Georg Thieme Verlag KGGeorg Thieme Verlag KG
Georg Thieme Verlag KGGeorg Thieme Verlag KG

Deutsche KrankenhausgesellschaftKeine zweite Chance – Die Krankenhausplanung muss sitzen

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) hat auf ihrer traditionellen Jahresauftaktpressekonferenz ein Resümee der Gesundheitspolitik der vergangenen Legislaturperiode gezogen. Sie stellt zehn klare Forderungen an die künftige Regierung.

Megafon
Tierney/stock.adobe.com
Symbolfoto

DKG-Vorstandsvorsitzender Dr. Gerald Gaß machte bei der ersten Pressekonferenz des Jahres keinen Hehl daraus, dass er einen konstruktiven Dialog mit dem jetzigen Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) nicht für möglich hält. Ein Politikwechsel, wie er ihn fordert, sei nicht zu erwarten. Gleichzeitig mahnte er Sofortmaßnahmen an, die nach der Bundestagswahl dringend erforderlich seien, um das Krankenhausstruktur-Verbesserungsgesetz (KHVVG) noch anzupassen und den Ländern die Chance zu geben, die Transformation – die dringend erforderlich ist – mitzugestalten. Der kalte Strukturwandel müsse beendet werden.

80 Prozent der deutschen Krankenhäuser schreiben schon heute rote Zahlen. Nur fünf Prozent davon seien überzeugt, dass sich ihre Situation durch das KHVVG verbessern werde, berichtete Gaß. „Wir haben keine zweite Chance für die jetzt anstehende Krankenhausplanung. Die muss sitzen – gerade mit Blick auf die Versorgungsrealitäten“, erklärte der Chef-Lobbyist gestern in Berlin vor den Journalisten.

Transformationsfonds – es drohe Verschwendung

Damit spielte der DKG-Vorsitzende auf die fehlende Auswirkungsanalyse und die noch ausstehenden Rechtsverordnungen an, die bis 31. März 2025 finalisiert werden sollen. Er bezweifelte, dass die Aufgabe – u.a. die Vergabe der 50 Milliarden Euro aus dem Transformationsfonds – unter dem Zeitdruck mit Sachverstand gemacht werden könne. Gaß plädierte einmal mehr dafür, die Anzahl und die Definition der Leistungsgruppen aus NRW auch für den Bund heranzuziehen. „Die Zeit drängt. Daher raten wir davon ab, die im KHVVG ergänzenden Leistungsgruppen wie Notfall oder Infektiologie zu berücksichtigen“, erklärte er und wies auf die Schwierigkeiten hin, die das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) bei der Abgrenzung der Leistungsgruppen habe.

Wir raten davon ab, die im KHVVG ergänzenden Leistungsgruppen wie Notfall oder Infektiologie zu berücksichtigen.

Gaß forderte die neue Regierung auf, einen verlässlichen Rahmen für die Krankenhausplanung aufzusetzen, damit die 50 Milliarden Euro aus dem Transformationsfonds sinnvoll eingesetzt und nicht verschwendet würden. Der im Gesetz festgeschriebene Leistungsgruppen-Ausschuss werde sich, so vermutete Gaß, noch Ende Januar treffen und konstituieren. Ein genauer Termin sei aber noch nicht bekannt. An eine Einigung im Ausschuss – innerhalb des kurzen, im Gesetz festgeschriebenen Zeitfensters – bis Ende März glaubt er jedoch nicht.

In dem Leistungsgruppen-Ausschuss sitzen neben dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) die 16 Ländervertreter. Die Bundesärztekammer, die DKG, der Deutsche Pflegerat, der Verband der Uniklinika (VUD) sowie die gesetzliche Krankenversicherung haben beratende Funktion.

Mehr zum Thema:

Vorhaltefinanzierung als Rettungstool untauglich

Neben dem engen Zeitfenster für die Rechtsverordnungen prangerte der DKG-Chef auch das zu starre zeitliche Korsett für die Vorhaltepauschalen an. Die vom Bund immer wieder als Heilsbringer angepriesene Vorhaltevergütung ist „ein falsches Versprechen und von ihrer Funktionalität untauglich“. Gaß hält es für notwendig, das DRG-System um Strukturkostenkomponenten zu erweitern, sodass gerade kleinere Kliniken spezielle Leistungen – wie zum Beispiel die Notaufnahme – auch kostendeckend vorhalten können. Dafür seien die Vorhaltepauschalen aber denkbar ungeeignet. „Die Vorhaltefinanzierung in der jetzigen Form ist ein Mythos, sie schafft weder finanzielle Verbesserung noch unterstützt sie die Spezialisierung. Sie ist ein fallzahlabhängiges Anhängsel der DRG“, ist sich Gaß sicher.

