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Kommunaler Defizitausgleich„Wird schlechtes Management belohnt, Herr Horneber?“

Agaplesion klagt gegen die Stadt Frankfurt am Main. Mit kma spricht Agaplesion-Chef Dr. Markus Horneber über Wettbewerbsverzerrung, ungleiche Behandlung von Trägern durch Kommunen, üppige Subventionen – und vorbildliche kommunale Kooperationen.

Dr. Markus Horneber
Samira Schulz / Agaplesion
Dr. Markus Horneber ist Chef von Agaplesion, Deutschlands größtem christlichen Krankenhausträger.

Der Klinikkonzern Agaplesion sieht im hohen Verlustausgleich für das städtische Klinikum Höchst eine Wettbewerbsverzerrung. Deshalb klagt er gegen die Stadt Frankfurt am Main. Agaplesion-Vorstandsvorsitzender Dr. Markus Horneber spricht mit kma über ungleiche Behandlung von Trägern durch Kommunen, ausufernde Subventionen – und vorbildliche kommunale Kooperationen.

Herr Dr. Horneber, Sie klagen gegen die Stadt Frankfurt auf Unterlassung einer Verlust-Übernahme für ein kommunales Klinikum. Ist es nicht Aufgabe eines Trägers, die Aufrechterhaltung sozialer Infrastruktur zu sichern?

Dr. Horneber: Die eigentliche Frage ist doch, wie lange und in welchem Ausmaß unterstütze ich als Gesellschafter mein Krankenhaus?

Würde der Agaplesion-Verbund angeschlagenen Verbund-Häusern nicht auch zu Hilfe kommen?

Im Agaplesion-Verbund wissen alle Geschäftsführer, dass eine Subventionierung auf Dauer durch die Gruppe nicht möglich ist. Wenn es nicht mehr anders geht und eine tragfähige ökonomische Perspektive nicht gefunden werden kann, dann schließen wir auch ein Haus.

Ist das bereits passiert?

Das haben wir leider beispielsweise in Holzminden so machen müssen. Als eine verantwortbare wirtschaftliche Lösung für das evangelische Krankenhaus dort nicht gefunden werden konnte, mussten wir in die Insolvenz gehen. Der Insolvenzverwalter hat das Krankenhaus schließlich auch geschlossen. Wir können es nicht leisten, für ein einzelnes Haus langfristig jedes Jahr Verluste von fünf Millionen Euro zu schultern.

Dr. Markus Horneber ist seit April 2012 Vorstandsvorsitzender der Agaplesion gAG mit Hauptsitz in Frankfurt am Main. Davor war er unter anderem Kaufmännischer Geschäftsführer der Klinikum Chemnitz gGmbH. Markus Horneber hat in Nürnberg Betriebswirtschaft studiert und ist Diplom-Kaufmann. Nach dem Studium promovierte er zudem in Nürnberg im Fach Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (Dr. rer. pol.).

Wann kann der Verbund helfen?

Wenn wir ineffiziente Strukturen vorfinden, müssen wir aus eigener Kraft investieren – auch in Neu- und Umbauten. In Schaumburg etwa haben wir drei Häuser zusammengelegt und für den erforderlichen Neubau alles in allem 165 Millionen Euro aufgebracht, davon hat das Land 95 Millionen Euro Einzelfördermittel gewährt. Auch die neue Organisation hat noch einmal Millionen gekostet. Solche Umstrukturierungen kosten richtig Geld. Wenn aber die Strukturen schlecht sind, helfen Neubauten allein auch nicht. Auch jeder Umzug ist enorm teuer, hinzu kommen die Kapitalkosten für etwaige Kredite.

Es mangelt vielen kommunalen Trägern oft am professionellen Umgang mit wirtschaftlichen Problemen.

Worin sehen Sie im Falle des verschuldeten Klinikums in Höchst, welches von der Stadt Frankfurt durch die Übernahme von 48 Millionen Euro Schulden gerettet werden soll, die Wettbewerbsverzerrung?

