
Vor allem aus Kriegs- und Besatzungszeiten sind uns Kollaborationen bekannt. Die Verbrüderung mit dem Feind und ideelle Zusammenschluss sind eine alterprobte Methode, wenn einzelnen Parteien im System über nicht ausreichende Ressourcen verfügen. Heute stehen Krankenhäuser vor der ewigen Diskussion, die Transformation nicht nur als notwendig zu erkennen, sondern auch mit allen Konsequenzen durchzuführen. Doch wie, wenn die entsprechenden Mittel fehlen? In der aktuellen Situation sind Kollaborationen der gallische Zaubertrank, die Wunderwaffe sozusagen, die für ein neues Kräftegleichgewicht sorgt.
Freund oder Feind?
Der Wettbewerb zwischen einzelnen Krankenhäusern ist vor allem regional in vielen Teilen Deutschlands sehr hoch. Es besteht ein Konkurrenzkampf um Patienten. Doch nicht nur andere Krankenhäuser sollten wir im Blick haben. Der heutige Fachkräftemangel zeigt: wenn es um den „War for Talents“ geht sind lokale, namenhafte Unternehmen plötzlich eine ernstzunehmende Konkurrenz. Warum und vor allem wie kann nun eine Kollaboration aussehen? Widmen wir uns zunächst dem Zusammenschluss zwischen Krankenhäusern. Spätestens in der Corona-Krise hat man sich gefragt: muss jedes Krankenhaus in der Lage sein Corona-Patienten aufzunehmen?
Jede Normal- und Intensivstation musste plötzlich in der Lage sein, COVID-19-Patienten aufzunehmen und zu behandeln. Da stellt sich doch die Frage, ist das sinnvoll? Muss ein kleiner Grund- und Regelversorger sich tatsächlich mit der komplexen Behandlung auseinandersetzen oder ist es sinnvoller in einem bestimmten Radius Corona-Zentren in einzelnen Krankenhäusern höherer Versorgungsstufen einzurichten? Umgekehrt tragen die kleineren Kliniken ihren Teil dazu bei, indem sie leichte Fälle bei sich aufnehmen und so alle Kapazitäten optimal genutzt werden. Für einige Krankenhäuser ist dieses Vorgehen eine absolute Selbstverständlichkeit, für andere undenkbar. Sicherlich gibt es auch hier Hindernisse. Aber man hätte sich sicherlich viele verunsicherte und überlastete Krankenhausmitarbeiter gespart, die in ihrem Knowhow und ihren Kapazitäten nicht für diese herausfordernde Situation bereit waren. Und am Ende leidet nicht nur die Organisation, sondern auch irgendwann der Patient.
Best Practise: Ford und Uniklinik Köln
Das Ford-Werk in Köln hat mit dem Ford Fiesta ein Aushängeschild. Nicht das Fahrzeug selbst ist besonders, sondern die finanzielle Struktur dahinter. Da die Produktion fast ausschließlich in Deutschland erfolgt, sind zum Beispiel die Lohnkosten im Vergleich zu anderen im Ausland produzierenden Herstellern sehr hoch. Parallel ist die Marge nicht besonders attraktiv. Und genau hier greift das Ford-Phänomen. Wie Focus Online 2017 feststellte, ist der Ford der profitabelste Autokonzern, auch wenn das Unternehmen bei der Anzahl an Verkäufen nur auf Platz fünf lag. Natürlich spielen in diese Statistik sämtliche Fahrzeugklasse rein, aber betrachtet man den Fiesta aus Köln isoliert, ist dort das gleiche Phänomen zu erkennen. Wie kann das sein? Das Werk hat seine Prozesse und Abläufe so hervorragend strukturiert und automatisiert, dass sie trotz der hohen Personalkosten profitabel produzieren.
Sicherlich einer der Gründe, warum bereits 2008 zwischen den Experten des Automobilherstellers sowie den Mitarbeitern und Ärzten des renommierten Centrums für Integrierte Onkologie (CIO) der Uniklinik Köln erste Gespräche entstanden. Die Zusammenarbeit wurde im Laufe der Jahre immer intensiver. Die Klinik profitierte dabei vom Knowhow und den effizienten Prozessen. Und Ford? Für den Hersteller waren vor allem die Kenntnisse rund um die Verarbeitung großer Datenmengen für die Entwicklung neuer Fahrzeugmodelle interessant. Erste Erfolge der Zusammenarbeit wurden schnell sichtbar. Schnellere Behandlungszeiten, weniger Stress für den Patienten und auf wirtschaftlicher Seite die Optimierung der Patientenströme um 30 Prozent waren das Ergebnis. Ford selbst äußert, dass der größte Diamant für sie im „Out-of-the-Box“-Denken lag, nämlich sehr unterschiedliche Behandlungsmethoden und Formen der Krebstherapie, die zum Einsatz kommen, für die Entwicklung neuer Fahrzeugmodelle und Technologien zu nutzen. Also eine Erfolgsgeschichte für beide Seiten.
Mut zur Kollaboration
Sicherlich bringen Kollaboration Unwägbarkeiten mit sich. Aber wer mit dem Rücken zur Wand steht, hat wenig Optionen. Einzelne Erfolgsgeschichten beweisen, dass bei intelligenter Vorgehensweise ein Zusammenschluss nicht nur hilfreich, sondern unter Umständen sogar dringend notwendig ist. Die Unabhängigkeit von begrenzten Ressourcen und die schrittweise Transformation der Krankenhäuser sind es wert.


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