
Auf einer Pressekonferenz zur Krankenhausreform am 8. Oktober versprühten die Regierungsfraktionen Einigkeit und sparten nicht an gegenseitigem Lob. Bundesgesundheitsminister Lauterbach, Heike Baehrens (SPD), Dr. Janosch Dahmen (Grüne) und Prof. Andrew Ullmann (FDP) waren sich einig, dass mit dem jetzigen Entwurf vom Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) eine echte Weiterentwicklung gelungen sei und die öffentliche Daseinsvorsorge wieder in den Vordergrund gerückt werde. Statt großer Änderungen sind jedoch in großer Fülle meist kleinere Veränderungen im Gesetzentwurf vorgenommen worden, so die Kritiker.
Öffnung der Krankenhäuser für Facharztversorgung
Bei der Überarbeitung des Gesetzentwurfes gab es laut der Fraktionen Änderungen und Zugeständnisse, allem voran die Öffnung der Krankenhäuser in bestimmten Fällen für die ambulante fachärztliche Versorgung. Sollten sich in nicht zulassungsbeschränkten Regionen künftig binnen von neun Monten keine niederlassungswilligen Fachärzte finden, sei es möglich, an Sicherstellungshäusern, in sektorenübergreifenden Versorgungszentren (Level Ii), aber auch an Bundeswehrkrankenhäusern diese Leistungen durch Fachärzte erbringen zu lassen. Damit soll die sektorübergreifende Versorgung gestärkt und dem Facharztmangel entgegengewirkt werden.
Jedes Krankenhaus muss in Zukunft neben einer ärztlichen ständigen Leitung auch eine pflegefachliche Leitung haben.
Zudem werde die Pflegefachlichkeit in allen Krankenhäusern verankert, so Heike Baehrens, die die Profession Pflege in den Kliniken stärken soll: „Jedes Krankenhaus muss in Zukunft neben einer ärztlichen ständigen Leitung für die fachlich medizinischen Belange auch eine pflegefachliche Leitung für die pflegefachlichen Belange haben.“
Indexjahre auf 2023 und 2024 festgelegt
Nachdem Mitglieder der Regierungskommission und andere Experten schon mehrfach auf mögliche Fehlanreize hingewiesen hatten, sollten – wie im ursprünglichen Gesetzentwurf – die Jahre 2025 und 2026 für die Indexierung der Leistungen herangezogen werden, kommt jetzt der Umschwung. Die künftige Zuweisung der Leistungsgruppen soll auf Basis der Jahre 2023 und 2024 stattfinden. Damit soll vermieden werden, dass Kliniken die Fallzahlen ausweiten, um eine größere Vorhaltepauschale zu erhalten. „Die Fehlanreize des bisherigen Finanzierungssystems werden durch die Reform deutlich minimiert“, ist sich Ullmann in seinem Statement sicher. Bei den Vorhaltepauschalen hat sich sonst nichts geändert: Es werden 60 Prozent der stationären Betriebskosten finanziert, der 20-Prozent-Korridor bleibt unverändert. Auch die 65 Leistungsgruppen sollen wie geplant umgesetzt werden.
Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Dr. Gerald Gaß, bezeichnete die geplante Vorhaltefinanzierung erneut als ein „völlig missratenes bürokratisches Instrument, das weder die Grundversorgungskrankenhäuser in den ländlichen Regionen stabilisiert, noch die Konzentration hochspezialisierter Behandlungen in Zentren fördert.“ Auch die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Dr. Carola Reimann, kritisierte, dass der notwendige Einstieg in die fallunabhängige Vorhaltefinanzierung weiter aufgeschoben werde.
Fair Share: PKV soll Transformationsfonds mitfinanzieren
Die Ampel-Regierung hob gegenüber der Presse hervor, dass die „Bereitschaft“ der Privaten Krankenversicherung (PKV) im Gesetz festgehalten werde, ihren Anteil am Transformationsfonds zu leisten. Die Hälfte des 50-Milliarden-Euro-Fonds soll aus Versichertengeldern finanziert werden. „Wir möchten die PKV verbindlich einladen, sich an diesen Kosten zu beteiligen“, erklärte Baehrens. Sie unterstrich, dass dies auch dem Ansehen der PKV nutzen würde, wenn sich „die PKV an der Verbesserung unserer Krankenhausversorgung beteiligt“. Denn schließlich liege der Anteil der privatversicherten Patienten, die in den Krankenhäusern behandelt werden, bei sieben bis acht Prozent. Man sei zuversichtlich, dass die PKV diese Einladung annehme. Ansonsten wird es schwierig, denn – auch das gab Baehrens zu – eine Verpflichtung zur Beteiligung sei verfassungsrechtlich nicht möglich. Verhandlungen laufen aber bereits.
Der GKV-Spitzenverband begrüßte die Einigung grundsätzlich, mahnte aber neuerlich eine faire Finanzierung an. Eine Mitfinanzierung der PKV scheint hier nicht die Lösung, denn die Finanzierung des Transformationsfonds aus Beiträgen sieht der GKV-Spitzenverband nach wie vor als verfassungswidrig an. Er hält daran fest, dass der Umbau der Krankenhausstruktur aus Steuermitteln finanziert werden müsse.
Wenn die Reform scheitert, kommt es 2025 zu einem beispiellosen Krankenhaussterben.
