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Erste Lesung90 Minuten Krankenhausreform – der Schlagabtausch im Bundestag

Das KHVVG wurde Ende Juni im Bundestag in der ersten Lesung 90 Minuten lang heiß diskutiert. Während Gesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach die Ziele unterstrich, gab es von der Opposition Schelte.

Deutscher Bundestag
Simone M. Neumann/DBT
Blick in den Plenarsaal des Deutschen Bundestags während einer Plenarsitzung.

Die Ziele sind klar und unbestritten: Entbürokratisierung, Entökonomisierung, Ambulantisierung, Verbesserung der Behandlungsqualität sowie Absicherung einer wohnortnahmen Grund- und Notfallversorgung. Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) erörterte diese Ziele zum wiederholten Mal bei seiner Eröffnungsrede anlässlich der ersten Lesung zum Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) und eröffnete das Parlamentarische Verfahren mit den Worten: „Heute ist ein guter Tag für das deutsche Gesundheitssystem.“

Er legte zudem einmal mehr dar, warum die Reform so wichtig ist. Zu wenig Spezialisierungen, zu wenig Qualität an den Kliniken und zu viele Krankenhausbehandlungen insgesamt sind nicht mehr tragbar. Die Krankenhauskosten haben erstmals die Grenze von 100 Milliarden Euro überschritten, das sei auf Dauer nicht mehr finanzierbar. Sollte sich nicht grundlegend etwas ändern, würden 25 Prozent der Krankenhäuser bis 2030 insolvent.

Die Leistungsgruppen werden allein von den Ländern zugeteilt.

„Ich weiß, dass die Reform schwierig und umstritten ist, und ich weiß, dass wir noch einen langen Weg vor uns haben mit den Ländern“, zeigt sich Lauterbach einsichtig und sieht die Länder bei der Reform hinter sich. Denn er gewährleiste, dass die Sicherstellung weiterhin bei den Ländern bleibe. „Die Leistungsgruppen werden allein von den Ländern zugeteilt. (…) Die Länder sind die alleinigen Herrinnen und Herren der Sicherstellung.“ Er sei jedoch nicht bereit, auf Bundesebene Zugeständnisse bei der Qualität zu machen. Lauterbach unterstrich bei seinem Eingangsstatement im Bundestag, dass es Konsens gibt – auch mit den Ländern. Das sorgte vor allem bei der Opposition für heftigen Widerspruch.

Kritik aus der Opposition

„In der Debatte zur Krankenhausreform geht es nicht um das ob, sondern um das wie“, erläuterte der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Faktion, Tino Sorge, in seinem Redebeitrag. Er warf dem Bundesgesundheitsminister vor, die Reform an den Rand des Scheiterns gefahren zu haben, indem er sie nicht mit den Ländern und den Experten zusammen gestaltet, sondern im Alleingang. Er zitierte mehrere Minister der Ampel-Koalition, unter anderem Ministerpräsident Andreas Philippi (SPD), der Lauterbach jüngst gegenüber der Presse als „knausrig und unzuverlässig“ beschrieben habe.

Auch Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) habe moniert, dass „Bundesgesundheitsminister Lauterbach bei der Krankenhausreform den Weg der Verständigung mit den Ländern verlassen hat und sich nicht mehr an gemeinsame Absprachen hält“. Sein Parteikollege Sepp Müller kritisierte ebenfalls, dass sich Lauterbach über die Köpfe der Akteure hinwegsetze und keine Fachleute in die Reform einbeziehe. Er bezeichnete die Reform gar als „Verschlimmbesserung“.

Die Krankenhausreform wird zu erheblicher Mehrbelastung der Beitragszahler führen.

Simone Borchardt (CDU/CSU) ist sich sicher: „Ihre Krankenhausreform wird zu erheblicher Mehrbelastung der Beitragszahler führen.“ Sie appellierte an die Bundestagsabgeordneten, dass die Strukturreform auf keinen Fall mit dem Geld der Versicherten bezahlt werden dürfe. Stephan Pilsinger hob auf die Spezialisierung ab und zweifelte nicht das Ziel der Reform an, mehr Qualität zu schaffen. „Mehr Qualität rettet Leben.“ Er bemängelte, dass die Ampel nicht Mindestmengen festlegen wolle, wie es der Gemeinsame Bundesausschuss derzeit macht, sondern Mindestvorhaltezahlen. Er forderte „echte Qualität“, festgelegt von der Wissenschaft, nicht von der Politik.

Ates Gürpinar von der Linken ging sogar so weit, die Reform als „Angriff auf das Herzstück der deutschen Gesundheitsversorgung, ein Angriff auf die stationäre Versorgung“ zu bezeichnen. Er prangerte zudem an, dass es keine Folgenanalyse gebe und das Gesetz für die Krankenhäuser ein fataler „Blindflug“ sei.

Sechs Punkte, die die Union bei der Krankenhausreform laut Tino Sorge anders gemacht hätte:

  1. Mit den Kliniken und Ländern gesprochen und sie nicht ignoriert.
  2. Die Bedarfsanalyse an den Anfang gestellt – auf jeden Landkreis und jede Stadt genau.
  3. Eine Auswirkungsanalyse angeschlossen.
  4. Orientierung an Erfolgsmodellen aus den Bundesländern und NRW von Anfang an als Blaupause genutzt.
  5. Früh Gespräch über Ausnahmen und Öffnungsklauseln, denn jede Region in Deutschland ist anders.
  6. Aufstellung eines Finanzierungsplans für die Übergangszeit mit dem Bund, den Ländern und den Kliniken zusammen.

    Nur gemeinsam zum Ziel?

