
Notaufnahmen sind vielerorts am Limit. Denn es finden sich dort nicht nur durch echte Notfälle ein, sondern auch häufig Patienten mit ambulant behandelbaren Beschwerden. Insbesondere das Verhältnis zwischen dem ambulanten vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst (ÄBD) der Kassenärztlichen Vereinigungen und der stationären Notfallversorgung ist dabei nicht nur auf Patientenseite häufig unklar, was in der Praxis zu Vergütungsstreitigkeiten und auch vermeidbaren Haftungsrisiken durch fehlerhaftes Patientenmanagement in Zeiten hoher Patientenzahlen führt. Der Beitrag beleuchtet die rechtlichen Grundlagen und gibt Impulse, wie Krankenhäuser mit diesen Herausforderungen strategisch umgehen können.
1. Schnittstelle: Vertragsärztlicher Notdienst vs. ambulante/stationäre Notfallversorgung
Die Aufteilung zwischen ambulanten und stationären Versorgungsstrukturen ist historisch gewachsen. Die bis dato unzureichende Verzahnung zwischen beiden führt jedoch regelmäßig zu Fehlallokationen von Patienten, unnötiger Inanspruchnahme stationärer Kapazitäten und Streitigkeiten im Bereich der Vergütung. Die rechtliche Trennung ergibt sich im Wesentlichen aus dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).
Die nicht operative ambulante Versorgung von Patienten ist grundsätzlich nicht Aufgabe des Krankenhausträgers, sondern Aufgabe von Kassen- und Vertragsärzten. Die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) ist gesetzlich verpflichtet, eine flächendeckende medizinische Versorgung auch außerhalb der Sprechzeiten sicherzustellen. Der medizinische Notdienst ist (Ärztlicher Bereitschaftsdienst – ÄBD) für die kassenärztliche Versorgung außerhalb der regulären Praxiszeiten zuständig.
Demgegenüber darf eine Krankenhausbehandlung nur dann auf Kosten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erbracht werden, wenn sie „erforderlich“ ist. Die Wahlfreiheit gesetzlich Versicherter ist im Hinblick auf die Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen grundsätzlich auf zugelassene Vertragsärzte sowie ermächtigte Leistungserbringer beschränkt. Abweichendes gilt für den Fall von medizinischen Notfällen. In solchen Situationen eröffnet das Gesetz den Versicherten die Möglichkeit, auch solche Ärzte bzw. Einrichtungen in Anspruch zu nehmen, die nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung sind, einschließlich der unmittelbaren Inanspruchnahme eines Krankenhauses.
Ambulante Behandlungen im Krankenhaus nur im Notfall
Ein Notfall liegt vor, wenn eine dringende Behandlungsbedürftigkeit besteht und ein Vertragsarzt mangels Erreichbarkeit, Umfang des Teilnahmerechts, Qualifikation oder eigener Bereitschaft, zur Behandlungsübernahme nicht rechtzeitig zur Verfügung steht. Dringende Behandlungsbedürftigkeit wird angenommen, wenn aus einer ex-ante Betrachtung heraus ohne sofortige Behandlung Gefahren für Leib und Leben bestehen oder Schmerzen unzumutbar lange dauern würden.
Es gilt somit, dass Krankenhäuser nur im Notfall ambulante Behandlungen vornehmen dürfen. Die Entscheidung über eine medizinisch notwendige stationäre Aufnahme (stationäre Notfallversorgung bzw. Krankenhausbehandlung) hat im Rahmen der Notfallbehandlung der untersuchende Arzt zu treffen und festzustellen, denn diese ist nicht bereits mit der Vorstellung eines Versicherten in der Notfallambulanz bzw. Notaufnahme zu bejahen.
Allein der Wunsch eines GKV-Patienten nach einer ambulanten Behandlung im Krankenhaus, verbunden mit der Geltendmachung akuten Behandlungsbedarfs stellt zu Zeiten regulärer vertragsärztlicher Sprechstunden somit keinen Notfall dar.
2. Abgrenzung ambulante und stationäre Notfallbehandlung im Krankenhaus
Die präzise Unterscheidung zwischen der ambulanten und stationären Notfallversorgung hat wiederum erhebliche praktische und rechtliche Konsequenzen im Hinblick auf Abrechnungsfragen und Wirtschaftlichkeitsprüfungen. Krankenhäuser stehen daher vor der Herausforderung, die Einordnung jeder Notfallbehandlung rechtlich korrekt und nachvollziehbar zu dokumentieren.
Für die rechtliche Einordnung der Notfallversorgung ist maßgeblich, ob eine Aufnahme in das Krankenhaus tatsächlich erfolgt ist. Entscheidend ist dabei nicht allein der medizinische Befund, sondern die organisatorische Eingliederung des Patienten in das Versorgungssystem des Krankenhauses, etwa durch Zuweisung eines Bettes, die Einweisung auf eine Station oder die Erstellung entsprechender Aufnahmeunterlagen.
Die Aufnahme muss nicht ausdrücklich erklärt werden, sondern kann sich auch konkludent aus dem tatsächlichen Behandlungsverlauf ergeben. Auch bei Einlieferung durch den Rettungsdienst ist eine ärztliche Aufnahmeentscheidung erforderlich. Von einer vollstationären Krankenhausbehandlung ist regelmäßig erst dann auszugehen, wenn nach ärztlicher Prognose eine ununterbrochene Versorgung über mindestens einen vollen Kalendertag erforderlich ist.
