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Kritik aus der BrancheVerkommt die Krankenhausreform zur verpassten Chance?

Trotz großer Versprechen bleibt die Anpassung der Krankenhausreform hinter den Erwartungen zurück. Verbände und Kassen kritisieren fehlende Qualitätskriterien. Sie fordern weiterhin Nachbesserungen.

Nein
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Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) hatte mehr Praxistauglichkeit versprochen. Das war das große Ziel des Korrekturversuchs des KHVGs. Doch die meisten Verbände und Kassen sind sich in einem Punkt nahezu einig: Wirklich viel verbessert habe sich anscheinend nichts durch den vom Kabinett gebilligten Gesetzesentwurf vom 8. Oktober.

„Von der geplanten besseren Behandlungsqualität und den besseren Versorgungsstrukturen ist nach den aktuellen Verwässerungen nicht mehr viel übriggeblieben“, macht TK-Chef Dr. Jens Baas deutlich. „Die Länder sollen zukünftig den Krankenhäusern auch Leistungsgruppen zuweisen können, wenn Kliniken die dafür notwendigen Qualitätskriterien nicht erfüllen.“

Mit der Reform vertun wir für viele Jahre die Chance auf eine bessere Qualität in der Krankenhausversorgung.

Außerdem sollen die Vorgaben für die Erreichbarkeit der Kliniken gestrichen werden und Mindestmengen durch Ausnahmeregelungen und Kooperationen unterlaufen werden. „Mit der Reform vertun wir für viele Jahre die Chance auf eine bessere Qualität in der Krankenhausversorgung”, so Baas.

Anne-Kathrin Klemm, Vorständin des BKK Dachverbandes pflichtet ihm bei: Die föderalen Ausnahmeregelungen würden verhindern, dass die Qualität der Versorgung bundesweit einheitlich auf ein höheres Qualitätsniveau gehoben werde. „Anstelle einer bundesweit einheitlichen, qualitätsgesicherten Versorgung bestimmt somit weiterhin das Wohnortglück über eine gute Versorgung.“

Die Krankenhausreform dürfe nach dieser Ausgestaltung des Gesetzes laut Klemm teurer werden, denn die Effizienzreserven dürften damit nur schwer zu heben sein. Das führe nur zu weiteren Beitragserhöhungen der Versicherten.

Der Vorsitzende des DEKV, Christoph Radbruch, fordert die Entkopplung der Krankenhausfinanzierung nach Fallzahlen. Denn nach jetziger Regel richten sich 40 Prozent der Vergütung nach den aktuell erbrachten Leistungen und 60 Prozent orientieren sich nach den Fallzahlen der Vorjahre, den sogenannten Vorhaltepauschalen. Wirtschaftliche Stabilität und Versorgungsqualität ließe sich nur unabhängig von Fallzahlen langfristig sichern.

Stimmen der Länder

Die Länder zeigen sich etwas versöhnlicher mit dem Gesetzesentwurf. Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach sieht ihn als einen „wichtigen Erfolg“. Sie hätte sich jedoch längere Ausnahmefristen bei der Zuweisung von Leistungsgruppen gewünscht. Qualitätsvorgaben seien zwar wichtig, „aber die Länder müssen im Bedarfsfall mit Augenmaß steuern können, um die jeweils beste Lösung zu finden.“ Die befristeten Ausnahmen seien immerhin und gerade für Lächenländer wie Bayern ein „echter – und hart erkämpfter – Gewinn“.

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Manne Lucha, Baden-Württembergs Ministerpräsident, äußert dennoch Kritik: „Auch wenn der Bund den Ländern in einigen Punkten wie beim Zeitplan, bei den Möglichkeiten zur Zulassung von Kooperationen und der Definition einer Fachklinik entgegenkommt, bleibt die Planungshoheit der Länder durch den heute vom Bundeskabinett beschlossenen Entwurf zum Krankenhausreformanpassungsgesetz (KHAG) weiterhin stark eingeschränkt.“

Positiv sieht er, dass der Bund seine finanzielle Verantwortung übernehme und sich an der Finanzierung des Transformationsfonds beteilige. „Auch dass er der Forderung der Länder nachgekommen ist und sich in den ersten vier Jahren in Höhe von 70 Prozent an der Kofinanzierung beteiligt, ist positiv zu bewerten.“

Länder bekommen mehr Spielraum bei Fachkliniken 

Eine Verbesserung sieht der niedersächsische Gesundheitsminister Dr. Andreas Philippi darin, dass Fachkrankenhäuser Level F bei der Sachausstattung kooperieren können. Das Bundesgesundheitsministerium hat die Definition von Fachkrankenhäusern präzisiert. Als Fachkliniken bezeichnet werden Einrichtungen, die sich auf Erkrankungen oder Patientengruppen spezialisiert haben und einen gewissen Teil der Versorgung mittragen. Die Regel, dass Fachkliniken mindestens 80 Prozent ihrer Fälle in nur vier Leistungsgruppen abrechnen müssen, werden nun im KHVG aufgeweicht. 

