
Das DRK-Krankenhaus Biedenkopf bangt um seine Existenz. Sein Träger, der DRK-Kreisverband Biedenkopf, musste bereits im September 2023 einen Insolvenzantrag stellen. Neben dem Allgemeinkrankenhaus mit 105 Betten sind davon auch zwei Anbieter der Alten- und der ambulanten Pflege betroffen.
„Alle Einrichtungen kämpfen ums Überleben“, heißt es Anfang Januar 2024 in einem offenen Brief des Bürgermeisters der Stadt Biedenkopf, Jochen Achenbach, und seiner Kolleginnen und Kollegen angrenzender Gemeinden an den hessischen Ministerpräsidenten Boris Rhein.
Alle Einrichtungen kämpfen ums Überleben.
Auf drei Seiten werben die kommunalen Verantwortungsträger bei der Landespolitik um Unterstützung: Das DRK-Krankenhaus Biedenkopf sei unter anderem ein unverzichtbarer Notfallstandort, die nächsten Alternativen weit entfernt. Außerdem entlaste der abseits städtischer Ballungsgebiete gelegene Grundversorger andere Krankenhäuser der Region, die bereits an ihre Kapazitätsgrenzen zu stoßen drohten.
Dessen ungeachtet ist die Ertragslage seit Jahren angespannt. In den zurückliegenden Jahren habe das strukturelle Defizit des Krankenhauses noch aus Vermögensrücklagen und positiven Ergebnisbeiträgen anderer Wirtschaftsbereiche des Kreisverbandes gegenfinanziert werden können, sagt die Vorständin des DRK-Kreisverbands Biedenkopf, Cornelia Bönnighausen: Inzwischen habe sich die Situation aber noch einmal verschlechtert.
Struktur Deutsche Rotes Kreuz
Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) besteht aus dem Bundesverband, 19 Landesverbänden, den Kreisverbänden und Ortsvereinen und dem Verband der Schwesternschaften vom Deutschen Roten Kreuz e. V. mit 31 DRK-Schwesternschaften. Eine wichtige Rolle spielt noch immer das freiwillige und unbezahlte Engagement. Laut Website kann sich etwa das Rote Kreuz in Rheinland-Pfalz auf rund 240 000 fördernde Mitglieder stützen. Über 10 000 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer arbeiten zudem aktiv neben den mehr als 7500 hauptamtlichen Mitarbeitenden.
Pandemie und Homeoffice brachten die Budgetverhandlungen mit den Krankenkassen ins Stocken. Bundesweit haben viele Häuser sogar für 2022 noch keinen Abschluss. In Biedenkopf wurde das Verhandlungsergebnis für 2021 erst im August 2023 wirksam. Dadurch mussten die Tarifsteigerungen mehrerer Jahre vorfinanziert werden. Aktuelle Tariferhöhungen und Inflationsprämien seien im laufenden Budget noch gar nicht abgebildet. Das Fass zum Überlaufen brachten schließlich die zusätzlichen Belastungen durch Inflation, gestiegene Energie- und Materialkosten.
Auch DRK-Schwesternschaft München unter Druck
Ähnlich argumentiert auch die Trägerin der Rotkreuzkliniken München und Wertheim. Im September 2023 musste sie für beide Häuser Anträge auf Einleitung eines Schutzschirmverfahrens stellen. Dieser Schritt, heißt es, sei Teil eines umfassenden Sanierungsplans. Beide Kliniken sind, ebenso wie die Rotkreuzklinik Würzburg und der Rotkreuzklinik Lindenberg, ein Tochterunternehmen der Schwesternschaft München vom Bayerischen Roten Kreuz. Der Verbund der als gemeinnützigen Gesellschaften organisierten Krankenhäuser umfasst nach eigenen Angaben rund 900 Betten.
Als Auslöser für die wirtschaftlich angespannte Situation der Häuser samt der dazugehörigen Medizinischen Versorgungszentren benannten die Schwestern die äußeren gesundheitspolitische Gegebenheiten: Eine nicht auskömmliche Krankenhausfinanzierung bei hohen Inflationskosten und tarifbedingten Kostensteigerungen.
