
Die Deutschen gehen von drohenden Versorgungseinschränkungen durch Prof. Karl Lauterbachs Krankenhausreform aus. In den ostdeutschen Flächenländern, in denen viele Menschen bereits mit Unterversorgung konfrontiert sind, ist der Anteil noch größer. Nur jeder Fünfte glaubt Lauterbachs Versprechen, dass die Krankenhausreform den wirtschaftlichen Druck auf die Krankenhäuser verringert und zu Entbürokratisierung sowie einer besseren medizinischen Versorgung führen wird. Das ist das Ergebnis einer von der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) in Auftrag gegebenen repräsentativen Umfrage. Als Ursache gelten laut der von Vebeto durchgeführten Erhebung zwei Dinge:
- die Mindestvorhaltezahlen (kleinere Kliniken tragen ein höheres Risiko für den Wegfall wesentlicher Teile ihres bisherigen Vergütungsmodells)
- die Vorhaltefinanzierung (wenn kleinere und mittlere Kliniken Leistungsgruppen verlieren, bildet sie keinen wirtschaftlichen Ausgleich)
Es sei daher insbesondere in ohnehin schon schlechter versorgten Regionen mit Abteilungs- und Standortschließungen zu rechnen. Insbesondere die Vorhaltepauschalen stoßen den Befragten sauer auf, da sie ihre bezweckte Wirkung, die Krankenhäuser aus ihrer Fallzahlen-Abhängigkeit zu befreien und die Grundversorgung in ländlichen Regionen zu sichern, verfehlt. Die DKG sieht ihre Einschätzung als „Kollateralschaden“ durch die Studie bestätigt. Aufgrund der Mindererlöse bei steigenden Fallzahlen im Vergleich zum heutigen Finanzierungssystem würden Versorgungskapazitäten auch dort nicht entstehen, wo Versorgung dringend gebraucht wird.
Die Reform kann nicht die Existenz der ländlichen Krankenhäuser sichern, so wie es Karl Lauterbach immer wieder öffentlich versprochen hat.
Die politisch herbeigeführte Konzentration komplexer Behandlungsfälle in Zentren wird laut DKG für die betroffenen Häuser „mit erheblichen Verlusten und ungedeckten Zusatzkosten einhergehen.“ Eine Simulation konnte zeigen, dass etwa 50 Prozent der „umverteilten Patienten“ an Standorte geleitet werden, bei denen die Regelung zu massiven Erlösverlusten im Vergleich zum aktuellen Finanzierungssystem führt. In ökonomischer Hinsicht sei die Aufnahme dieser Patienten nachteilig für diese Krankenhäuser. Es sei zudem sehr wahrscheinlich, dass die zusätzlichen Patientinnen daher erstmal auf Wartelisten landen würden, so die DKG-Kritik.
Ebenfalls zeigen die Studienergebnisse auch, dass ländliche Krankenhäuser weiterhin gefährdet seien. Im neuen Finanzierungssystem hätten diese keine Chance, ihre Erlösverluste durch den politisch gewollten Wegfall einzelner komplexerer Behandlungsangebote zu kompensieren. Karl Lauterbach läge mit seiner Einschätzung daneben. Statt der Vorhaltefinanzierung bräuchte es eine echte Strukturkostenfinanzierung zur Standortsicherung. Die deutschen Krankenhäuser sehen es daher als sehr wahrscheinlich an, dass sich deren schon heute schlechte wirtschaftliche Lage nochmals dramatisch zuspitzen wird,
Problem Mindestfallzahlen
Sollte das KHVVG kommen, würden Mindestfallzahlen bei allen Leistungsgruppen neu eingeführt. Wie die DKG-Studie bestätigt, werden diese an vielen Krankenhausstandorten dazu führen, dass die notwendige Planungssicherheit für die langfristige Etablierung von Leistungsangeboten nicht mehr gegeben ist. Dies stelle gerade für Krankenhäuser in dünner besiedelten Regionen ein hohes Risiko dar in einzelnen Jahren immer wieder unter die Mindestfallzahlen zu rutschen – mit existenzbedrohenden Auswirkungen. Die Betroffenen würden ganzjährig die komplette Vorhaltefinanzierung für diese Leistungsgruppen verlieren mit der Konsequenz, dass eine verlässliche mittel- und langfristige Personal- und Wirtschaftsplanung nicht mehr möglich ist. Für etwa ein Drittel der Standorte führen die Mindestvorhaltezahlen voraussichtlich zu Erlösverlusten zwischen 3 Prozent und 30 Prozent. Ein kleiner Teil der Standorte müsste sogar mehr als 30 Prozent Erlösverlust stemmen.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft verweist auf die gesonderten Abfragen in Kliniken durch das Deutsche Krankenhausinstitut (DKI), die sich die gegenüber dem NRW-Konzept verschärften Personal- und Strukturvorgaben der neuen Leistungsgruppen angesehen haben. 60 Prozent der Regel- und Schwerpunktkrankenhäuser gehen davon aus, dass sie die hohen Personalvorgaben nicht erfüllen können und deshalb bisherige Behandlungsangebote nicht mehr anbieten dürfen. Bei den Grundversorgungskrankenhäusern sind es sogar mehr als 80 Prozent der Kliniken. Die Konsequenz: massive Erlösverluste, die durch die neue Vorhaltefinanzierung nicht aufgewogen werden. Fast alle Grund-, Regel- und Schwerpunktkrankenhäuser gehen davon aus, höhere Kosten als Einnahmen zu haben. Laut DKG sei daher klar, „dass auch diese neuen Personalvorgaben zwingend dazu führen werden, dass kleinere und mittelgroße Klinikstandorte Leistungsangebote in der Patientenversorgung schließen müssen.“ Daruf hätte auch die Landeskrankenhausplanung keine Auswirkungen, da ihnen der Gestaltungsspielraum fehlt.
Dr. Gerald Gaß, DKG-Vorsitzender, kommentiert: „Die Vebeto-Untersuchung und auch die DKI-Abfrage sind letzte Weckrufe an die Länder aber auch die Verantwortlichen in der SPD, die in zentralen Bereichen untaugliche Krankenhausreform am 22. November in den Vermittlungsausschuss des Bundesrats zu überweisen.“ Die Länder und ihre Regierungen müssten am Ende für Klinikschließungen und weiße Flecken auf der Kliniklandkarte geradestehen. Die aktuelle Regierungskrise dürfe kein Grund sein, dass die Länder nun diese in weiten Teilen untaugliche Reform durch den Bundesrat winken. „Die Kollateralschäden der Reform sind vorhersehbar und dürfen bei der Entscheidung im Bundesrat nicht ignoriert werden.“
Die Wünsche der Bevölkerung an die Krankenhauslandschaft
Nur 15 Prozent der Menschen teilen die Ansicht von Gesundheitsminister Lauterbach, dass regionale Krankenhäuser ohne Versorgungseinbußen geschlossen werden könnten. Besonders gering ist dieser Anteil bei den über 65-Jährigen, hier stimmen nur knapp 13 Prozent zu. Hohen Wert legen die Deutschen auf die Erreichbarkeit einer Klinik, sollte ein Notfall eintreten. Über 50 Prozent der Befragten hält eine Fahrzeit von mehr als 15 Minuten für nicht akzeptabel. Nur fünf Prozent können sich noch vorstellen, mehr als 30 Minuten bis zum nächsten Krankenhaus zu brauchen.









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