzt an die Bundesregierung weitergeleitet – jedoch ohne feste Fristvorgaben.

Krankenpflege
Chinnapong/stock.adobe.com
Symbolfoto

Am 2. Februar 2024 wurde im Bundesrat über die Empfehlungen der Fachausschüsse des Rates zur „Eindämmung der Leiharbeit in der Pflege“ abgestimmt. Dieser Beschluss wurde mit großer Mehrheit angenommen. Der Bundesrat fordert nun die Bundesregierung auf, dem Einsatz von Zeitarbeit in der Pflege wirksam zu begegnen und gleichzeitig die Arbeitsbedingungen für die Stammbelegschaft zu verbessern.

Bayerischer Antrag

Die „neue“ Gesundheits- und Pflegeministerin des Freistaats, Judith Gerlach (CSU), warb am Vortag noch einmal für weniger Zeitarbeit und mehr zukunftsorientierte Arbeitsmodelle in der Pflege und damit für ihren Antrag: „Leiharbeit sollte die Ausnahme sein, denn sie ist keine nachhaltige Lösung für den Fachkräftemangel in der Pflege.“ Sie betonte, dass die bayerische Initiative „an der Wurzel des Problems“ ansetze, das auf Bundesebene gelöst werden müsse.

Gerlach ermahnte vor der Abstimmung noch einmal, dass der Bundesrat die Bundesregierung auffordern solle, „Regelungen zu prüfen und zu etablieren, die die Lage verbessern“. Beispiele sind Gehaltsdeckel für Zeitarbeitsfirmen und bessere Rahmenbedingungen – allem voran eine gesicherte Refinanzierung – für Ausfallkonzepte.

Einsatz im Bundesrat

Für Rheinland-Pfalz sprach heute Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD) vor der Abstimmung im Rat. Er warnte davor, dass die Anzahl von Zeitarbeitnehmenden in Pflegeberufen weiter konstant steige und gerade im Hinblick auf die Pflegequalität nicht unkritisch zu sehen sei. „Fehlende Kontinuität und wechselnde Teams bringen Unruhe und Unmut in die Zusammenarbeit. Insbesondere bei der Bezahlung und den Arbeitszeiten kommen die Stammbelegschaften in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen meist schlechter weg als die Leiharbeitskräft“, erklärte Hoch weiter. Es sei an der Zeit zu handeln. Dass die Bundesregierung nun den Auftrag erhält, den Einsatz von Leiharbeit in der Pflege durch wirksame Maßnahmen einzudämmen, freue ihn.

Es zeigt sich immer deutlicher, dass der Einsatz von Leiharbeit zu Einbußen in der Qualität der Pflege führt.

Auch Dr. Ina Czyborra (SPD) hob für Berlin u.a. auf das Ungleichgewicht zwischen Leiharbeitsunternehmen und Leistungserbringern am Markt ab – mit gravierenden Folgen für die Pflege. „Die heutige Situation konterkariert die ursprünglichen Ziele der Arbeitnehmer*innenüberlassung. Sie führt zur Schlechterstellung des Stammpersonals, einer Gefährdung der Pflegequalität, immensen Kosten auf Seiten der Krankenhäuser und Pflegeunternehmen“, appellierte die Berliner Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege im Bundesrat an ihre Kolleginnen und Kollegen aus den Ländern. Sie betonte noch einmal, dass das Land Berlin ausdrücklich die Empfehlung begrüße.

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Forderungen

Eine der Maßnahmen zur Eindämmung der Leiharbeit in dem Antrag ist die Etablierung von Springerpools. Zwar setzen viele Kliniken mittlerweile auf eigene Ausfallkonzepte, doch bedarf es vor allem in Spitzen oftmals dennoch externer Unterstützung durch Zeitarbeitnehmer. Denn gerade in Berlin hat die Zeitarbeit laut Berliner Krankenhausgesellschaft (BKG) noch einmal zugelegt und ist von sieben Prozent auf durchschnittlich neun Prozent angestiegen.

BKG-Geschäftsführer Marc Schreiner erklärt das u.a. mit den Tarifverträgen Entlastung, die mit den öffentlichen Häusern im vergangenen Jahr erzielt wurden. Einen weiteren Grund sieht er in den allgemein schwierigen Arbeitsbedingungen aufgrund von nicht auskömmlicher Finanzierung der Krankenhäuser. Er bekundet daher Sympathie für den neuerlichen Vorstoß der Bayern, „weil wir da durchaus auch einige Elemente aus unserem Berliner Mustervertrag erkennen, der teilweise in der Hauptstadt schon in Anwendung ist“.

