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Unimedizin in CottbusIm Sprint an die digitale Spitze

Im vergangenen Sommer wurde die Medizinische Universität Lausitz – Carl Thiem gegründet, im September 2024 folgte der Startschuss für die Modellregion Gesundheit Lausitz. kma fragte nach, wo das digitale Vorzeigeprojekt in Cottbus nach einem Jahr steht.

Haupteingang Medizinische Universität Lausitz
MUL-CT
Haupteingang der Medizinischen Universität Lausitz – Carl Thiem in Cottbus.

Martin Peuker ist in Eile, mal wieder. Eben noch war der Digitalisierungsvorstand der neuen Medizinischen Universität Lausitz – Carl Thiem (MUL-CT) auf einer wichtigen Schulungsveranstaltung für das medizinische Personal. Im Erdgeschoss seines Verwaltungsgebäudes auf dem Cottbuser Krankenhausgelände waren Ärzte und Pflegekräfte aus allen drei Klinikstandorten zusammengekommen, um konkreten Digitalisierungsvorhaben der jungen Uniklinik zu lauschen. Mit dabei waren auch Firmenvertreter diverser IT-Unternehmen, es ging um neue und moderne digitale Medizin im Süden Brandenburgs. Nun eilt Peuker die Treppe hoch, der nächste Termin wartet.

Tempo ist derzeit in Cottbus gefragt. IT-Spezialist Peuker, der viele Jahre als CIO die IT-Systeme der Berliner Charité betreute, steht gemeinsam mit seinem Team um CIO Sven Kleemann vor einer gewaltigen Aufgabe. Sie müssen zum einen die erste staatliche Universität des Landes so schnell wie möglich digital zum Laufen zu bringen, zum anderen sollen sie das frühere kommunale Carl-Thiem-Klinikum in Cottbus und die beiden ­externen Klinikstandorte Forst und Guben digital an die Spitze der bundesdeutschen Medizinlandschaft katapultieren. Damit immer noch nicht genug.

Modellprojekt für Deutschland

Die MUL-CT wird digitales Leitkrankenhaus für das innovative „Modellprojekt Gesundheit Lausitz“, einem regionalen Gesundheitsnetzwerk, das alle Leistungserbringer – auch den ambulanten Sektor – zu einem zukunfts- und leistungsfähigen Gesundheitswesen im Süden Brandenburgs vernetzen soll. Für die strukturschwache Region ist das nach dem beschlossenen Ausstieg aus der Braunkohle ein zentrales Zukunftsprojekt. Es soll Spitzenmedizin in die Region bringen und gleichzeitig ein Modellprojekt für Deutschland sein, das die Forschungsschwerpunkte Gesundheitssystemforschung und Digitalisierung vereinen soll. Sebastian Scholl, damals noch CTK-Geschäftsführer, formulierte den Anspruch bereits Ende 2023 so: „Die künftige Unimedizin bedeutet den Aufstieg in die medizinische Champions League.“

Wir müssen aufholen. Aber wir schaffen das.

Nun sitzt Scholl in Peukers Büro. Der frühere Klinikgeschäftsführer hat einen neuen Job, nicht minder herausfordernd. Scholl ist jetzt Beauftragter für die Modellregion, koordiniert die Umsetzung mit allen wichtigen Akteuren. Der Druck ist immens, denn allen Beteiligten sitzt ein anspruchsvoller Zeitrahmen im Nacken. „Wir müssen schnell sein. Der Kohleausstieg ist zwar bis 2038 finanziert, aber es wird keine gesellschaftliche Akzeptanz geben, wenn wir das digitalisierte Gesundheitswesen in der Region nicht schnell umsetzen. Das heißt: Wir müssen aufholen. Aber wir schaffen das“, sagt Scholl – und gibt sich betont entspannt.

So viel wie möglich digitalisieren

Martin Peuker versucht derweil, alle Aufgaben im Blick zu behalten, aber gleichzeitig richtig zu priorisieren. Schnell sein, nicht in Einzelprojekte verzetteln, stringent sein – so könnte man Peukers Arbeitsmotto komprimiert zusammenfassen. Zurzeit steht auf seiner Agenda der Aufbau einer digitalisierten Universitätsmedizin im Vordergrund, schließlich sollen zum Herbstsemester 2026  die ersten Studierenden ihr Studium aufnehmen. Während viele Professorenstellen gerade noch besetzt werden, „haben wir als Überschrift über allem die Gesundheitssystemforschung und Digitalisierung der Universität. Und das hier auf der grünen Wiese“, sagt der Digitalvorstand.