Ein wesentliches Problem am Umgang kommunaler Träger mit ihren teilweise defizitären Häusern ist aus meiner Sicht, dass es oft am professionellen Umgang mit wirtschaftlichen Problemen mangelt. Diese wirtschaftlichen Probleme haben wir jedoch alle – und natürlich waren und sind die Rahmenbedingungen schwierig. Aber es wurde in der Vergangenheit versäumt, Rücklagen aufzubauen, die es beispielsweise ermöglichen, Liquiditätsengpässe durch verzögerte Pflegebudgets oder steigende Energie- und Sachkosten aufzufangen und zu überbrücken. Natürlich ist Energie teurer geworden – dennoch muss teilweise vor Ort auch sehr schlecht eingekauft und verhandelt worden sein. Aktuell haben wir in der gesamten Branche eine Unterdeckung durch hohe Tarifsteigerungen. Ich gehe aber davon aus, dass diese durch Anpassungen des Landes-Basisfallwertes ab 2025 wieder gedeckt sind.

 Was uns an der Situation in Frankfurt besonders ärgert: Das hoch subventionierte Klinikum nutzt diese Subventionen, um uns mit hohen Gehaltsofferten Mitarbeiter abzuwerben.

Warum eigentlich Frankfurt?

Die beiden Häuser – das Klinikum Höchst und unser Agaplesion-Haus – sind gut vergleichbar. Was uns an der Situation in Frankfurt aber besonders ärgert ist, dass das hoch subventionierte Klinikum diese Subventionen nutzt, um uns mit hohen Gehaltsofferten Mitarbeiter abzuwerben. Aus den Taschen der Frankfurter Steuerzahler wird schlechtes Management ausgeglichen. Ein Arsenal von Steuermitteln ersetzt die Arbeit an den Prozessen.

Agiert die Kommune einseitig zugunsten ihres eigenen Hauses?

In unseren Agaplesion Frankfurter Diakoniekliniken werden Frankfurter Bürger behandelt, zum Beispiel 40 Prozent aller Herzinfarkt-Patienten. Die Stadt ist für die Gesundheitsversorgung aller ihrer Bürger verantwortlich, nicht nur für diejenigen, die sich in städtischen Einrichtungen behandeln lassen. Die 48 Millionen Euro, welche die Stadt in den verschuldeten Klinikverbund steckt, stehen für andere wichtige Leistungen nicht mehr zur Verfügung: für Schulen, Kindergärten oder Jugendzentren. Die Kommunen stehen finanziell massiv unter Druck und müssen sich selbst hoch verschulden.

Die Subventionspraxis der öffentlichen Hand verletzt den Gleichbehandlungsgrundsatz.

Wie sind die Rückmeldungen Ihrer Mitarbeiter den Frankfurter Diakoniekliniken?

Unsere Mitarbeiter empfinden die Situation als ungerecht. Chefärzte haben mich angesprochen. Unsere Mitarbeiter sagen: ‚Wir müssen doch auch mit Schwierigkeiten umgehen, wir müssen es doch auch schaffen. Für uns ist das genauso anstrengend.‘ Bei Agaplesion werden keine einfacheren Fälle behandelt, der Case-Mix unseres Hauses ist mindestens ebenbürtig. Wir unterhalten beispielsweise eine große Geriatrie. Die Subventionspraxis der öffentlichen Hand verletzt den Gleichbehandlungsgrundsatz. Das Krankenhausgesetz (KHG) verpflichtet ausdrücklich zu Trägerpluralität. Nach den Vorgaben der hessischen Gemeindeordnung müssen Kommunen ihre Unternehmen nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten verwalten.

Wie entwickelt sich Ihre Klage und rechnen Sie sich tatsächlich Chancen aus, diesen Rechtsstreit zu gewinnen?

