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KKVDReform zum Frühstück – Drei Klinik-Chefs im Überzeugungseinsatz

Wie macht man Politikern klar, dass die Krankenhausreform anders laufen sollte? Der KKVD hat es mit einem Praxis-Check versucht – und dafür drei Klinik-Chefs und einen Pflegedirektor in das bekannte Berliner Café Einstein geschickt.

Dr. Dirk Albrecht
Jens Jeske/KKVD
Dr. Dirk Albrecht ist neben seiner Funktion bei der Contilia GmbH auch stellvertretender Vorsitzender des KKVD.

Als seine Zuhörer sich gerade ein Brötchen schmieren und in ihrem Milchkaffee rühren, formuliert Dr. Dirk Albrecht eine seiner momentan größten Sorgen: „Wir fürchten, dass wir freigemeinnützigen Träger beim Thema Krankenhausreform aus dem Blickfeld der Politik geraten“, sagt der Vorsitzende der Geschäftsführung der Essener Contilia Gruppe.

Das Geklapper und Geknusper ist keine Geringschätzung seiner Mahnung. Die, die hier klappern und knuspern, sollen ja frühstücken – und dabei trotzdem die Botschaft empfangen, für die Albrecht im Namen des Katholischen Krankenhausverbands Deutschland (KKVD) nach Berlin gekommen ist.

Praxis-Check beim Milchkaffee

Der KKVD hat am 8. November 2023 zum Parlamentarischen Frühstück ins Café Einstein an Berlins Boulevard Unter den Linden geladen. Das Format ist einer von unzähligen Versuchen, Vertretern aus dem Deutschen Bundestag und aus Verbänden die KKVD-Positionen zur umstrittenen Reform doch noch irgendwie näher zu bringen, sich Gehör zu verschaffen.

Parlamentarisches Frühstück KKVD
Jens Jeske/KKVD
Das Thema sorgte für Gesprächsstoff im Café Einstein.

Rund 30 Leute sitzen früh morgens an vier Tischen im Café – Botschafts-Sender und -Empfänger bunt gemischt. Denn mit Albrecht sind drei weitere Klinik-Verantwortliche aus der katholischen Krankenhauswelt in die Hauptstadt gereist. Ihre Aufgabe: ein Praxis-Check zum aktuell bekannten Stand der Krankenhausreform.

Der Theorie des Bundesgesundheitsministers stellen die Vier die praktische Erfahrung aus ihren Häusern gegenüber – in Kurzvorträgen und dann in Diskussionen mit den Frühstücksgästen an den Tischen. Die Appelle sind eindringlich und untermauern die zentrale Forderung: Macht effiziente, wirtschaftlich tragfähige versorgungsrelevante Krankenhausstrukturen nicht kaputt.

Vorbild NRW – Startmodell für den Bund

Reformbedarf? Kein Thema. Standorte infrage stellen? Check. Doch bitte nicht alles über einen Kamm scheren, nicht mit Kriterien arbeiten, die für alle und alles gleich gelten sollen – das ist die Botschaft. Es geht bei diesem Frühstück viel um regionale Verbundstrukturen und Netzwerke, zu denen sich auch zahlreiche katholische Krankenhäuser in den vergangenen Jahren zusammengeschlossen haben.

Diese Strukturen seien oft effizienter als manch Maximalversorger, ist sich KKVD-Geschäftsführerin Bernadette Rümmelin sicher. Oft sind einzelne Standorte sehr stark spezialisiert. „Das ist die Basis für morgen“, erklärt Dirk Albrecht: „Wir sind stabile Partner und können die Zukunft gestalten – bitte habt das im Blick.“

Die Leistungsgruppenplanung, die er in Nordrhein-Westfalen erlebt, sei „ein sehr sinnvolles und lernendes System“, erklärt der Contilia-Chef und empfiehlt es als gutes Startmodell für den Bund. Es jetzt noch erheblich zu modifizieren, würde alles eher wieder bremsen, mahnt er – dann doch lieber so starten und im laufenden Betrieb anpassen.

Vorteile durch Vernetzung und Spezialisierung

Auch Martin Bosch preist die regionalen Verbünde. Durch Vernetzung und Spezialisierung untereinander würden kleine Standorte erhalten und es werde nachgewiesen hohe Qualität in die Fläche gebracht, betont der Geschäftsführer des St. Josefs-Hospitals Wiesbaden. Er vertritt ein Krankenhaus mit drei Standorten in Wiesbaden, Rüdesheim und Bad Schwalbach mit insgesamt knapp 800 Betten.

Die dezentrale Struktur stehe für gute Versorgung und hohe OP-Standards und sichere gleichzeitig die wohnortnahe Verfügbarkeit, sagt Bosch. Bislang sei das ohne öffentlichen Defizitausgleich möglich: „Ich bin mir aber nicht sicher, wie lange wir das noch schaffen.“ Die Ausrichtung der Krankenhausreform auf eine radikale Reduzierung der Krankenhausstandorte sei jedenfalls ein Fehler, „der die Versorgungssicherheit in den Regionen auch verschlechtern kann“.