Die DRK-Schwesternschaft München gehört zum Bayerischen Roten Kreuz, betreibt 13 Gesundheitseinrichtungen in Süddeutschland und zählt nach eigenen Angaben zu den wichtigsten Ausbildern in der Pflege in Bayern. Doch der traditionelle Mix aus Pflege und Akutversorgung, oft dazu noch in wirtschaftlich benachteiligten ländlichen Räumen, ist trotz caritativer Opferbereitschaft und Sparsamkeit offenbar wirtschaftlich vielerorts nicht mehr darstellbar. Die Liste der insolvenzgefährdeten DRK Kliniken wird immer länger. Wenig spricht dafür, dass das laufende Jahr viel Erleichterung bringt.

Einzelstandorte leiden besonders
„Dies ist kein Problem nur der Häuser des DRK“, verteidigt Ottmar Schmidt, Geschäftsführer der DRK Trägergesellschaft Süd-West und der DRK Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz. Seit der Pandemie sei die Zahl der stationären Fälle zusätzlich gesunken, immer mehr Patienten können ambulant versorgt werden. Vor diesem Hintergrund rechnen sich die hohen Vorhaltekosten einer rund um die Uhr-Versorgung gerade auf dem Land immer weniger. Viele Häuser – unabhängig von ihrer Trägerschaft – erreichen die notendigen Belegungszahlen nicht mehr. Gleichzeitig laufen die üppigen Stützungsgelder zur Überbrückung der Pandemie aus.
Dies ist kein Problem nur der Häuser des DRK.
Eng wird es vor allem für kleinere Häuser an Einzelstandorten, ohne finanzkräftigen Träger im Hintergrund. Auf nicht wenige der freigemeinnützigen DRK-Häuser treffe das zu, heißt es. „Bundesweit sind vor allem in der Fläche nach verschiedenen Schätzungen 60 bis 80 Prozent aller Krankenhäuser infolge des aktuellen Finanzierungssystems, der stark gestiegenen Sach- und Personalkosten und des Fachkräftemangels von finanziellen Problemen bis hin zur drohenden Insolvenz betroffen“, argumentiert Schmidt: „Dem können wir uns als gemeinnütziger Träger nicht gänzlich entziehen“. Zumal jenen freigemeinnützigen Häusern auch noch die Hilfe durch kommunale Träger verwehrt bleibt.
Belegarzt-Modus verwehrt Landeszuschüsse
„Die hohen Vorhaltekosten können so einfach nicht mehr erwirtschaftet werden,“ unterstreicht Cornelia Bönnighausen aus dem hessischen Biedenkopf. Im Einzugsgebiet des Grundversorgers leben nur rund 65 000 Menschen. Bis zum Maximalversorger in Marburg sind es rund 45 Minuten mit dem Auto, in die andere Richtung – nach Siegen – wäre man sogar rund eine Stunde unterwegs.
Unser Rufbereitschaftsmodell wird aber von den Krankenkassen nicht als gleichwertig anerkannt.
Verhandlungen mit dem Land Hessen und den Kostenträgern um einen Sicherstellungszuschlag scheiterten nach Darstellung der DRK-Verbandsvorständin an den Vorgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA), weil das Haus in Teilen belegärztlich betrieben wird. Weil die dünn besiedelte Region die hohen Strukturanforderungen für den hauptamtlichen 24/7-Betrieb wirtschaftlich nicht hergibt, wird etwa die Chirurgie belegärztlich betrieben. „Unser Rufbereitschaftsmodell wird aber von den Krankenkassen nicht als gleichwertig im Sinne der GBA-Kriterien zur Notfallversorgung anerkannt“, sagt Bönnighausen. Durch den Belegarzt-Modus bleibt die Versorgung bezahlbarer – Zuschüsse vom Land für die Sicherstellung gibt es so aber nicht.