Das KHVVG sieht vor, die Finanzierung ab 1. Januar 2027 auf andere Beine zu stellen: 60 Prozent Vorhaltepauschalen, 40 Prozent fallzahlgesteuerte DRG. Dieser Zeitplan impliziert, dass die Bundesländer bis Mitte 2026 ihre neue Krankenhausplanung abgeschlossen haben müssten, um die Daten rechtzeitig für die Berechnung der Pauschalen ans InEK zu melden. Die Länder hätten also knapp ein Jahr, um die Landeskrankenhausgesetze zu ändern, mit den Trägern zu verhandeln und rechtssicher das neue System zu definieren.

„In diesem Zeitrahmen ist noch keine einzige Auswirkungsanalyse zu den Leistungsgruppen mitgedacht“, mahnte Gaß. Er betonte, dass es der DKG nicht darum gehe, die Reform auszusitzen oder auf den Sankt-Nimmerleins-Tag zu verschieben, sondern sie an die tatsächlichen Bedarfe anzupassen. „Dafür brauchen wir Zeit der Vorbereitung“, erklärte er und plädierte dafür, die Vorhaltefinanzierung zwei Jahre auszusetzen. Man könne sich gefahrlos diese Zeit nehmen, um nachzudenken, wie man die politischen Ziele erreichen wolle. Er brachte dabei eine gemeinsame ambulante und stationäre Bedarfsplanung ins Spiel.

Zeitenwende in der Gesundheitspolitik einläuten

Gaß hielt mit seiner Kritik an Minister Lauterbach nicht hinter dem Berg und beschrieb die politische Philosophie der vergangenen Jahre als schlecht. „Die Akteure müssen wieder eingebunden werden“, appellierte er mit Blick auf eine neue Regierung. Die DKG erwarte eine Zeitenwende in der Gesundheitspolitik und dafür brauche es einen Politikwechsel. Ein „Weiter-so“ könne die Probleme und Herausforderungen vor Ort nicht lösen. Damit einher gingen zehn zentrale Forderungen der DKG, die Gaß gestern vorstellte.