Ambulante Notfallbehandlung und Aufnahmeuntersuchung nicht immer abgrenzbar
Die ambulante Notfallbehandlung und die Aufnahmeuntersuchung lassen sich jedoch nicht immer trennscharf voneinander abgrenzen. Maßnahmen der medizinischen Erstversorgung stellen regelmäßig noch keine stationäre Notfallversorgung dar.
Erfolgt beispielsweise die Einlieferung eines Patienten mit dem Rettungswagen wegen neurologischer Auffälligkeiten und eine Erstdiagnostik inkl. Erstversorgung, handelt es sich um eine fortgesetzte ambulante Notfallbehandlung, wenn im Anschluss die Weiterverweisung an ein anderes Krankenhaus erfolgt und die Erstversorgung nur dazu diente, den Zustand des Patienten zu stabilisieren.
Der Schockraum stellt innerhalb der Notaufnahme eine zentrale Versorgungsstruktur zur Erstdiagnostik und Akutversorgung dar. Trotz seiner besonderen Ausstattung ist die dort erbrachte Leistung grundsätzlich der stationären Notfallversorgung vorgeschaltet und dient primär der diagnostischen und prognostischen Einordnung des Patienten.
Damit stellt rechtlich betrachtet die Behandlung im Schockraum auch noch keine vollstationäre Krankenhausaufnahme dar. Solange die Entscheidung zur stationären Aufnahme noch nicht getroffen wurde, handelt es sich unabhängig vom medizinischen Aufwand um eine ambulante Notfallbehandlung, mit den vergütungsrechtlichen Konsequenzen.
Transparente Dokumentation ist essenziell
Für Krankenhausleitungen und ärztliche Entscheidungsträger bedeutet dies, dass für die Abrechenbarkeit von DRG-Leistungen im Rahmen der Notfallbehandlung der dokumentierte Nachweis einer stationären Aufnahme stets entscheidend ist, auch dann, wenn z.B. bereits im Schockraum erheblicher Personal- und Ressourceneinsatz erfolgt ist. Wird in einer ambulanten Notfallbehandlung festgestellt, dass eine stationäre Aufnahme notwendig ist, bleibt die bis dahin erfolgte Behandlung trotzdem eine ambulante Leistung und ist entsprechend zu vergüten.
Die korrekte Zuordnung ambulanter Notfall-Fälle ist somit vergütungsrechtlich hoch relevant. Eine transparente Dokumentation des Behandlungsverlaufs und der Entscheidungsgründe (ambulant vs. stationär) ist somit essenziell.
3. Kooperationsverträge zwischen Krankenhaus und Kassenärztlicher Vereinigung
Kooperationsverträge zwischen Krankenhäusern und der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) sind für eine sektorenübergreifende Notdienst- und Notfallversorgung unverzichtbar. In der vertraglichen Umsetzung dieser notwendigen Kooperation zeigen sich jedoch regelmäßig rechtliche Herausforderungen, da beide teils unterschiedliche Ziele verfolgen.
Die Abgrenzung zwischen ambulantem ärztlichem Bereitschaftsdienst und Notfallversorgung ist, wie zuvor beschrieben, häufig unscharf. So finden sich in den Verträgen Klauseln, die etwa festlegen, dass alle gehfähigen Patienten ohne lebensbedrohliche Symptome an den ärztlichen Notdienst zu verweisen sind.
Unklare Formulierungen führen zu Zuständigkeitsproblemen
Sind solche Verträge regulatorisch unsauber formuliert, führt dies in der Praxis häufig zu Zuständigkeitsproblemen mit der Folge von vermeidbaren Haftungsrisiken. Patienten werden von der Notaufnahme zum ärztlichen Notdienst und zurück in die Notaufnahme geschickt, und verlassen im „Worstcase“ das Krankenhaus unbehandelt.
Krankenhäuser stellen Infrastruktur, Technik und teilweise Personal zur Verfügung, die Nutzung gemeinsamer Ressourcen ist oftmals aber nicht eindeutig geregelt. Bei gemeinsam betriebenen Einrichtungen ist häufig zudem nicht klar geregelt, wer bei Fehlern haftet oder für die Einhaltung medizinischer Standards verantwortlich ist. Eine wirtschaftliche und erfolgreiche Kooperation zwischen beiden Versorgungsstrukturen setzt somit neben guter Organisation auch rechtssichere und klar strukturierte vertragliche Regelungen voraus.
4. Fazit für die Praxis
Eine korrekte Einordnung und Zuweisung des Patienten in die zutreffende Versorgungsstruktur und insbesondere die Abgrenzung zwischen ambulanter und stationärer Notfallversorgung ist für Krankenhäuser von zentraler Bedeutung, sowohl zur Vermeidung haftungsrechtlicher Risiken als auch für eine wirtschaftlich tragfähige Abrechnung.
Die entscheidende Stellschraube ist stets die dokumentierte Aufnahmeentscheidung. Kooperationsverträge müssen zudem klar regeln, wer wann wofür zuständig ist, um Risiken zu vermeiden. Eine weiterhin wirtschaftlich tragfähige Notfallversorgung lässt sich nur durch rechtlich klar geregelte Prozesse und strukturierte Schnittstellen betreiben.
Die geplante Reform der Notfallversorgung, die am 17. Juli 2024 vom Bundeskabinett beschlossen, jedoch vor der Bundestagswahl nicht abgeschlossen wurde, zielt auf eine effizientere Patientensteuerung und Entlastung der Notaufnahmen ab. Ob und wann das Verfahren wieder aufgenommen wird und ob die Reform tatsächlich das gewachsene Schnittstellenproblem löst, ist jedoch umstritten.








Derzeit sind noch keine Kommentare vorhanden. Schreiben Sie den ersten Kommentar!
Jetzt einloggen