Die Hoffnung stirbt zuletzt
Bundesgesundheitsminister Lauterbach zeigte sich zuversichtlich, dass das KHVVG noch in diesem Jahr beschlossen wird und auch die „Wahrscheinlichkeit, dass das Gesetz am 22. November den Bundesrat passiert, sehr hoch ist“ und es nicht in den Vermittlungsausschuss müsse. „Wir sind den Ländern in vielen Bereichen entgegengekommen und sind mit ihnen auch stetig in Kontakt gewesen; haben ihre Wünsche berücksichtigt“, erklärte er. Der Minister gab allerdings auch zu, dass der Bund beim Thema Qualität und Spezialisierung keine Zugeständnisse gemacht habe. Die Länder zeigten sich nicht ganz so überzeugt und stören sich nach wie vor daran, dass Lauterbach den von ihnen immer wieder geforderten Öffnungsklauseln und raschen Soforthilfen eine Absage erteilt hat.
Daher bleibt es spannend, wie die Entscheidung am Ende im Bundesrat ausfällt. Baehrens appellierte an die Länder, dem Gesetz zuzustimmen und warnte, dass sich mit dem Anrufen des Vermittlungsausschusses auch die rückwirkende Anhebung der Landesbasisfallwerte die Auszahlung dringend benötigter Finanzmittel für die Kliniken verzögern würde. Der Minister selbst forderte die Länder auf, das Gesetz nicht wegen „einiger kleinteiliger Kritikpunkte“ platzen zu lassen. „Wenn die Reform scheitert, kommt es 2025 zu einem beispiellosen Krankenhaussterben“ und die Länder seien schuld an dieser Insolvenzwelle.
Das sieht DKG-Chef Gaß anders: „Der Beschluss der Ampelkoalition, die Krankenhaus-Reform zwar mit 50 Änderungsanträgen, aber im Endeffekt nur mit marginalen Änderungen durch das Parlament jagen zu wollen, basiert auf dem Prinzip Hoffnung.“ Er bemängelte, dass wesentliche Kritikpunkte am Gesetzentwurf wie die Vorhaltefinanzierung und die fehlende Entbürokratisierung unvermindert bestehen bleiben würden. „Die vorgesehene kleinteilige und überregulierte Definition der neuen Krankenhauslandschaft nimmt den Bundesländern den notwendigen Gestaltungsspielraum in der Krankenhausplanung und wird zu Versorgungslücken gerade im ländlichen Raum führen,“ erklärte er. Gaß plädierte dafür, dass die Länder, „wenn sie ihrer Verantwortung für eine gute Krankenhausplanung und gute Versorgung in allen Bereichen Deutschlands gerecht werden wollen, im Bundesrat durch den Vermittlungsausschuss stoppen und korrigieren müssen“. Auch für die AOK-Vorsitzende Reimann ist es fraglich, ob die Länder dem Gesetz zustimmen werden.
Die kleinteilige und überregulierte Definition der neuen Krankenhauslandschaft nimmt den Ländern den notwendigen Gestaltungsspielraum in der Krankenhausplanung.
Fehlende Auswirkungsanalyse wird kritisiert
Gaß monierte zudem, dass die aktuelle systematische Unterfinanzierung der Krankenhäuser mit nach wie vor mit dem Gesetz nicht beseitigt werde. „Im Gegenteil, die Ampelkoalitionäre setzen in trauter Eintracht auf kalte Marktbereinigung, um aus ihrer Sicht überflüssige Krankenhäuser aus der Versorgung zu drängen“, konterte der DKG-Chef. Der Lauterbachsche Vorwurf: Die Länder müssten sich bei einem Scheitern der Reform die Frage gefallen lassen, wie es zu dieser Insolvenzwelle kommen konnte.
In diesem Zusammenhang kritisierte Gaß zudem, dass nach wie vor die Auswirkungsanalyse fehle. Er titulierte diesen „Blindflug für die Gesundheitsversorgung“ als unverantwortlich. Wann dieses Instrument öffentlich gemacht wird, blieb der Minister gestern weiter schuldig. Es dürfte bis zum Bundestagsbeschluss Ende kommender Woche jedoch kaum vorliegen. Auch die Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz, Kerstin von der Decken (CDU), bedauerte, „dass der Bundesminister eine gute Woche vor Verabschiedung der Reform immer noch nicht die seit langem angekündigte Auswirkungsanalyse vorgelegt hat“. Sie stellte infrage, wie die Bundestagsabgeordneten ihrer Verantwortung gerecht werden und dem Gesetz zustimmen sollen, ohne die konkreten Auswirkungen zu kennen – selbst, wenn das Instrument tatsächlich jetzt noch vor der Abstimmung vorgelegt würde.
Von einer Einigkeit außerhalb der Ampel-Fraktion kann daher bei dieser weitreichenden Reform kaum die Rede sein. Ob die Reform am Ende kommt, bleibt also ein Vabanquespiel. Und das, obwohl sich alle Parteien und Akteure im Grunde nach einig sind, dass es einer Reform bedarf.
Zeitschiene des KHVVG
16.Oktober 2024: Beratung im Gesundheitsausschuss
17.Oktober 2024: Zweite Lesung im Bundestag
18. Oktober 2024: Dritte Lesung im Bundestag
Voraussichtlich 22.11.2024: Befassung mit Gesetzesbeschluss im Bundesrat









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