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Der kma Entscheider-Blog

kma Entscheider BlogGefährliche Entwicklungen in der Personalbemessung

Im Zuge der Pflegepersonal Untergrenzen Verordnung (PPUGV) wird schon länger diskutiert, wie man einen realistischen und bedarfsgerechten Personalschlüssel bestimmen kann. Jetzt droht im Zuge der Ausgliederung der Pflegekosten aus dem DRG System eine Rückentwicklung der Pflegeberufe.

Florian Bechtel
Peter Bechtel
Florian Bechtel, Gesundheits- und Krankenpfleger und Mitglied bei Hashtag Gesundheit e.V.

Seit einiger Zeit gibt es nun die berüchtigten Pflegepersonaluntergrenzen. Berichte von positiven Auswirkungen sind mir bisher nicht bekannt. Vom Verschiebebahnhof Pflege ist oft die Rede, da Kollegen aus „nicht pflegesensitiven Bereichen“ in solche verschoben werden, wo die PPUGV greift. Die Folge ist zum einen verschärfter Personalmangel in den abgebenden Bereichen und zum anderen Unzufriedenheit in den aufnehmenden Bereichen. Insbesondere auf Intensivstationen sind die aktuellen Grenzwerte eher ein Anreiz Personal abzubauen, da die entsprechenden Stationen meist die von Fachgesellschaften empfohlene 2:1 Betreuung zu realisieren versuchen.

Ohne sinnvolle Instrumente keine sinnvollen Untergrenzen

Um wirksame Untergrenzen festlegen zu können, braucht es ein Personalbemessungsverfahren, dass sich am tatsächlichen Pflegebedarf und – aufwand des jeweiligen Patientenklientels orientiert und gleichzeitig die Vielfältigkeit der Pflege abbilden kann. Denn auch z.B. Stationsleitungen leisten einen wichtigen Beitrag zur Qualitätsentwicklung, auch wenn sie nicht direkt am Patienten arbeiten. Sie werden jedoch momentan als Pflegekraft „am Bett“ in die Untergrenzen gerechnet.

Das Paradoxe daran ist jedoch, dass nur die Pflege direkt am Patienten aus den DRGs ausgegliedert werden soll und dementsprechend anhand der Ist-Kosten vergütet wird. Die Gefahr ist, dass insbesondere Stellen im Case Management sowie beim Assistenz- und Hilfspersonal wegfallen, da diese nach momentanem Stand aus der Rest-DRG verhandelt werden müssten. Man muss kein Prophet sein, um zu sehen, dass der Anreiz groß ist, die Aufgaben der genannten Berufsgruppen auf das Pflegepersonal zu verteilen. Wenn das passiert, wäre das nicht nur kein Fortschritt, sondern ein gewaltiger Rückschritt für die Pflegeberufe und die Versorgungsqualität.

Neue Verfahren brauchen valide Daten

Neue Ansätze für Bemessungsinstrumente gibt es bereits. Sie erfordern jedoch initial einen recht großen Aufwand. Die Idee ist, den Pflegeaufwand aus den bestehenden Pflegedokumentationssystemen abzuleiten, sodass im Gegensatz zu vergangenen, wie der Pflegepersonal-Regelung (PPR) oder aktuellen Verfahren wie PKMS kein bedeutender Mehraufwand an Dokumentationsarbeit entsteht. Die Digitalisierung bietet hier gewaltige Chancen. Gleichzeitig braucht es jedoch Investitionen im Bereich Pflege-IT und die flächendeckende Ausbreitung entsprechender Ausbildungsgänge. Die gewonnen Daten zum Pflegeaufwand lassen sich zu einem Pflegeerlöskatalog weiterentwickeln, anhand dessen sinnvolle Personalschlüssel generiert werden könnten.

Sicher ist, dass es keine Patentlösung für das Problem gibt. Es gibt auch in anderen Ländern keine flächendeckend ausgerollten Ansätze zur Personalbemessung. In Deutschland gibt es momentan zu wenig valide Daten, auf deren Grundlage sich ein System etablieren ließe. Ohne diese Daten drohen sowohl die Personaluntergrenzen als auch die Ausgliederung der Pflegekosten zum Nachteil der Pflegenden und der Patienten zu werden.

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