Der Präsident der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW) Ingo Morell zeigt sich enttäuscht vom Entwurf: Er beachte „fast keine der Zusagen im schwarz-roten Koaltionsvertrag“. Die Länder bekämen zu wenig Flexibiliserung, um gerade die Versorgung auf dem Land aufrecht zu erhalten. Einziges Trostpflaster: Die endlich geschaffene Klarstellung, dass die NRW-Krankenhäuser zunächst nur die NRW-Systematik umsetzen müsse.

Zugleich muss die Regierung ihre Zusage erfüllen, dass die nordrhein-westfälischen Kliniken durch die Umsetzung der Krankenhausplanung nicht schlechter gestellt werden.

„Zugleich muss die Bundesregierung nun ihre Zusage aus dem Koalitionsvertrag erfüllen, dass die nordrhein-westfälischen Kliniken durch die Umsetzung der Krankenhausplanung nicht schlechter gestellt werden.“ Das habe insbesondere eine finanzielle Auswirkungen, da in Nordrhein-Westfalen bis Ende 2030 das Fallpauschalensystem weiter gelten soll. Die Regierung müsse also sicherstellen, dass in diesem Zeitraum die zentralen Zuschläge für Gebursthilfen, Pädiatrie, Schlaganfall-Station, Intensivmedizin und Traumatologie gezahlt werden.

Wichtiges Element in der Krankenhausplanung sei außerdem, dass Krankenhäuser für Leistungsgruppen Kooperationen eingehen können. Es sei ein „schlechtes Signal“, dass der Gesetzgeber diese Möglichkeit im KHAG weitestgehend auschließt. „Das stellt einen relevanten Erfolgsfaktor für eine am Bedarf der Menschen orientierte Versorgung in Frage“, so Morell.

Verlässliche Finanzierung bleibt aus

Auch der Verband der Krankenhausdirektoren Deutschlands (VKD) ist alles andere als zufrieden mit dem Gesetzesentwurf: „Wir werden damit auch weiterhin keine Planungssicherheit und keinen verlässlichen Rahmen für die Krankenhäuser bekommen. Eine stabile und verlässliche Finanzierung der Kliniken wird es damit nicht geben“, stellt VKD-Präsident Dirk Köcher klar. Der Transformationsfonds werde für die Umsetzung der Krankenhausreform nichts am „grundsätzlichen Problem der Ausfinanzierung der Betriebskosten“ kosten. 

Es läuft unweigerlich auf eine Entkernung der flächendeckenden Krankenhausversorgung hinaus.

Es sei klar, die Vorhaltefinanzierung werde die Grund- und Regelversorgung weiter ausdünnen. Dennoch soll sie bleiben, wenn auch mit zeitlicher Verzögerung. „Es laufe damit unweigerlich auf eine Entkernung der flächendeckenden Krankenhausversorgung hinaus, denn die Kliniken sind überall die Anker der Versorgung, besonders dort, wo schon heute niedergelassene Ärzte fehlen.“ Generell seien im Entwurf zu viele praxisferne Regelungen verankert, wie zum Beispiel die Reduktion der Entscheidungsfreiheit der Länder, Ausnahmen zu erlauben.

Insgesamt sei das Ziel der Reform nach wie vor gut, wie Köcher findet. Aber: „Wenn Frau Warken im Deutschlandfunk einräumte, man wisse nicht, wie hoch die Einsparungen und die Zahl der Klinikschließungen letztlich sein würden, sagt das leider sehr viel aus – Auswirkungsanalysen und daraus resultierende Bedarfs- und Versorgungsplanung anhand relevanter Parameter wie in anderen europäischen Nachbarländern sehen leider anders aus“

Hoffen auf den Bundesrat

Viele Stimmen aus der Branche hoffen noch auf Nachbesserungen im weiteren parlamentarischen Verfahren im Bundestag und Bundesrat. Im November soll sich der Bundesrat mit dem KHVG befassen, sagte Warken. Das Gesetz bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates. Dieser kann aber Einspruch erheben und den Vermittlungsauschuss anrufen, um noch Gesetzesänderungen zu erwirken.

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