
Die Vorwürfe gegen das Klinikum Friedrichshafen, die weiter Gegenstand staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen sind, haben nun auch organisatorische Konsequenzen: Aus der internistischen und der operativen Intensivstation, die jeweils eine ärztliche Leitung hatten, werde jetzt eine interdisziplinäre Intensivstation, teilt der Medizin Campus Bodensee (MCB) mit, zu dem das Klinikum gehört. Geleitet werde die Intensivstation von den Anästhesisten und Oberärzten Dr. Matthias Vogel und Dr. Sevak Taslakian als Stellvertreter. Martin Abberger und Ilka Stöbel seien für den pflegerischen Bereich zuständig.
Nicht zuletzt wegen der öffentlich gewordenen Kritik hätten sich Ärzte verschiedener Kliniken und Intensiv-Pflegekräfte mit der Geschäftsführung in den vergangenen Wochen, „konstruktiv Gedanken gemacht und eine Geschäftsordnung für die interdisziplinäre Intensivstation erarbeitet“, heißt es in der Mitteilung. Alle Chefärzte des Klinikums hätten diese Geschäftsordnung unterschrieben.
Eine leitende internistische Oberärztin hatte Ende 2023 unter anderem Missstände auf der internistischen Intensivstation des Klinikums angeprangert. So hatte sie einem Chefarzt etwa vorgeworfen, Komplikationen bei der Behandlung von Patienten verheimlicht und damit das Patientenwohl gefährdet zu haben. Außerdem, so der Vorwurf der Oberärztin, seien auf der Intensivstation eingesetzte Assistenzärztinnen und -ärzte überfordert gewesen.
Hohe Erwartung an die neue Geschäftsordnung
Die jetzt beschlossene Neuordnung der intensiv-medizinischen Versorgung werde von allen Fachrichtungen unterstützt, „um diesen hoch-sensiblen und kostenintensiven Bereich des Krankenhauses besser und vor allem im Sinne der sicheren Patientenversorgung steuern zu können“, wird am Bodensee betont. Die Organisationsrichtlinie regele die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Berufsgruppen und die Arbeitsprozesse. Klar formuliertes Ziel sei es, eine höchstmögliche Patienten-, Mitarbeitenden- und Angehörigenzufriedenheit zu erreichen.
Konkret solle die Geschäftsordnung für eine bessere Belegungsplanung sorgen, Überstunden vermeiden, eine bessere Personalentwicklung ermöglichen und die Kernkompetenzen der Mitarbeitenden zusammenführen. Die personelle Ausstattung der Anästhesiologie schaffe gute Voraussetzungen dafür, die Patienten mit den Fachabteilungen, die sie primär auf die Intensivstation verlegt haben, zu behandeln. Zudem seien neben Ärzten, Pflegekräften und Mitarbeitenden des Therapiezentrums gegebenenfalls auch die Mitglieder des Ethikkomitees in die Versorgung eingebunden, vor allem dann, wenn es um die Patientenautonomie und -selbstbestimmung oder Fragen der Therapiebeschränkung oder -ausweitung gehe.
23-Millionen-Euro-Lücke im laufenden Jahr
Das wegen der Vorwürfe angestoßene Compliance-Verfahren, mit dem die Kanzlei Feigen Graf Rechtsanwälte beauftragt wurde, belastet das Klinikum auch finanziell. Es ist einer der Gründe, warum laut dem vom Aufsichtsrat Anfang April beschlossenen finalen Wirtschaftsplan für das laufende Jahr ein Defizit von rund 23 Millionen Euro erwartet wird. Im November 2023 waren die Kontrolleure noch von einem Minus von rund 17 Millionen Euro ausgegangen. Diese Zahlen gehen aus einer Sitzungsvorlage für den Friedrichshafener Finanz- und Verwaltungsausschuss hervor, dem die MCB-Geschäftsführer Anthea Mayer und Franz Klöckner jetzt Bericht erstatteten.
Ursachen für diese Ergebnisverschlechterung seien neben den Kosten für die Compliance-Untersuchung der Mehraufwand für Energiekosten, eine Casemix-Anpassung und die Verschlechterung der Wahlleistungserlöse, heißt es in der Vorlage weiter. Aufgrund des Pflegepersonalmangels und der Pflegepersonaluntergrenze seien die belegbaren Betten in Friedrichshafen auf 300 (370 Planbetten) und in Tettnang auf 91 (140) reduziert worden.
Wegen der negativen Ergebnisse leite sich für den MCB für das laufende Jahr ein Zuschussbedarf für Betriebs- und Instandhaltungskosten in Höhe von 16 Millionen Euro ab, für 2025 liegt die Zuschusssumme bei zwölf Millionen Euro. Dafür einstehen müsste der Hauptgesellschafter des MCB, die Stadt Friedrichshafen.
Sanierungskonzept sieht hohes Einsparpotenzial
Große Hoffnungen liegen jetzt auf dem Sanierungskonzept, das die Sana Kliniken AG erstellt hat. Der Konzern erbringt seit September 2023 externe Managementleistungen für den MCB. Bis einschließlich 2026 könne das operative Ergebnis demnach um bis zu rund 14 Millionen Euro verbessert werden. Trotzdem stehe bis 2026 allerdings noch ein Minus von „ungefähr sechs Millionen Euro in Aussicht“, heißt es in der Sitzungsvorlage.
Langfristig empfiehlt das Konzept für den Standort Friedrichshafen demnach auch einen Neubau mit maximal 400 Betten als Zentralversorger (Level-II-Klinik). Ein Umbau im Bestand komme nicht in Betracht. Damit bliebe Friedrichshafen in der Region Bodensee-Oberschwaben neben der Oberschwabenklinik in Ravensburg der zweite starke Zentralversorger, und zugleich gäbe es eine medizinische Perspektive für den MCB-Standort Tettnang.







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