Das Zehn-Punkte-Programm der DKG

  1. Weniger Bürokratie und mehr Vertrauen: Die Verantwortlichen und Beschäftigten in den Kliniken müssen endlich wieder das Vertrauen der Politik spüren und als Akteure mit Problemlösungskompetenz erkannt werden. Eine Stunde weniger Bürokratie am Tag würde 21 600 Vollzietkräfte (VK) im ärztlichen Dienst freisetzen und 47 000 VK in der Pflege.
  2. Transformation der Krankenhauslandschaft: Hier müsse Sorgfalt vor Schnelligkeit gelten und der kalte Strukturwandel gestoppt werden. Die Auswirkungen auf die Versorgungsrealität müssen simuliert und analysiert werden.
  3. Fachkräftesicherung: Personelle Ressourcen dürfen nicht weiter durch kleinteilige Vorgaben verschwendet werden. Zudem müssen die Aufgaben – gerade in der Pflege – neu verteilt werden. Die Kompetenz und die Verantwortungsübernahme im Behandlungsprozess sind auf neue Berufsbilder, akademisierte Pflegekräfte und weitere Gesundheitsfachberufe auszuweiten. Die Anerkennungsverfahren für zugewanderte Fachkräfte im Krankenhaus müssen bundesweit einheitlich und bürokratiearm ausgestaltet werden.
  4. Politikwechsel vor allem in der Qualitätssicherung: Wir brauchen mehr Ergebnisqualität statt kleinteiliger Struktur- und Prozessqualität. Eine hochwertige Patientenversorgung gehört in den Mittelpunkt gerückt. Hierzu brauchen die Akteure Gestaltungsspielraum.
  5. Sektorenübergreifende Versorgung fördern: Krankenhäusern müssen die Möglichkeit haben, sich zum Gesundheitscampus zu entwickeln und sich für die ambulante Versorgung zu öffnen. Dies dient gerade in der Fläche zur Versorgungssicherheit.
  6. Effizienter Personaleinsatz: Kleinteilige Personalvorgaben limitieren die Versorgung der Patientinnen und Patienten. Personalbemessung – egal ob für Pflege, Ärzte oder andere Gesundheitsberufe – muss sich am Ganzhausansatz ausrichten. Der konkrete Personaleinsatz gehört zurück in die Hand der Verantwortlichen der Krankenhäuser.
  7. Digitalisierung kann Engpässe überwinden: Im KHVVG findet Telemedizin und digitale Kooperation fast gar nicht statt. Es müssen die Rahmenbedingungen für digitale Versorgungskonzepte verbessert werden, denn: Regionale Vernetzung bietet Chancen für die Patientenversorgung – gerade vor dem Hintergrund des Fachkraftmangels.
  8. Notfallversorgung schnell und gut ordnen: Das Gesetz zur Notfallversorgung ist der Diskontinuität zum Opfer gefallen. Das Gesetz muss zeitnah und im Konsens mit den Ländern vorangebracht werden. Die Notfallreform ist dabei dringend von der Reform des Rettungsdienstes zu trennen.
  9. Psychiatrische Versorgung in den Fokus rücken: Wir haben über Jahre gezeigt, dass die Patientenversorgung in der Psychiatrie an großen Zentren sektorübergreifend besser geleistet werden kann. Solche sektorübergreifenden krankenhauszentrierten Versorgungsnetzwerke müssen in die Regelversorgung überführt werden.
  10. Arzneimittelversorgung sichern: Nahezu alle Krankenhäuser sind von Lieferengpässen betroffen. Es braucht eine Lösung auf europäischer Ebene. Die Abhängigkeit von einigen wenigen Herstellern, die meist außerhalb Europas produzieren, muss reduziert werden.

„Nach über drei Jahren einer Gesundheitspolitik, die geprägt war durch mangelhaftes politisches Management, ministerielle Alleingänge, Konzeptentwicklung im kleinen Kreis ohne ausreichenden Sachverstand und fortgesetztem Krankenhaus-Bashing erwarten wir nach der Bundestagswahl einen Neuanfang im Bundesgesundheitsministerium. Mit kurzfristigen Maßnahmen muss die Versorgung zunächst stabilisiert werden“, betonte Gaß. In diesem Zusammenhang verwies er auch darauf, dass wir dahinkommen müssen, mehr Wert auf die Vermeidung von Krankheiten zu legen. „Die Prävention muss in den Blick genommen werden“, ist er sich sicher.

Worauf legen die Patienten wert?

Gerade bei der Verbesserung der Prävention sind die Patientinnen und Patienten gefragt. Genau diese hat die DKG im November 2024 zur Gesundheitspolitik der Ampel befragt und präsentierte vorgestern die Ergebnisse. Wie zufrieden sind die Deutschen mit der Gesundheitsversorgung?

Ganz oben auf der politischen Handlungsagenda stehe demnach auch bei den Patienten, die Bürokratie abzubauen: 77 Prozent der Befragten fanden das Ausmaß der Bürokratie im Kontakt mit medizinischen Einrichtungen als zu hoch. Zudem haben 46 Prozent der Befragten Sorge wegen möglicher Krankenhausschließungen, 47 Prozent wegen möglicher Praxisschließungen. Auch ungewöhnlich lange Wartezeiten auf Arzttermine prangerten 64 Prozent der Befragten an. 26 Prozent beschwerten sich aufgrund langer Wartezeiten bei Krankenhausbehandlungen.

„Die Mängel und Defizite werden von den Menschen gespürt“, erklärte dazu DKG-Chef Gaß. Das seien reale Probleme, mit denen sich Gesundheitspolitik auseinandersetzen müsse, appellierte er an die Politik.

2025. Thieme. All rights reserved.
Sortierung
  • Derzeit sind noch keine Kommentare vorhanden. Schreiben Sie den ersten Kommentar!

    Jetzt einloggen

Doctolib GmbH

Doctolib Hospital – Mit Digitalisierung zu mehr Effizienz und Erfolg! 

Die Technologie von Doctolib schafft einen…

Philips GmbH Market DACH

Philips vernetzt Daten, Technologien und Menschen

Die Medizin macht täglich Fortschritte. Damit steigen auch die…