Bis Ende März soll dennoch ein Sanierungsplan stehen, verspricht sie. Auch Ottmar Schmidt ist optimistisch: Im Oktober 2023 präsentierte die DRK-Trägergesellschaft erstmalig ein „Zukunftskonzept“, mit welchem sie sich aus den finanziellen Schwierigkeiten befreien will. Dieses Zukunftskonzept sehe weder die Zusammenlegung noch den Verkauf von Standorten vor, betont Schmidt. Im Kern stehe der Ausbau ambulanter Strukturen, die räumliche Konzentration von Leistungen, Profilschärfung, die Optimierung klinischer Prozesse. Keine leichte Aufgabe für die Sanierer, denn sie haben es mit historisch gewachsenen Strukturen zu tun.
Der Stärkere hilft dem Schwächeren
Die gemeinnützige DRK Trägergesellschaft Süd-West wurde erst im November 2000 gegründet. Gesellschafter sind der DRK-Landesverband Rheinland-Pfalz e.V. und die
DRK-Schwesternschaft Rheinpfalz-Saar e.V. Unter dem Dach der Trägergesellschaft arbeiten die DRK Gemeinnützige Krankenhaus GmbH Rheinland-Pfalz (gegründet 1989) und die DRK Gemeinnützige Krankenhaus GmbH Saarland (gegründet 1984). Die Tochtergesellschaft in Rheinland-Pfalz unterhält Akutkrankenhäuser in Alzey, Neuwied, Kirchen, Altenkirchen und Hachenburg, der Schwestergesellschaft im Saarland zugeordnet sind das Krankenhaus in Saarlouis, vier Altenpflege-Einrichtungen und ein geriatrische Kompetenzzentrum.
In Anbetracht der gestiegenen Belastungen funktioniert diese Querfinanzierung aber nicht mehr so wie früher.
Insgesamt verfügen die Einrichtungen nach eigenen Angaben über 1690 Betten und 124 tagesklinische Plätze. Laut Website werden jährlich über 80 000 stationäre Patienten versorgt, rund 4 700 Mitarbeiter erwirtschaften einen Umsatz von rund 316 Millionen Euro im Jahr. Die Geschäftsführung des Verbundes hat ihren Sitz in Mainz. Von dort werden möglichst viele übergreifende Aufgaben zentral koordiniert: strategisches und operatives Management, Einkauf, Personalmanagement und Personalmarketing, zentrales Medizincontrolling oder IT. „Wir wollen weiterhin möglichst allen Mitarbeitern eine Zukunft in unseren Häusern beim DRK ermöglichen“, sagt Schmidt. Dennoch werde es Umstrukturierungen geben: Unter anderem werde das DRK Krankenhaus Altenkirchen künftig als Level-1i-Haus geführt.
„Die Struktur unserer Häuser war für uns in der Vergangenheit sogar ein Vorteil“, findet Schmidt: bislang konnten schwächere Jahre in einem Haus durch die stärkeren Leistungen eines anderen ausgeglichen werden. „In Anbetracht der gestiegenen Belastungen funktioniert diese Querfinanzierung aber nicht mehr so wie früher“. Was die Sanierung in Biedenkopf nicht einfacher macht, ist der Umstand, dass Krankenhaus und sämtliche mit ihm verbundenen Geschäftsbetriebe als Eigenbetriebe im eingetragenen Verein firmieren. Rechtlich, sagt Bönnighausen, seien alle Häuser selbständig und selbstverantwortlich: „Wir sind auf uns allein gestellt“. Innerhalb der Organisation bestehe keine Verpflichtung zur gegenseitigen Hilfeleistung.
Die DRK-Schwesternschaften
Eine DRK-Schwesternschaft ist ein eingetragener Verein, in dem Krankenschwestern und Angehörige weiterer Gesundheits- und Pflegeberufe organisiert sind. Gegründet wurde 1882. Damit gehört er zum ältesten Teil der Rotkreuzbewegung. Er vertritt als Dachorganisation bundesweit 31 DRK-Schwesternschaften mit insgesamt 22 000 Rotkreuzschwestern, die sowohl in eigenen Einrichtungen der DRK-Schwesternschaften als auch über die Mitgliedschaft in Einrichtungen anderer Träger tätig sind.