Der Einsatz von Springerpools ist nur dann sinnvoll, wenn genügend festes Pflegepersonal vorhanden ist.

Irene Maier, Vizepräsidentin des Deutschen Pflegerates (DPR) geht bei dem Ansinnen mit, einen externen Personalschlüssel für Springer- und Ausfallkonzepte zu vereinbaren, schränkt dieses jedoch dahingehend ein, dass Pools nur dann sinnvoll seien, wenn genügend festes Pflegepersonal vorhanden sei. Maier hält es angesichts der prekären Personalsituation für „unwahrscheinlich, dass diese Lösung für alle Unternehmen eine nachhaltige Lösung ist“.

Forderungen aus der Selbstverwaltung

Das Problem mit der Zeitarbeit in der Pflege ist nicht neu und gerade Pflegeorganisationen haben sich damit bereits befasst. So hat die Landespflegekammer Rheinland-Pfalz (RLP) sich bereits mit einem Positionspapier im vergangenen Jahr zum Thema Leiharbeit positioniert. Dr. Markus Mai, Präsident der Kammer in RLP, hat anlässlich der heutigen Abstimmung eine klare Meinung zum Thema: „Leiharbeit kann je nach Setting sehr schädlich für die Versorgung sein. Unternehmen sollten sie in einem möglichst geringen Umfang nutzen. Leiharbeit macht die Unternehmen abhängig von noch mehr Leiharbeit. Jeder zusätzliche Euro für Leiharbeitsfirmen geht letztlich von der Pflege ab.“

Anstatt das Geld den Leiharbeitsfirmen in den Rachen zu schmeißen, sollte die Pflege sich eher für die eigene Freiberuflichkeit einsetzen.

Mai fordert von den Krankenkassen, nur den Anteil zu finanzieren, den das Stammpersonal gekostet hätte. „Den Rest soll die Einrichtung tragen, aber nicht auf die Betroffenen umlegen. Anstatt das Geld den Leiharbeitsfirmen in den Rachen zu schmeißen, sollte die Pflege in Deutschland sich eher für die eigene Freiberuflichkeit einsetzen“, fordert er. Auch sieht er klar die Verantwortung bei den Einrichtungen, die Leiharbeit nutzen. Die Landespflegekammer Nordrhein-Westfalen hat sich ebenfalls in einer Stellungnahme bereits Mitte 2023 klar positioniert und zwölf konkrete Punkte an Unternehmen und Politik gerichtet. Die Personalsituation und der Fachkräftemangel in der Pflege sollen mittel- bis langfristig nachhaltig entschärft werden.

Damit stoßen beide Landespflegekammern in ein ähnliches Horn wie die Berliner Krankenhausgesellschaft (BKG), die in ihrem Mustervertrag ebenfalls Ideen zur Begrenzung von Zeitarbeit erarbeitet hat. Die BKG fordert neben der Tariftreue und einer Begrenzung der Overhead-Kosten auch, dass sich Zeitarbeitsfirmen beispielsweise an der Weiterbildung beteiligen und offenlegen, welche Einweisungen an Geräten die entliehene Pflegefachkraft hat.

Zeitarbeitsfirmen können nicht belangt werden, wenn eine gebuchte Kraft kurzfristig wegen Parkplatzproblemen absagt.

Neben diversen Qualitätsanforderungen will die BKG aber auch Sanktionsmöglichkeiten bei Schlecht- oder Nichterfüllung durch die Zeitarbeitsfirma bekommen. „Bislang müssen wir zwar hohe Strafen zahlen, wenn wir zwei Wochen vor Entleihung eine gebuchte Pflegefachperson absagen. Andersherum können die Zeitarbeitsfirmen jedoch nicht belangt werden, wenn eine gebuchte Kraft kurzfristig beispielsweise wegen Parkplatzproblemen absagt“, erklärt Schreiner eine grundlegende Forderung aus dem Mustervertrag.

Der Deutsche Pflegerat sieht den Mustervertrag der BKG zu diesem Thema als sehr gelungen an und hat in seinem bereits ebenfalls im vergangenen Jahr veröffentlichten Eckpunktepapier ähnliche Forderungen an die Politik – aber auch an die Träger – gerichtet. „Gemeinsam (Anm. d. Red.: Politik, Kostenträger und Arbeitgeber*innen) müssen dringend Arbeitsbedingungen geschaffen werden, die Leiharbeit in der Pflege nicht mehr regelhaft erforderlich machen“, heißt es da. Daher begrüßt auch der DPR den Vorstoß, klare Regeln in der Zeitarbeit vorzugehen.

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