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KrankenhausreformTransformationsfonds-Finanzierung ungewiss – Klage möglich

Das Milliardenprojekt soll die derzeitige Krankenhausreform finanzieren und je zur Hälfte von den Ländern und vom Bund getragen werden. Dass dabei auf Beiträge der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zugegriffen werden soll, ruft Kritik hervor.

Drei Fragezeichen vor einer grauen Wand
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Symbolfoto

Die deutsche Krankenhauslandschaft steht vor einem tiefgreifenden Wandel. Eine Strukturreform sehen alle Akteure als einzigen Ausweg aus der Misere. Neben der Minimierung der Anzahl von Kliniken steht eine deutliche Qualitätssteigerung am Ende der Krankenhausreform – so die Intention von Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD).

Der Transformationsfonds, der bereits mit dem Krankenhaustransparenzgesetz beschlossen wurde, steht im Zentrum der Finanzierung der Reform und soll im Laufe des kommenden Jahres durch eine Rechtsverordnung noch genauer geregelt werden. Über die genaue Ausgestaltung scheiden sich die Geister. Fakt ist: Der Topf wird wohl beim Bundesamt für soziale Sicherung angesiedelt sein und von 2026 an bis zum Jahr 2035 aufgebaut werden. Jährlich können bis zu fünf Milliarden Euro abgerufen werden, wovon der Bund – respektive die GKV – die Hälfte tragen müsste.

Wer profitiert von dem Milliardenprojekt?

Dieser Fonds soll die Kliniken in den kommenden zehn Jahren auf ihrem Weg der Umstrukturierung unterstützen und in den Umbau der Krankenhauslandschaft fließen. „Der Transformationsfonds ist das wesentliche Element der Finanzierung. Wir müssen künftig Standorte, die aufgrund der Auswirkungen der Reform in bestimmten Leistungsgruppen mehr Leistungen erbringen, ausbauen und infrastrukturell in die Lage versetzen, dies auch tun zu können. Das kostet Geld.“, erklärt Prof. Andreas Beivers, Volkswirt und Gesundheitsökonom. Er führt weiter aus: „Auch die Schließung von Standorten oder der Umbau von Standorten in die sogenannten Integrierten Versorgungszentren ist nicht umsonst. Egal wie wir es drehen und wenden, Transformation braucht Kapital“.

Beivers geht aber noch weiter: Auch die Ambulantisierung benötige Geld. Neue Prozesse sind erforderlich, die auch bauliche Infrastrukturanforderungen nach sich ziehen. „Auch die Ambulantisierung führt also am Ende erst einmal zu Investitionsbedarfen. Da hat der Herr Minister Lauterbach Recht. Wir brauchen Geld, um die jetzige Versorgungsstruktur auf die zukünftigen Bedarfe und Herausforderungen anzupassen, zu bündeln, zu zentralisieren und besser auszustatten“.

Egal wie wir es drehen und wenden, Transformation braucht Kapital.

Er vergleicht das Unterfangen mit dem Umbau eines Einfamilienhauses zu einem Mehrfamilienhaus: Da sind neue Wände nötig, es müssten mehr Bäder eingebaut werden und das ganze Haus müsse erweitert werden. Dafür brauche es – wie bei der Reform jetzt – Kapital. „Der Transformationsfonds ist daher das entscheidende Instrument, um diesen Umbau der Krankenhauslandschaft zu finanzieren“, ist sich der Gesundheitsökonom sicher. Der Fonds diene jedoch nicht der aktuellen Rettung der Krankenhäuser in dieser prekären ökonomischen Situation. Dafür brauche es Subventionen, die jedoch auf einem anderen Blatt stünden.

Der Transformationsfonds soll den Kliniken zum Beispiel finanziell bei baulichen Maßnahmen unter die Arme greifen. Im Wesentlichen ist geplant, mit den insgesamt 50 Milliarden Euro die verbleibenden Kliniken zu unterstützen, um ihre medizinische Versorgung neu auszurichten, sich stärker zu spezialisieren und enger mit anderen Akteuren – auch über die Sektorengrenzen hinweg – zusammenzuarbeiten.

Förderfähig sind dabei künftig sechs Tatbestände, vor allem Vorhaben zur standortübergreifenden Konzentration akutstationärer Versorgungskapazitäten. Dabei müssen jedoch die im KHVVG eingeführten Qualitätskriterien und Mindestvorhaltezahlen erfüllt werden. Ebenfalls Geld aus dem Transformationsfonds ist für Häuser zu erwarten, die sich in Gänze oder einen Standort in ein sogenanntes sektorenübergreifendes Versorgungszentrum (ehemals Level 1i-Klinik) umwandeln wollen. Auch telemedizinische Netzwerkstrukturen sollen durch den Fonds gefördert werden können.

Kein Geld für frühe Umstrukturierung?

