Einzelne Start-ups konnten in den letzten Wochen die Krise für sich nutzen. Sie haben neue Produkte für Ihre Kunden im Gesundheitswesen entwickelt und sich dadurch einen Marktvorteil verschafft. Aber es gab auch die Jungunternehmen, die ins Schwimmen geraten sind. Viele Kunden haben zugesagte Budgets für 2020 vorübergehend eingefroren oder sogar vollständig gestrichen. Personal und Räumlichkeiten, die dafür vorgehalten wurden, werden plötzlich nicht mehr benötigt. Vor allem der Beratungssektor und die Bereiche Marketing oder Coaching haben damit zu kämpfen. Die Krux: viele dieser Organisationen sind im Gesundheitswesen aktuell wichtige Knowhow-Träger und Innovatoren.
Wer, wenn nicht ein Start-up weiß, wie agile Prozesse und digitale Arbeitsbedingungen optimal genutzt werden können? Oder wie ein junges Team bei eher niedrigem Gehalt zu Mehrleistungen motiviert werden kann? Oder welche digitale Anwendung den entscheidenden Lösungsansatz bedeutet? Trotzdem verlassen sich viele Organisationen eher auf die großen Köpfe während kleinere Teams um Aufträge kämpfen. Da sind auch Corona-Soforthilfen lediglich ein Tropfen auf dem heißen Stein, vor allem weil viele junge Unternehmen sie gar nicht in Anspruch nehmen konnten. Aber ein Blick in die Vergangenheit lässt erahnen, wie sich die Gründerszene entwickeln könnte.
Erkenntnis 1: Die erfolgreichsten Unternehmen gründen in der Krise
Gründen in Zeiten von Corona bedeutet, den mühsam erarbeiteten Businessplan kurzfristig über Board zu werfen, sich von scheinbar fest geplanten Umsätzen zu verabschieden und die Augen aufzumachen für neue Chancen und Möglichkeiten. Noch in der Finanzkrise 2008/2009 legten drei Weltunternehmen ihren Grundstein: Uber, Zalando und Airbnb. Diese Marken haben nicht nur gegründet, sondern in ihrem Segment neue Nutzererlebnisse geschaffen. Erfolg lässt sich nicht vorprogrammieren, aber wer in der Krise gegründet, den unterschieden als Organisation einige wichtige Faktoren von anderen Unternehmen:
- Es existiert eine einzigartige Gründungsidee mit einem spezifischen Markt
- Die Kultur ist geprägt durch Selbstbewusstsein, Vertrauen und Mut
- Von Anfang an gibt es nicht nur Plan A, sondern auch B und C
- Das Maß an Flexibilität und Innovationsstärke ist noch stärker entwickelt
Davon profitieren diese Start-ups noch Jahre später, da sich diese Strukturen fest in ihrer Marke verwurzelt haben. Aber vor allem Auftraggeber im Gesundheitswesen profitieren bei einer Zusammenarbeit. Es muss aber auch nicht immer die Neugründung sein. Viele Industrieunternehmen haben ihre Produktionen in den vergangenen Monaten umgestellt, um Masken zu produzieren. Einzelne Brauereien und Schnapsbrennereien haben ihren übrig gebliebenen Alkohol für die Herstellung von Produktionsmitteln zur Verfügung gestellt.
Überraschende Hilfe für englische Krankenhäuser kam aus der Formel 1. Bis zum Saisonstart Anfang Juli pausierten die Boliden und somit auch die Werke der Motorenhersteller. Sieben Rennställe hatten sich Ende März auf einen Aufruf gemeldet, um Atemhilfsgeräte zu produzieren, die Leben retten sollten. Diese kleinen und großen Erfolgsgeschichten, haben aber auch gezeigt, wie abhängig das Gesundheitswesen von der Unterstützung aus der Industrie und anderen Branchen ist.
Erkenntnis 2: Innovation ist das Resultat von Scheitern
Weder Steve Jobs noch Alexander Fleming wurden als Genies geboren. Ihre Erfolge waren deswegen so außergewöhnlich, weil sie nicht von heute auf morgen entstanden, sondern es den richtigen Moment gebraucht hat. Und egal ob schlussendlich Zufall oder ein guter Gedanke den entscheidenden Schritt bringt: vorheriges Scheitern und es immer wieder aufs Neue versuchen – diese Ausdauer und diese Erfahrungen sorgen am Ende für den Durchbruch. Für Gründer heißt das, sich nicht von Rückschlägen verunsichern zu lassen. Aber für Auftraggeber heißt es umgekehrt, Raum für Fehler zu lassen.
Diese Fehlerkultur existiert aber häufig nur in der Gründerszene. Krankenhäuser haben weder Ansprechpartner für Digitalstrategien oder Innovationsbeauftragte noch gibt es Kompetenzen im Bereich Design Thinking oder New Work. Ohne externes Knowhow kann diese Innovation – vor allem bei dem aktuell straffen Krankenhausalltag – nicht entstehen.
Erkenntnis 3: Es braucht nicht nur Mitspieler, sondern starke Partner
Strategische Partnerschaften, Investoren und Mentoren haben nicht in erster Linie den wirtschaftlichen Erfolg zum Ziel. Häufig steht darüber eine tiefe Überzeugung oder die überdurchschnittliche Begeisterung für eine gemeinsame Vision beziehungsweise den gemeinsamen Antrieb. Etablierte Organisationen sollten immer wieder mit jungen Unternehmen Kooperationen eingehen. So sichern sie sich nicht nur Wettbewerbsvorteile, sondern schaffen wichtige Grundlagen für den gemeinsamen Erfolg oder besser gesagt für nachhaltige Ergebnisse. Und: durch die unterschiedlichen Organisationsstrukturen können beide Parteien viel voneinander lernen.
Wie man innerhalb kürzester Zeit voneinander lernen kann, hat die Plattform matching4health bereits erfolgreich bewiesen. In einem Open Source-Projekt hat sich aus Studierenden ein zu 100 Prozent ehrenamtliches Projekt entwickelt. Auf der Online-Plattform werden Helfende und Hilfesuchende miteinander vernetzt. Das Knowhow muss also nicht immer aus den Gesundheitsorganisationen direkt kommen. Und: dieses Projekt beweist, dass innerhalb weniger Tage Innovationen auf den Weg gebracht werden können, die Krankenhäuser in Jahren nicht auf die Beine stellen können.
Fazit: Stirbt die Start-up-Branche, stirbt auch die Innovation
Egal ob Beratung, Medizintechnik oder Digitalisierung. Jeder treibt auf seine Weise moderne Strukturen und innovative Projekte voran. Projekte, von denen Gesundheitseinrichtungen kurz- und langfristig profitieren. Und sind wir ehrlich: in den eigenen Reihen fehlt es entweder an Motivation, Kapazitäten oder Knowhow, um echte Innovationen zu entwickeln. Aber ohne Budgets und Investitionen für Start-ups werden in Zukunft keine Innovationen entstehen.
Digitale Stammtische oder kleinere Workshops zum Networking und zur Ideenfindung sind beispielsweise ein erster wichtiger Schritt, um Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten und neue Projekte anzustoßen. Aber jede Gesundheitseinrichtung sollte nicht nur eine Innovationsstrategie haben, sondern Start-ups als echte Game Changer ernst nehmen und sie entweder fördern oder mit ihnen kooperieren. Die Zukunft wird zeigen, welche Krankenhäuser sich hier gut positionieren. Aktuell haben in Deutschland noch nicht mal 90 Prozent der Organisationen eine Digitalstrategie geschweige denn eine Innovationsstrategie.



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