Er ist nach eigener Darstellung demokratisch aufgebaut, verfolgt gemeinnützige und karitative Zwecke, wirkt an den Aufgaben des Deutschen Roten Kreuzes mit und finanziert sich durch die Beiträge seiner Mitglieder. Zu den Organen des Verbandes gehören die Mitgliederversammlung als oberstes Beschlussorgan und das Präsidium, zusammengesetzt aus der hauptamtlichen Präsidentin und ehrenamtlichen Vorstandsmitgliedern.
Eine DRK-Schwesternschaft ist rechtlich selbstständig, aber organisatorisch eng eingebunden in das Netzwerk des Deutschen Roten Kreuzes. Es gibt 31 regionale DRK-Schwesternschaften in Deutschland. Über Gestellungsverträge stellen manche DRK-Schwesternschaften das Pflegepersonal ganzer Krankenhäuser. Sie betreiben nach eigener Darstellung außerdem selbst 24 Krankenhäuser, stationäre Pflegeeinrichtungen, Kurzzeit- und Tagespflegezentren, ambulante Pflegedienste, Einrichtungen für Betreutes Wohnen, Kindertagesstätten und Hospize. Überdies führen sie zahlreiche Pflegeschulen und bilden aktiv Pflegekräfte aus.
Von den DRK-Schwesternschaften als Mitglieder organisiert, galten die Schwestern bis vor kurzem nicht als Arbeitnehmerinnen im Sinne des Gesetzes. Die im allgemeinen Arbeitsrecht festgelegten Regelungen zum Beispiel zu Kündigungsschutz oder betrieblicher Mitbestimmung galten für die Schwestern deshalb nicht, die Ansprüche bestimmten sich stattdessen nach der Mitgliedsordnung der Schwesternschaften. In der Vergangenheit führte dieser Umstand zu Kontroversen um den Status der Krankenschwestern und ihre Arbeitsverhältnisse. Erst im Jahr 2016 fällte der Europäische Gerichtshof ein Grundsatzurteil.
Wenn die eigene Struktur zum Problem wird
Das DRK habe es nie geschafft, eine Konzernstruktur aufzubauen – mit Arbeitsteilung, gegenseitiger Rechenschaft und klaren Hierarchien, bemängeln Kritiker. Zentrale Dienstleistungen, die im Verbund für alle erbracht werden, gebe es kaum. Getragen wird die DRK-Organisation vor allem auch von unzähligen ehrenamtlichen Mitarbeitern, die in den Vorständen der Verbände die operative Geschäftsführung überwachen oder teilweise auch selbst führen.
Die DRK-Krankenhäuser gehören manchmal einem Mitgliedsverband, manchmal einer Schwesternschaft. Manche Verbände besitzen gleich mehrere Krankenhäuser, manche keins. Manche Mitgliedsverbände sind historisch reicher als andere. Ins Portfolio gehören überdies meist noch Altenheime, ambulante Pflegedienste, oder Pflegeschulen. Strukturen und Zuständigkeiten unterscheiden sich von Region zu Region. Selbst Kenner der Organisationsstrukturen blickten teilweise kaum noch durch, heißt es.
Wir warten seit zwei Monaten auf einem Terminvorschlag aus dem BMG, um die Petition übergeben zu können.
Was den DRK Kliniken augenblicklich zusätzlich zum Verhängnis zu werden scheint, ist der fehlende politische Wille, den teilweise unwirtschaftlichen Versorgungs-Flickenteppich durch öffentliche Sicherstellung am Leben zu erhalten. Noch hofft Biedenkopf auf Hilfe vom Land: „Wir führen Gespräche“, sagt Bönnighausen. Der Ausgang der Sanierung sei noch offen: „Wir prüfen, was in der Zukunft noch finanziert werden kann“. Aufgeben will sie aber noch lange nicht: „Wir suchen nach Investoren“, sagt sie. Auch Spenden aus der Bevölkerung des Kreises seien willkommen. Mehr als 66 000 Menschen hätten inzwischen eine Petition an Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach unterschrieben. „Wir warten seit zwei Monaten auf einem Terminvorschlag aus dem BMG, um die Petition übergeben zu können“.






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