Geht es nach dem Bundesgesundheitsministerium (BMG), bekommen nur Vorhaben Geld aus dem Fonds, die mit ihren Umstrukturierungsmaßnahmen nicht vor dem 1. Januar 2026 begonnen haben. Hier setzt einer der Kritikpunkte an. Sollten Kliniken im Laufe des kommenden Jahres bereits ihre Strukturen umstellen wollen, gibt es kein Geld aus dem Transformationsfonds. Das trifft besonders Länder wie Niedersachsen, dessen Gesundheitsminister Dr. Andreas Philippi (SPD) bereits im Sommer beklagte: „Es kann nicht sein, dass Länder, die bereits jetzt in die Transformation ihrer Krankenhauslandschaft investieren, bestraft werden und draufzahlen.“

Das BMG antwortet auf eine Kleine Anfrage der Union zum Thema wie Folgt: „Die Länder können (…) noch bis zum 31. Dezember 2024 Anträge auf Förderung aus dem Krankenhausstrukturfonds (…) stellen. Mit dem KHVVG ist vorgesehen, dass die Antragsfrist um ein Jahr bis zum 31. Dezember 2025 verlängert wird. Damit hätten die Länder noch bis Ende 2025 Zeit, Mittel für Umstrukturierungen im Krankenhausbereich aus dem KHSF zu beantragen.“

Zudem führte das BMG aus, dass der Transformationsfonds vorrangig für Vorhaben der Konzentration von stationären Versorgungsstrukturen dienen solle. Beivers versteht bei diesem Streitpunkt beide Seiten: „Das Problem haben Sie bei allen tiefgreifenden Umwälzungen, dass es Vorreiter gibt, die – in diesem Fall – vom Transformationsfonds dann nicht oder geringer profitieren. Das ist ein a priori schwer zu lösendes Problem. Man sollte jedoch die Vorreiter nicht bestrafen und versuchen, hier einen Mechanismus zur Abmilderung zu finden.“

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Der konstruktive Dialog scheint sich gelohnt zu haben, denn Philippi begrüßt auf Nachfrage von kma ausdrücklich, „dass die Gelder aus dem Transformationsfonds rückwirkend angerechnet werden sollen. Damit werden die Länder, die schon jetzt in die Transformation der Krankenhauslandschaft investieren, nicht schlechter gestellt, sondern können mit einem deutlichen Mittelzuwachs rechnen. Das ist ein gutes Signal für die Länder, die sich bereits auf den Weg gemacht haben und ihre Investitionen hochgefahren haben.“

Aufreger: Finanzierung durch GKV

Die Finanzierung des Fonds ist ein ehrgeiziges Vorhaben, das von vielen Seiten kritisch betrachtet wird. Seit Monaten dauert das Hin und Her der Beteiligten an, weil der Bund seine Hälfte aus dem Gesundheitsfonds über die GKV beisteuern will.

Die Kassen wehren sich dagegen, sie seien nicht zuständig. Allem voran der GKV-Spitzenverband beklagt, dass die Krankenhausreform nicht durch steigende Beitragszahlungen der gesetzlich Krankenversicherten gezahlt werden dürfe. Die stellvertretende Vorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Stefanie Stoff-Ahnis, äußerte sich jüngst wie folgt zur Finanzierung der Reform: „Im nächsten Jahr steigen die Ausgaben für die Krankenhausversorgung um über sieben Milliarden Euro. Hinzu kommen die Mehrausgaben aus der Krankenhausreform ab 2027 mit jährlich über drei Milliarden Euro. Hiervon umfasst sind 2,5 Milliarden Euro pro Jahr für den Krankenhaustransformationsfonds, um zehn Jahre lang die Neustrukturierung der Krankenhauslandschaft zu finanzieren.“ Sie betonte dabei, dass der notwendige Auf- und Umbau der stationären Versorgung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sei und damit klar in der Finanzierungsverantwortung des Staates liege und nicht durch GKV-Beitragsmittel bezahlt werden dürfe.

Stoff-Ahnis hält den Transformationsfonds daher für verfassungswidrig und lehnt diesen ab. Auch die Vorstandschefin des AOK-Bundesverbandes, Dr. Carola Reimann, bemängelte in der Vergangenheit mehrfach die Finanzierung des Fonds und bezeichnete die Finanzierung des Krankenhausumbaus als „ein Trauerspiel“, dessen Verliererin die GKV sei.

Der notwendige Auf- und Umbau der stationären Versorgung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und liegt klar in der Finanzierungsverantwortung des Staates.

