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Der kma Entscheider-Blog

kma Entscheider BlogKrankenhausmanagement – In der Krise rollen Köpfe

Es kommt auf jeden einzelnen Mitarbeiter an. Kliniken benötigen in der aktuellen Situation nicht nur spezifisches Knowhow, sondern auch Stabilität. In den wichtigen Führungspositionen kommt es jedoch regelmäßig zu Fluktuationen. Ist es Überforderung oder wird lediglich ein Sündenbock gesucht? 

ID-Native GmbH
Tanja Heiß ist Geschäftsführerin der ID-NATIVE GmbH in Goldbach und Co-Gründerin von Hashtag Gesundheit e.V.

In den letzten Wochen wurde mehr und mehr deutlich, dass es für diese Ausnahmesituation keine Blaupause gibt. Unter Corona ist jede Führungskraft anders als bisher gefordert. Wie sieht gute Krisenkommunikation aus? Wie sollte das eigene Team geführt werden? Wie kann vermieden werden, dass die Pandemie die Ressourcen des eigenen Hauses vollständig lahm legt? Wie ist es möglich die Wirtschaftlichkeit zu erhalten? Diese Fragestellungen sind nicht mit  Wissen aus dem Studium oder der bisherigen Berufserfahrung zu beantworten. Eigenschaften, die jetzt gefragt sind: Agilität, Mut, Klarheit, Verbindlichkeit und die Bereitschaft, auch ohne ausreichende Fakten und Erfahrungswerte schnelle Entscheidungen zu treffen. Es scheint, als seien viele Krankenhausmanager dieser Herausforderung noch nicht vollumfänglich gewachsen.

Die Corona-Taskforce

Einige Kliniken haben bereits im Februar eine Corona-Taskforce gebildet. Die wichtigsten Personen aus dem Krankenhaus kommen täglich zusammen, um sich über Neuigkeiten auszutauschen und über entsprechende Maßnahmen zu entscheiden. Schnell und zielgerichtet ist eine solche Kommunikation definitiv sinnvoll. In der Praxis sieht das zumeist anders aus. Da gibt es täglich vier bis fünfstündige Meetings, in denen zehn bis zwanzig Verantwortliche inkl. Stabstellen zusammensitzen. Von Beschilderungen am Gebäudeeingang bis hin zur Beschaffung von Beatmungsgeräten kommen dort sämtliche Themen auf den Tisch. Das vermittelt schnell den Eindruck, einzelne Führungskräfte hätten ihren Fachbereich nicht im Griff. Fehlendes Vertrauen und fehlende Ermächtigung führt dazu, dass dringend benötigte Kompetenzen und Ressourcen an falscher Stelle gebunden werden. Oder ist der Druck auf die oberste Entscheiderebene durch die kommunale Politik, den Aufsichtsrat, die Presse und die eigenen Mitarbeiter so hoch, dass eine Führung durch Kontrolle ausgebrochen ist?

Die nicht-vorhandene Fehlerkultur

Dürfen in der Krise keine Fehler passieren? Die klare Antwort: Selbstverständlich. Führung und Team können sich nur weiterentwickeln und an diesen besonderen Herausforderungen wachsen, wenn Fehler passieren. Zwei Voraussetzungen müssen allerdings gegeben sein: gegenseitige Unterstützung bzw. in Fällen der Patientensicherheit mindestens ein Vier-Augen-Prinzip und das Lernen aus vergangenen Fehlern. Bereits vor Corona war die Fehlerkultur in kaum einem deutschen Krankenhaus gegeben. Teils der Belastung geschuldet aber auch einer Misstrauens-Kultur. Mitarbeiter benötigen aber genau jetzt Vertrauen und Motivation, um die richtigen Entscheidungen zu treffen. Und auch wenn Zeit ein rares Gut ist: Anerkennung und Solidarität lässt ein Team enger zusammenwachsen und wird schlussendlich Fehler reduzieren oder sogar vermeiden.

Die Auswirkungen der Führungs-Fluktuation

Eines der präsentesten Beispiele der letzten Wochen: das Ernst-von-Bergmann-Klinikum in Potsdam. Die wenigsten wissen, was in einem solchen Fall hinter den Türen passiert. Deutlich wird jedoch, dass der Einsatz von Führungskräften und ihre Erfolgsgeschichten der letzten Jahre in einer Ausnahmesituation nicht mit in den Ring geworfen werden. Im Gegenteil: die Gesellschaft – angefangen mit Presse und Politik, aber auch Patienten, Angehörige und Mitarbeiter suchen einen Schuldigen. Jemanden, auf dem sie mit dem Finger zeigen können. Gewiss müssen Führungskräfte Verantwortung übernehmen – unabhängig ob es ihre eignen Fehler sind oder Fehler, die in ihrer Organisation entstanden sind. Das ist nur konsequent. Doch muss sehr sensibel und differenziert betrachtet werden, ob es sinnvoll ist in einer Krisensituation den Steuermann von Board zu werfen.

Die Konsequenzen eines Wechsels an er Führungsspitze sind vielfältig. Ein Schuldiger ist gefunden, in der Außenwirkung kehrt zunächst Ruhe ein. Möglicherweise auch bei einigen Mitarbeitern. Gleichzeitig entstehen aber auch Unruhe und Ungewissheit. Der Flurfunk und fehlendes Vertrauen in eine neue Führungsebene hat schon viele Organisationen zum Scheitern gebracht. Wie der bayerische Ministerpräsident (zuvor der damalige EZB-Chef Mario Draghi 2012) vor einigen Wochen sagte: „Whatever it takes.“ Es geht darum, zu tun was immer notwendig ist, um erfolgreich und gestärkt aus der Krise hervorzugehen. Manchmal gehört es dazu, seinen Hut zu ziehen. Meist ist es aber noch wichtiger, am Unperfekten festzuhalten und zweite Chancen zu geben.

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