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KrankenhausreformSüddeutsche Allianz erhöht den Druck auf Lauterbach

Erstmals haben sich lokale und überregionale Politiker zusammengeschlossen und machen Druck bei der Reform – und zwar von unten. Was dabei die erfolgreiche Elektrifizierung einer Bahnstrecke mit der Krankenhausplanung zu tun hat, erklärt der Bundestagsabgeordnete Axel Müller.

Treffen in Wangen
Büro Axel Müller
Gemeinsamer Termin der Politiker-Allianz in Wangen (v.l.n.r.): Erster Bürgermeister Simon Blümcke (Ravensburg), Oberbürgermeister Andreas Brand (Friedrichshafen), Elmar Stegmann (Landrat Lindau), Mechthilde Wittmann (MdB Oberallgäu), Axel Müller (MdB Ravensburg), Harald Sievers (Landrat Ravensburg), Oberbürgermeisterin Dr. Claudia Alfons (Lindau), Bürgermeister Eric Ballerstedt (Lindenberg), Luca Prayon (Landrat Bodenseekreis), Oberbürgermeister Dr. Daniel Rapp (Ravensburg).

Es vergeht fast kein Tag, an dem nicht Krankenhauslobbyisten auffordern, endlich die Krankenhausreform voranzubringen. In der Regel sind diese mit der Forderung nach finanziellen Überbrückungshilfen gepaart.

Auch die Niedersächsische Krankenhausgesellschaft appellierte in dieser Woche an Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD), Maßnahmen zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser schnellstmöglich umzusetzen und gemeinsam mit den Ländern endlich an der Reform weiterzuarbeiten. Parallel dazu geht von dem breiten Bündnis aus Niedersachsen die Bitte aus, die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und ihren Aufruf an Lauterbach zu unterstützen.

Politiker-Allianz verfasst 5-Punkte-Plan

Dem nicht genug. Es brodelt vielerorts ob der Lauterbachschen Alleingänge in Sachen Krankenhausreform. Jetzt bekommt der Bundesgesundheitsminister Post von allen Seiten. Denn erstmals haben sich in der vergangenen Woche auch regionale und überregionale Politiker aus Baden-Württemberg und Bayern zusammengefunden und ein gemeinsames Beschlusspapier verabschiedet. Es trägt den Namen „Perspektiven der Krankenhausversorgung“ und liegt der Redaktion vor.

Die Bundestagsabgeordneten Axel Müller (CDU), Mechthilde Wittmann (CSU) und Volker Mayer-Lay (CDU) haben sich mit sechs Bürgermeistern und drei Landräten in Wangen getroffen. Dort wurde das Beschlusspapier unterzeichnet und an Bundesgesundheitsminister Lauterbach, an Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) und Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) sowie die Fraktionsvorsitzenden in den Landtagen von Baden-Württemberg und Bayern geschickt. Sie rufen die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen auf, „die angekündigte Krankenhausreform – im Einvernehmen mit den Bundesländern – schnellstmöglich zu beschließen“.

Wir fordern die Bundesregierung auf, die angekündigte Krankenhausreform – im Einvernehmen mit den Bundesländern – schnellstmöglich zu beschließen.

Außerdem bekennt sich das Bündnis zu seiner Verantwortung auf regionaler und kommunaler Seite und insistiert, dass Sektoren- sowie Kreis- und Ländergrenzen für die Bürgerinnen und Bürger bei der medizinischen Versorgung irrelevant seien. Diese Grenzen sollten daher auch in der „politischen Debatte ebenso wenig überstrapaziert werden“ wie konkrete Standortfragen. Ebenfalls Einigkeit bestünde für die Allianz darin, dass man weg von der reinen Ökonomisierung der Krankenhausfinanzierung durch die DRGs müsse. Es gebe sicherlich noch Gesprächsbedarf bei den Vorhaltepauschalen, aber eine Einigung sei hier greifbar.

Eines ist sicher: Der vom Bundesgesundheitsministerium vorgestellte Zeitplan des Reformverfahrens kann nicht mehr eingehalten werden. Da die Häuser jetzt aber akute Liquiditätsprobleme haben, fordert das Bündnis – analog zum Vorgehen während der Corona-Pandemie – eine Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis zum Greifen der Reform. Weiterhin erwarten sie spürbare Liquiditätshilfen, zumindest in Höhe der Lohn- und Sachkostensteigerung. Im Kern geht es bei diesem Vorstoß von unten natürlich auch um die schnellstmögliche Umsetzung der von Lauterbach angekündigten Krankenhausstrukturreform.