Die GKV bekommt Schützenhilfe von Beivers, der die Finanzierung des Transformationsfonds auch nicht als originäre Aufgabe der Kassen ansieht. „Der Transformationsfonds ist über Steuermittel zu finanzieren“, erklärt er im Gespräch mit kma. Eine stärkere Beteiligung des Bundes, beispielsweise über einen Bundeszuschuss an den Gesundheitsfonds, lehnt die Bundesregierung ihrerseits ab. Die offizielle Begründung: Der Bund habe keine originäre Zuständigkeit für die Investitionskostenförderung der Krankenhäuser. Inoffiziell ist allen Akteuren bewusst, dass das Finanzministerium keine Steuergelder zur Verfügung stellt, weil die Kassen leer sind. Daher blieb dem Gesundheitsminister kein anderer Weg offen, als die GKV in Haftung zu nehmen.

Dass die Finanzierung des Transformationsfonds jedoch nicht Kassen-Aufgabe ist, hat auch ein Rechtsgutachten ergeben, das Prof. Dagmar Felix von der Universität Hamburg verfasst hat, die Mitglied der Regierungskommission ist. Sie hob darauf ab, dass für gesamtgesellschaftliche Aufgaben Steuermittel nötig seien, nicht Sozialversicherungsbeiträge, die „nach Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts streng zweckgebunden“ seien und nicht zur Finanzierung des allgemeinen Staatshaushaltes verwendet werden dürften. Umso erfreuter zeigten sich die gesetzlichen Krankenkassen, dass der Bundesrechnungshof in seinem jüngsten Bericht an den Haushaltsausschuss die Zweckentfremdung von Beitragsmitteln zur Finanzierung von Krankenhausstrukturen kritisiert hat und auf die Zuständigkeit der Länder verwies.

PKV in Finanzierung einbinden

Zumindest ein Kritikpunkt der GKV scheint lösbar – der der Einbeziehung der Privaten Krankenversicherung (PKV) in die Finanzierung des Fonds. Jüngste Verlautbarungen des BMG geben Grund zu Annahme, dass die PKV bereit ist, sich an den Kosten – anteilig am Prozentsatz ihrer Versicherten – zu beteiligen.

Lauterbachs Parteikollegin Heike Baehrens gab vergangene Woche auf einer Pressekonferenz in Berlin bekannt, dass die PKV Bereitschaft signalisiert habe, ihren Anteil zu leisten und ließ in Richtung PKV verlautbaren: „Wir möchten die PKV verbindlich einladen, sich an diesen Kosten zu beteiligen.“ Gegen eine gesetzliche Verpflichtung zur Einbindung der PKV stünden verfassungsrechtliche Bedenken, gab Baehrens auf Nachfrage zu.

Ministerium verteidigt Pläne

Momentaner Status-Quo ist, dass das Ministerium weiter daran festhält, die GKV-Gelder für den Transformationsfonds heranzuziehen. Was das für die Entwicklung der Beiträge heißt, ist ungewiss. Das Bundesamt für Soziale Sicherung hatte im August erst prognostiziert, dass sich die GKV-Finanzen „noch ungünstiger als bisher angenommen“ entwickeln werden.

Das BMG windet sich bei der Frage nach der Höhe der Beitragssteigerungen in der GKV und antwortet in der Kleinen Anfrage der Union: „Aufgrund der a priori nicht letztgültig abschätzbaren Inanspruchnahme der Mittel des Transformationsfonds durch die antragsberechtigten Länder können vorab keine genauen Analysen der Auswirkungen der Entnahmen auf die finanzielle Situation des Gesundheitsfonds sowie der Zusatzbeitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) vorgenommen werden.“

Es können keine genauen Analysen der Auswirkungen der Entnahmen auf die finanzielle Situation des Gesundheitsfonds vorgenommen werden.

Das Ministerium räumt aber ein, sollten die Kliniken die maximale jährliche Fördersumme in Anspruch nehmen, würden die Krankenkassen wahrscheinlich Zusatzbeiträge zur Deckung ihrer Ausgaben erheben müssen. Das BMG rechne aber nicht mit „substanziellen Auswirkungen auf die Stabilität des Gesundheitsfonds oder der Zusatzbeitragssätze in der GKV“, hieß es aus der Glinkastraße. Bundesgesundheitsminister Lauterbach verteidigte seine Pläne zudem damit, dass dauerhafte Minderausgaben in der GKV die temporären Mehraufwendungen der GKV im Rahmen des Transformationsfonds rechtfertige.

Der Klageweg der GKV steht nach wie vor noch im Raum. Da sich mit der anstehenden Bundestagswahl im kommenden Jahr aber wahrscheinlich die Regierungsverantwortung ändern wird, ist das letzte Wort in der Finanzierungsfrage noch nicht gesprochen. Bis dahin fließt noch viel Wasser die Spree hinunter. Gesundheitsökonom Beivers ist sich sicher, dass der Transformationsfonds in der nächsten Legislaturperiode eine neue Chance bekomme und es so etwas wie ein Sondervermögen Gesundheit geben werde, das zur Finanzierung des Fonds herangezogen werde.

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