Gemeinsam mit seinem inzwischen auf 70 Mitarbeitende angewachsenen IT-Team arbeitet er mit Hochdruck daran, „einen vollständig digitalen Workflow aufzubauen.“ Dazu zählen nicht nur das ambitionierte medizinische Digiatalisierungsprogramm, sondern auch das Verwaltungsmanagement einer Universitätsmedizin. Eine digitale Aventgarde-Uniklinik mit einem Karteikasten- und Papieraktensystem in der Verwaltung vertragen sich nicht, das ist allen bewusst. Alles wird so viel wie möglich digitalisiert – Campus Management,  Curriculum-Entwicklung, Prüfungsorganisation, Immatrikulation und vieles mehr. Damit das Tempo hoch bleibt, übernehmen externe Fachfirmen Teilaufgaben.

Wir gehen den Cloud-First-Ansatz – und im Forschungsbereich sogar Cloud only.

Parallel dazu ist der Aufbau des technologischen Fundaments der digitalen Infrastruktur in vollem Gang. Basis dafür ist „unser Cloud-First-Ansatz. Für den Forschungsbereich würde ich sogar noch weitergehen. Da sprechen wir über Cloud only.“ erzählt Peuker. Ein solches Vorhaben ist aber sowohl aus Kapazitätsgründen wie aus Sicherheitsaspekten nicht mehr allein mit einer großen Serverfarm auf dem Gelände der Uniklinik zu machen, schon gar nicht angesichts der Vorgeschichte des Standorts und wenn man datenintensive KI-Lösungen nutzen will. Also speichert und verarbeitet die MUL-CT ihre Daten zukünftig in externen Rechenzentren. Zum Aufbau einer solchen leistungsstarken Hybrid-Infrastruktur und einem ausfallsicheren Netzwerk ist die Uniklinik dazu im vergangenen September mit Telekom Healthcare Solutions eine Industriepartnerschaft eingegangen.

Medizinische Universität Lausitz – Carl Thiem 

Im Juli 2024 wurde die MUL-CT als erste staatliche medizinische Universität in Brandenburg gegründet, im September 2024 folgte die Modellregion Gesundheit Lausitz. Die Universität wird aus dem lange bestehenden Carl-Thiem-Klinikum (CTK) im südbrandenburgischen Cottbus entwickelt, das mit rund 1200 Betten, 3500 Mitarbeitenden und jährlich mehr als 150.000 Patienten das größte Klinikum des Landes ist. Die Gesamtkosten für die Entwicklung werden auf 3,7 Milliarden Euro taxiert, mehr als die Hälfte trägt der Bund. Das Projekt ist Bestandteil eines großen Entwicklungsprogramm für die Lausitz, mit dem dort die Folgen des Ausstiegs aus der Braunkohle abgemildert werden sollen. Zunächst sollen dort 1200 Studienplätze entstehen. 

Mit Netz und doppeltem Boden

Ein Jahr später ist man dabei bereits ein gutes Stück vorangekommen. Die Daten werden zukünftig in zwei hochsicheren ­­Rechenzentren der Public Cloud der ­Telekom gespeichert. Diese Rechenzentren liegen in Magdeburg und im 18 Kilometer ­davon entfernt liegenden Biere (Sachsen-Anhalt). „Der Betrieb der Krankenhaus-IT im Rechenzentrum der T-Systems in Magdeburg/Biere wurde abgestimmt und befindet sich aktuell in der Umsetzung. Parallel dazu werden Sicherheits- und Backup-Konzepte entwickelt, die einen hochsicheren, DSGVO-konformen ­Betrieb in der Private Cloud der T-Systems gewährleisten“, teilt Gottfried Ludewig, Leiter Health und Public Sector T-Systems, mit. Zudem werde eine redundante Netzwerkanbindung zwischen dem MUL-CT und den Rechenzentren in Magdeburg und Biere gebaut. Für die Uniklinik bedeute die hybride IT-Infrastruktur, dass der laufende Betrieb in einem Rechenzentrum der T-Systems abgebildet werde, so Ludewig.

Wir haben sozusagen das Backup vom Backup, um sicherzustellen, dass in einem Notfall die klinischen  Prozesse trotzdem gewährleistet sind.

Die Nutzung von zwei Rechenzentren folgt dabei dem Redundanzprinzip. Nicht nur die Rechenzentren, sondern auch die Netzwerkanbindung wird zur Betriebsisicherheit doppelt ausgelegt. „Wir sind gerade netzwerktechnisch an der zweiten Anbindung zwischen Cottbus und dem Rechenzentrumsverbund“, erzählt Sven Kleemann, CIO der MUL-CT. Da alles wegen sehr geringer Latenzzeiten in Echtzeit abgespeichert wird, kann so ein Rechenzentrum ausfallen, ohne dass der laufende Betrieb im Uniklinikum gefährdet ist. Und sollten sogar beide Rechenzentren der Telekom gleichzeitig ausfallen, wird in Cottbus weiterhin eine rudimentäre Infrastruktur für den Desaster Recovery Fall vorgehalten. „Wir haben sozusagen das Backup vom Backup, um sicherzustellen, dass in einem solchen Notfall die klinischen  Prozesse trotzdem gewährleistet sind“, sagt Kleemann. Vermutlich im November werde die Netzwerkanbindung komplett umgesetzt sein.