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Großer Konsens – Knackpunkt Level-Einteilung

Eine Zentralisierung der Krankenhäuser ist für die Unterzeichner alternativlos. Sie tragen das grundsätzliche Konzept von Lauterbach, sehen jedoch Gesprächsbedarf – gerade im Hinblick auf das Transparenzgesetz: „Man hatte sich bereits im vergangenen Jahr zwischen Bund und Ländern darauf geeinigt, bei der Krankenhausreform von der ursprünglichen Level-Einteilung wegzugehen und die Einteilung in 64 Leistungsgruppen vorzunehmen. Jetzt versucht Minister Lauterbach mit dem Transparenzgesetz durch die Hintertür die Level-Einteilung doch noch einzuführen“, erläutert Axel Müller im Gespräch mit kma.

Müller ist sich sicher, dass wenn das Ministerium hier nachgebe, die Länder auch bei den zusätzlichen Bürokratievorgaben in Hinblick auf die Qualitätsstandards dem Minister entgegenkämen. Es sei ein Geben und ein Nehmen. Allerdings prangert der CDU-Politiker indirekt die überbordende Bürokratie Lauterbachs an: „Der Minister schafft überall Zusatzarbeit mit dieser Regelung im Transparenzgesetz, die noch dazu keinen Mehrwert für den Patienten hat. Denn dieser kann sich bereits heute vollumfänglich über die Qualität der Kliniken informieren.“

Wir haben die Bereitschaft der Akteure vor Ort und brauchen jetzt gesetzliche Rahmenbedingungen.

Im weiteren Gespräch erklärt Müller, dass die Positionen zwischen Bund und Ländern gar nicht so weit auseinander liegen, denn „alle sind sich einig, dass es einer Reform bedarf, die mit einer Zentralisierung einhergehen muss“. Es gebe – zumindest im Allgäu – auch kaum mehr Kommunalpolitiker, die zwingend auf ein Krankenhaus in der eigenen Stadt bestehen, zeigt sich der Bundestagsabgeordnete aus Ravensburg zuversichtlich. „Wir haben die Bereitschaft der Akteure vor Ort und brauchen jetzt gesetzliche Rahmenbedingungen. Die Politiker vor Ort wollen eine optimale Versorgung der Bevölkerung, ohne dass die Standortfrage im Vordergrund steht.“

Neue Forderung: Länderübergreifende Versorgung mitdenken

Das sind ganz neue Ansätze, die von der Politiker-Allianz vorgebracht werden: Regionale politische Vertreter wollen moderne Krankenhausneubauten unabhängig von Kreis- oder Ländergrenzen planen. „Wir müssen die Krankenhauslandschaft völlig neu aufstellen“, sagt Müller gegenüber kma. „Der Bevölkerung hier ist es egal, ob das Krankenhaus auf der bayerischen Seite des Allgäus liegt oder auf der baden-württembergischen. Sie suchen sich die Klinik mit der bestmöglichen Versorgung aus und haben verstanden, dass diese nicht automatisch gesichert ist, wenn man vor Ort ein Krankenhaus hat“, führt Müller aus. Hier gebe es seitens der kommunalen und regionalen Politik sogar den Willen, Investitionskostenzuschüsse gemeinsam länderübergreifend zu planen.

Der Bevölkerung ist es egal, ob das Krankenhaus auf der bayerischen Seite des Allgäus liegt oder auf der baden-württembergischen.

„Das gemeinsame Projekt der Südbahn hier aus unserer Region steht für unsere Idee Pate. Auch hier gab es länderübergreifend eine Initiative, um die Bahnlinie von Ulm bis nach München zu elektrifizieren, ohne gesetzliche Zuständigkeiten anzutasten. Das ist die Blaupause für unsere Idee bei der Krankenhausplanung“, führt Müller weiter aus. Diese Idee ist noch nicht mit den Landtagen besprochen, zeigt jedoch wie weitreichend man unten an der Basis die Reform schon gedacht hat.

Auch die Notfallversorgung mit ihrer anstehenden Reform ist bereits im Fokus. Fällt ein Krankenhausstandort aufgrund der Zentralisierungsmaßnahmen weg, gebe es die Möglichkeit, Notfallambulanzen in Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) zu schaffen, die von den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Trägern gemeinsam betrieben werden. Hier kann der stationäre Sektor mit dem ambulanten noch weiter verzahnt werden. Vor Ort im Allgäu wartet man jetzt auf den Gesetzentwurf.

Weiterer Zeitplan

Der Ball liegt seit Ende November in der Spielfeldhälfte des Bundesgesundheitsministeriums. Dieses hatte für Anfang Januar zugesichert, einen aktualisierten Gesetzentwurf vorzulegen, damit die gemeinsame Diskussion über die geplanten Reformschritte weitergehen kann. Dieser Zeitplan ist obsolet. Man munkelt, dass der Referentenentwurf im ersten Quartal 2024 kommen soll. Zieht sich der Gesetzentwurf zur Krankenhausreform weiter hin, besteht für eine Verabschiedung noch vor der Sommerpause Gefahr.

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