Wir haben die Klage im März eingereicht, im Juli erwarten wir eine Klageerwiderung. Realistisch betrachtet rechne ich mit einem längeren Zeitraum, wenn wir uns an Berlin orientieren. Dort warteten die Kläger sieben Monate auf eine Antwort des Senats (In Berlin hatte das Klinikbündnis rund um die DRK Kliniken Berlin Köpenick Klage gegen das Land Berlin eingereicht, wegen „eklatanter Benachteiligung“. Anlass waren millionenschwere Sonderzahlungen an den kommunalen Klinikkonzern Vivantes. Anm. der Redaktion.). Ich hoffe schon, dass es in Frankfurt etwas schneller geht. Wir glauben, wir haben eine gute Chance, den Rechtsstreit zu gewinnen beziehungsweise Recht zu bekommen. Aber es geht uns nicht allein um die juristische Auseinandersetzung. Wir wollen für die Problematik auch Aufmerksamkeit und ein Bewusstsein schaffen.

Mit 1,8 Milliarden Euro Umsatz (2023) ist Agaplesion der größte christliche Klinikkonzern in Deutschland. Zum evangelischen Klinikverbund gehören bundesweit mehr als 100 Einrichtungen, darunter 22 Krankenhausstandorte mit 6 443 Betten, 39 Wohn- und Pflegeeinrichtungen mit 3 524 Pflegeplätzen, fünf Hospize, 34 Medizinische Versorgungszentren, sieben Ambulante Pflegedienste und eine Fortbildungsakademie. Darüber hinaus bildet Agaplesion an 15 Standorten im Bereich Gesundheits- und Krankenpflege aus und beschäftigt 22 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Pro Jahr versorgen die Einrichtungen der gemeinnützigen Aktiengesellschaft mehr als eine Million Patienten. Alleinige Aktionäre der Agaplesion gAG sind Diakoniewerke und Kirchen. Das Unternehmen beschreibt sich selbst als fest in der Diakonie verwurzelt.

Erwarten Sie Konsequenzen für künftige Finanzierungsentscheidungen bei Krankenhäusern in öffentlicher Trägerschaft?

Das Beispiel Berlin zeigt, dass unsere Klage in Frankfurt kein Einzelfall ist. Wir registrieren schon, dass die Kommunen zumindest in der Kommunikation bereits vorsichtiger geworden sind.

In Darmstadt laufen Verhandlungen über ein Zusammengehen des städtischen Klinikums mit dem Agaplesion-Haus Elisabethenstift. Sind die Verhandlungen in Darmstadt womöglich bereits Ergebnis einer veränderten Einschätzung?

Die Gespräche in Darmstadt führen wir schon längere Zeit. Aktuell läuft eine Due-Diligence. Wir sondieren die Idee einer Holding, an der künftig beide Träger zu 50 Prozent beteiligt sind. Für die Versorgung und das Versorgungsangebot wäre es eine großartige Lösung. Es entstünde eines der größten Krankenhäuser in der Region mit etwa 1 200 Betten. Die Verhandlungen laufen sehr konstruktiv. Aber konzeptionell muss es natürlich passen.

Könnte das Projekt Vorbildcharakter für künftige Zusammenschlüsse von kommunalen und freigemeinnützigen Häusern haben?

Ja, denn bei der angestrebten Holding liegt die Lösung im Zusammenschluss und in der Konzentration von Leistungen. Jeder macht das weiter, was er besonders gut kann und zusätzlich wird Expertise zusammengelegt. In vielen Regionen sehen wir genau unseren Fall, dass kommunale und freigemeinnützige Krankenhäuser nah beieinander liegen. Das städtische Klinikum Darmstadt ist etwa zweieinhalb Mal größer als das Agaplesion-Elisabethenstift. Der Agaplesion-Verbund ist aber neun Mal größer als das Klinikum Darmstadt allein. Durch ein Zusammenwirken im Verbund erzielen beide Partner einen großen Zuwachs an Expertise: Unsere Chefärzte und viele andere Berufsgruppen tauschen sich in einrichtungsübergreifenden Expertenboards aus. Und wir profitieren von weiter verbesserten Einkaufskonditionen.