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Für Peuker und Kleemann hat die Kooperation mit der Telekom noch einen weiteren Vorteil: Telekom-Rechenzentren erfüllen hohe Sicherheitsanforderungen für kritische Infrastruktur. Der Konzern  verfügt zudem über ein riesiges Cyberabwehrzentrum, „das kontinuierlich und sofort auf sicherheitsrelevante Ereignisse reagieren kann, 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche“, sagt Kleemann. Die IT-Spezialisten der Uniklinik können sich damit auf andere wichtige Themen ihres  Digitalprojekts konzentrieren.

Drei Clouds sollen es richten

Zum Beispiel der Einrichtung der Cloud der neuen Universität – oder streng ­genommen dreier Teilclouds, wie Kleemann präzisiert – und für die eigene Cloud-Architekten angeworben wurden. Da gibt es zunächst die Public Cloud über die Telekom, wo laut Kleemann vor allem die Themen Forschung, Lehre und Verwaltung bespielt werden. In einer Hybrid-Cloud wird dann differenziert, welche Services öffentlich (public) und welche abgeschottet (private) laufen sollen. Als dritte Teillösung gibt es eine Private Cloud, wo vor allen Dingen klinische Bereiche und Medizintechnik abgeschottet werden.

Wir wollen alle Teilnehmer in der Gesundheitsregion Lausitz vernetzen. Das ist unser Ziel.

Diese Konstruktion schafft für Peuker und Scholl auch die notwenigen Grundlagen für die digitale Anbindung der ­Region.  Andere Standorte, weitere Krankenhäuser, Gesundheitseinreichtungen und der ambulante Bereich können so angebunden werden und direkt interagieren, ohne immer über ein zentrales digitales ­Nadelöhr des Uniklinikums gehen zu müssen. „Zudem sind wir für unseren ­Forschungschwerpunkt darauf angewiesen, das wir Daten bekommen. Das heißt, wir sind auf das Mitwirken der Region ange­wiesen“, so Sebastian Scholl. Und auch auf das Engagement vieler Beteiligter in der Region.

Im Gegenzug liefert die MUL-CT als Angebot neue digitale Services, von denen die strukturschwache Region profitieren wird. Auch weil Arztmangel in der Lausitz längst ein akutes Problem ist. „Deshalb wollen wir alle Teilnehmer in der Gesundheitsregion Lausitz vernetzen. Das ist unser Ziel“, beschreibt CIO Sven Kleemann die Aufgabe.

Die Art und Weise und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit habe ich noch nirgendwo so erlebt wie hier.

Laut Martin Peuker wird in Diskussionen mit vielen Beteiligten, also den Landkreisen, der Stadt Cottbus, den KVen, Kassen und der Krankenhausgesellschaft intensiv auch über anstehende neue digitale Versorgungsformen und Services gesprochen. Peuker schwärmt davon, wie gut die interdisplinäre Zusammenarbeit in der Region laufe. Die „Art und Weise und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit habe ich noch nirgendwo so erlebt wie hier,“ urteilt Peuker.

Neue Projekte und weitere Ideen

Erste technische Teilprojekte sind bereits umgesetzt, wie der im April eingeführte Telenotarzt. Der kann über eine digitale Plattform in Echtzeit mit Rettungskräften kommunizieren. Die Disposition in der Leitstelle ist KI-gestützt. Weitere Projekte sind in Vorbereitung. Digitale Terminplanung, Patientenportale, die Einführung telemedizinischer Services wie Videosprechstunden, virtuelle Tumorboards im Netzwerk, die Möglichkeit, telemedizinisch begleitete OPs an anderen Standorten zu assistieren. Die Liste ist lang – und nicht jede Idee ist schon ausdiskutiert.

Womit wir wieder bei Peukers Motto sind: Nur nicht verzetteln. Auch wenn er oder Scholl sich nicht auf ein ganz konkretes Umsetzungsdatum festlegen lassen wollen, ist klar, dass das selbst ernannte Ziel einer neuen digitalen Eliteuni zum überwiegenden Teil in diesem Jahrzehnt umgesetzt sein muss. Peuker weiß das. Er hat jetzt genug erzählt und eilt zum nächsten Termin.

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