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Zudem sei Größe allein kein Qualitätsaspekt, assistiert Dr. Rainer Beyer, Hauptgeschäftsführer der Trägergesellschaft für die Einrichtungen der Schwestern vom Göttlichen Erlöser (TGE) mit Sitz in Neumarkt/Oberpfalz. Zur TGE gehören unter anderem zwei kleinere Krankenhäuser in Nürnberg und Gießen.

Krankenhäuser sind keine Supermärkte.

Wachstum und Größe führten wohl zu erhöhter Kosteneffizienz, jedoch steige nicht automatisch die Qualität einer Leistung, so Beyer. Krankenhäuser machten kein Standardangebot wie etwa Supermärkte, sondern lieferten eine beratungsintensive und wissensbasierte Dienstleistung. Starker Zentralisierung wie etwa in Dänemark erteilt Beyer deshalb eine deutliche Absage.

Warum er so argumentiert, zeige sich beispielsweise bei der „sicher sinnvollen“ Reform der Notfallversorgung: Die Maxime „groß ist gut“ führe dort in die Irre, wo kleine und mittlere Krankenhäuser mindestens die Hälfte der Notfallversorgung stemmten, erklärt Beyer. In der Praxis melde sich die Uniklinik jetzt schon häufig wegen Überlastung ab. „Eine Zentralisierung der Notfallstrukturen auf das Maximalversorgungshaus würde zu eklatanten Versorgungsengpässen führen und ist völlig unrealistisch“, mahnt der TGE-Chef. Darüber hinaus habe die Uniklinik allein gar nicht die vollständigen Weiterbildungs-Strukturen für Ärzte.

Vernachlässigte Pflege

Mit einem aus seiner Sicht weiteren Irrtum der Reformkonstrukteure im Gesundheitsministerium will Arne Evers aufräumen. „Pflegefachpersonen sind keine Verschiebeware“, sagt der Pflegedirektor des St. Josefs-Hospitals Wiesbaden. Die Vorstellung, dass sich der Fachkräftemangel lösen lasse, indem die Krankenhauslandschaft ausgedünnt werde, kann er nicht nachvollziehen.

Die Pflege sei eher wenig reisefreudig, lange Anfahrtswege zum Arbeitsort seien eher unüblich. Zudem hätten sich viele Pflegende ganz bewusst für ihre Teams und katholische Krankenhäuser als Arbeitgeber entschieden. In Großkliniken fühlten sich viele nicht wohl, insbesondere wegen der oftmals „krassen Hierarchie“ dort.

Arne Evers
Jens Jeske/KKVD
Extra aus Wiesbaden angereist: Arne Evers, Pflegedienstleiter im St. Josefs-Hospital und beim KKVD im Gremium Personal und Organisation.

Reden Sie mit den Pflegekräften.

Dass im Reformprozess überhaupt nicht mit der Pflege gesprochen werde, steigere den Verdruss noch zusätzlich, erklärt Evers. Wer jetzt etwa in einem Haus mit gynäkologisch-onkologischem Schwerpunkt tätig sei, finde eine solche Spezialisierung in einem anderen Haus nur schwer wieder. Da liege oft der Ausstieg aus dem Krankenhausbereich nahe: „Pflegekräfte finden auch andere Arbeitsplätze“, sagt Evers, „und sind zum Beispiel beim Medizinischen Dienst oder bei Pharmafirmen ebenfalls gefragt“. Sein Wunsch: „Reden Sie mit den Pflegekräften.“

Unermüdlich vorgetragene Argumente

Es sind Appelle wie dieser, die den Frühstücksgästen im Kopf bleiben sollen, wenn sie das Café an diesem regnerischen Morgen wieder verlassen. Nach gut 90 Minuten haben die KKVD-Verantwortlichen ihre Botschaften platziert, vielleicht bleibt ja diesmal etwas hängen. Verbandsgeschäftsführerin Bernadette Rümmelin versucht das schon viele Monate lang, auf vielfältige Weise, beharrlich, immer wieder. In den politischen Entscheidungen findet sich nicht viel davon, das Ergebnis kann frustrierend sein. „Wie abgehoben kann man eigentlich Politik machen?“, fragt sie sich in der Rückschau manchmal, aber sie kennt das ja schon zur Genüge.

Und doch war es an diesem Morgen im Café kurz mal etwas anders als bei ihren vielen Vorgängerterminen zur Krankenhausreform. Der KKVD hat seinen Markenauftritt überarbeitet – neue Farben, neues Design, neuer Slogan. Die Frühstücksgäste gehören zu den Ersten, denen Rümmelin das Ergebnis zeigen konnte. Auch das neue Imagevideo, das sie nach der Begrüßung abspielte, ist noch frisch. Danach ging es aber wieder wie gewohnt weiter – mit unermüdlich vorgetragenen Argumenten und der Hoffnung, dass sie jemand hört.

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