Bei Zusammenschlüssen geht häufig ein Haus im anderen auf …

Richtig, bei Zusammenschlüssen geht zumeist ein Haus in dem anderen auf. Die in Darmstadt angedachte gemeinsame Holding ist jedoch anders und deswegen nicht alltäglich. Allerdings sind wir noch lange nicht auf der Zielgeraden. Wichtige Fragen müssen noch geklärt werden, es gibt noch einige Knackpunkte, u.a. kartellrechtliche Themen.

Im Augenblick geistern bei der Klinikreform zu viele verschiedene Vorschläge durch die Welt.

Was erhoffen Sie sich von der Krankenhaus-Finanzierungsreform und wie beurteilen Sie die verbreitete Kritik am Klinikatlas?

Wir haben zweifellos zu viele Krankenhäuser in Deutschland und es ist wichtig und richtig, das Angebot stärker dem Bedarf anzupassen. Doch dieser Prozess, wirtschaftlich nicht tragfähige Kliniken vom Netz zu nehmen, darf nicht planlos und zufällig sein, sondern bedarf der Steuerung. Im Augenblick geistern zu viele verschiedene Vorschläge durch die Welt. Das verunsichert nicht zuletzt auch die Mitarbeiter. Für den Klinikatlas wird ein enormer Aufwand getrieben. Dennoch ist er in der ersten vorgelegten Fassung unvollständig und dadurch irreführend, unseriös und fehlerhaft. Manche unserer Abteilungen kommen gar nicht vor. Das ganze Konzept ist nicht zu Ende gedacht. Dennoch ist es jetzt in der Welt, und wir sind damit beschäftigt, für unsere Kliniken die Fehler zurückzumelden.

Wie stehen Sie generell zur geplanten Reform?

Einige Punkte, die die Reform in Angriff nehmen will, sind durchaus richtig. Allerdings sind etliche Reformideen nicht neu, vieles gibt es bereits seit Langem. So müssen Krankenhäuser seit Jahren Mindestmengen einhalten. Es gibt Strukturvorgaben für die Qualität und wir kennen Sicherstellungszuschläge für bedarfsnotwendige Häuser. Es sind aktuell zu viele Bälle in der Luft, es wird an zu vielen Schrauben gleichzeitig gedreht. Dadurch gehen Planbarkeit und Verbindlichkeit verloren. Es wird am offenen Herzen operiert.

Alle reden von Krise. Wie verläuft denn aktuell die wirtschaftliche Entwicklung der Agaplesion-Gruppe und was sind Ihre wichtigsten Ziele für das laufende Jahr?

Die Leistungsentwicklung in unseren Häusern ist sehr gut – Patienten nehmen unsere Angebote an und wir erfüllen weitgehend die mittlerweile enorm differenzierten Personalschlüssel. Offenbar empfinden unsere Mitarbeiter die Arbeitsbedingungen in der Gruppe als attraktiv. Wie haben verhältnismäßig wenig Nachwuchssorgen und versuchen, die Inanspruchnahme von Leiharbeit zu reduzieren. Für das Jahr 2023 werden wir im Verbund ein positives Ergebnis von rund 800 000 Euro ausweisen. Wir sind trotz des schwierigen zurückliegenden Jahres wirtschaftlich gut aufgestellt, vor allem im Bereich der Liquidität, was aktuell besonders wichtig ist. Das laufende Jahr wird vor dem Hintergrund von Kostensteigerungen von zehn Prozent über alle Bereiche hinweg noch einmal herausfordernder und wir werden es nicht schaffen, an allen Standorten ein positives Ergebnis zu erreichen. Allerdings rechnen wir damit, dass der Landes-Basisfallwert für 2025 die Preisentwicklung entsprechend gewichten wird.

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