    Die Grünen und die FDP stellten sich indes hinter den Bundesgesundheitsminister und seinen Reformentwurf und forderten mehr gemeinsames Handeln. „Der Status Quo ist nicht mehr haltbar und das ändern wir heute“, sagte Ricarda Lang. Die Grünen sehen die Frage der Gesundheitsversorgung als einen zentralen Baustein der Daseinsvorsorge, wollen es nicht weiter hinnehmen, dass die Kosten einerseits explodieren und private Klinikketten hohe Profite einfahren würden, auf der anderen Seite die Grundversorgung nicht mehr gewährleistet werden könne, weil die kleinen Kliniken auf dem Land rote Zahlen schreiben würden.

    Dr. Janosch Dahmen ließ im Kreise seiner Kolleginnen und Kollegen verlautbaren, dass dies die größte Krankenhausreform sei und dass dieses Land sie dringend gebraucht habe. „Sie stellt die Bedürfnisse der Bürgerinnen in den Mittelpunkt“, ist er sich sicher. Prof. Armin Grau sieht in der Krise, in der sich die deutschen Krankenhäuser befinden, nur eine Therapie: Krankenhausreform. Er will Betten abbauen, aber nur dort, wo eine Überversorgung stattfindet. Grau appellierte an alle Anwesenden, dass die Krankenhausreform kein Programm für Krankenhausschließungen sei, sondern für bedarfsgerechte Weiterentwicklung: „Die Krankenhäuser der Zukunft sind Kompetenzzentren, die stationär wie ambulant behandeln können, wie es die Menschen brauchen.“

    Der gesundheitspolitische Sprecher der FDP, Dr. Andrew Ullmann, plädierte für die Reform, da sie die ambulante und die stationäre Versorgung besser verzahnt. Er monierte, dass wir eines der teuersten Gesundheitssysteme der Welt haben, das gleichzeitig eines der der ineffektivsten sei und bezeichnete die Krankenhäuser als „Reparaturwerkstatt für kranke Menschen“.

    Mehr zum Thema:

    Das Krankenhaus ist eine Reparaturwerkstatt für kranke Menschen, wo Reparaturen am Fließband stattfinden.

    Seine Parteikollegin Christine Aschenberg-Dugnus ist sich sicher, dass Deutschland mit der Reform eine flächendeckend bessere Versorgung haben werde. „Wir machen Schluss mit dem Hamsterrad der Fallpauschalen“, proklamierte sie vor ihren Kolleginnen und Kollegen im Bundestag.

    Die meisten SPD-Sprecherinnen und Sprecher stehen ebenfalls hinter Lauterbachs „Krankenhausrevolution“, wie er sie selbst einmal genannt hat. Dagmar Schmidt verwies darauf, dass es gute Gespräche mit den Ländern gegeben habe und jedem klar sein müsse, dass das System nicht so bleiben könne, wie es ist. „Es braucht Strukturveränderungen“, rief sie den Anwesenden zu, zum Beispiel mit den Level Ii Kliniken. Sie stand voll hinter Lauterbachs Einführung von Leistungsgruppen, in denen sie auch die Voraussetzung für Spezialisierung und Qualitätsstandards sieht.

    Ihre Parteikollegin Heike Baehrens sieht in dem vorgelegten Entwurf die „richtige Antwort auf die Herausforderungen unserer alternden Gesellschaft“. Sie ist sich sicher, dass man den Konstruktionsfehler im bisherigen Gesundheitssystem mit dieser Reform beheben werde. Die Level Ii Häuser seien „eine echte Chance für die Bedarfe unserer alternden Gesellschaft, sie sind eine echte Chance für die medizinische und pflegerische Versorgung vor Ort und diese Häuser sind eine echte Chance für die sektorenübergreifende Versorgung“.

    Lauterbachs Parteigenosse aus Niedersachsen, Dr. Andreas Philippi, nahm zwar wohlwollend zur Kenntnis, dass Lauterbach die Kliniken im ländlichen Raum stärken wolle. Er drohte dem Bundesgesundheitsminister jedoch weiterhin damit, die B-Bundesländer zu unterstützen und den Vermittlungsausschuss anzurufen, wenn Lauterbach den Ländern „im weiteren Gesetzgebungsprozess und beim Umgang mit den untergesetzlichen Regelungen“ nicht entgegenkomme.

    Versöhnliche Worte beim DKG-Sommerempfang

    Alle Seiten scheinen derzeit bemüht, sich in der parlamentarischen Diskussion kompromissbereit zu geben und den Verhandlungen nicht zu versperren. So betonte Lauterbach auf dem Sommerempfang der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) am 1. Juli, dass es zahlreiche Prüfbitten der Fraktionen gebe, die jetzt von seinem Ministerium bearbeitet werden, und es zudem mit der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) und einigen Ländern einen direkten Austausch über die Inhalte der Reform gebe. Er verwies bei seiner Rede auf den Herbst, wenn der Grouper komme, mit dem erste Auswirkungen der Reform berechnet werden könnten.

    Die GMK-Vorsitzende Prof. Kerstin von der Decken (CDU) warb – ähnlich wie Lauterbach eine Woche vorher im Bundestag – bei der DKG für einen konzentrierten Austausch über die Parteigrenzen hinweg. Sie sagte jedoch auch, dass es die Sache sehr erleichtert hätte, „wenn unsere gemeinsamen Forderungen schon im Entwurf aufgenommen worden wären“. Sie bat den Gesundheitsminister, „dass man den Ländern und den Krankenhäusern bei der Gestaltung der Versorgung vertraut“ und nichts überstürze und im „Notfall“ lieber zwei, drei Monate länger den Gesetzestext berate.

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