
Die unter dem Titel „Gesundheitscampus Merheim“ konzipierte Neuaufstellung der Kliniken der Stadt Köln hatte in der vergangenen Woche die nächste Hürde genommen. Nach der Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker stimmte am 15. Juni 2023 auch der Rat der Stadt Köln dem Konzept der Geschäftsführung um Sylvia Langer und Prof. Dr. Axel Goßmann zu. Mit dieser Grundsatzentscheidung verbunden sind unter anderem zusätzliche Investitionen von 590 Millionen Euro.
Aus drei mach eins
Das Konzept soll die hoch defizitären Kliniken der Stadt aus der Krise führen. Kern ist die Zusammenführung aller drei bisherigen Standorte und aller medizinischen Leistungen am Standort Merheim. Dieser soll zu einem hochmodernen Gesundheitscampus weiterentwickelt werden. „Alle somatischen Fachabteilungen werden in dem entstehenden Gesundheitscampus zusammengezogen. Dadurch verringern wir die bislang sehr hohen logistischen und medizinischen Vorhaltekosten beträchtlich. Der Betrieb an drei Standorten mit einer teilweise veralteten Bausubstanz ist teuer und auch mit den vorhandenen Personalressourcen auf die Dauer nicht aufrecht zu erhalten“, hatte Langer unlängst im Interview mit der kma erläutert.
Dadurch verringern wir die bislang sehr hohen logistischen und medizinischen Vorhaltekosten beträchtlich.
Durch umfangreiche Investitionen werde der Gebäudebestand in den kommenden Jahren erneuert und um Neubauten, insbesondere für ein modernes Kinderkrankenhaus, erweitert. Kurze Wege und Campus-Strukturen sollen die Mitarbeiter entlasten und kostenintensive Doppelvorhaltungen ohne medizinischen Mehrwert zu vermeiden.
Die Entscheidung war notwendig geworden, nachdem die Stadt als Eigentümerin im vergangenen Jahr vor dem Hintergrund massiver Verluste die Reißleine gezogen hatte. Die Geschäftsführung erhielt den Auftrag, einen Zukunftsplan vorzulegen. Dieser sollte geeignet sein, das jährliche operative Defizit absehbar von aktuell rund 70 Millionen Euro auf unter 10 Millionen Euro jährlich zu drücken.
Zentralisierung ist umstritten
Das jetzt beschlossene Zukunftsmodell verbinde das medizinisch Sinnvolle mit dem wirtschaftlich Notwendigen, kommentierte Reker den Beschluss der Bürgerschaft. Es liege nunmehr ein Plan vor, der eine tragfähige wirtschaftliche Perspektive für das Unternehmen ermögliche. Dennoch waren Pläne, das medizinische Angebot zu zentralisieren, in der Vergangenheit hoch umstritten.
Die vollständige Verlagerung aller medizinischen Angebote nach Merheim wird vorausichtlich erst in fünf bis acht Jahren abgeschlossen sein. In die bisherigen Standorte in Holweide und Riehl werde bis dahin im vorgesehenen Umfang weiterhin investiert, betont die Stadt.

Anders als bei vorherigen Restrukturierungsmodellen für die Kliniken der Stadt Köln bezieht der Gesundheitscampus auch das Kinderkrankenhaus in der Amsterdamer Straße explizit mit ein. Dieses zählt zu den größten Kinderkrankenhäusern Deutschlands mit jährlich 11 000 stationären Aufnahmen und mehr als 5000 operativen Eingriffen. In Merheim ist nun ein Neubau geplant. Bis dieser bezogen werden kann, wird die Kinderklinik in der Amsterdamer Straße in Betrieb bleiben.
36 000 Unterschriften gegen Schließung der Kinderklinik
Umstritten ist außerdem die Verlegung des Standortes in Holweide mit 407 Akutbetten, obwohl Holweide und Merheim nur etwas über einen Kilometer voneinander entfernt sind. Eine Initiative aus Bürgern, Beschäftigten und Gewerkschaftern startete inzwischen eine Petition unter dem Titel: „Keine Schließung des Kinderkrankenhauses Amsterdamer Straße und des Krankenhauses Holweide“. Innerhalb einer Woche sammelte das Bündnis nach eigenen Angaben mehr als 36 000 Unterschriften.
Die flächendeckend gewachsene Versorgungsstruktur einer Hochleistungsmedizin für den Stadtbezirk Mülheim wird zerstört.
Der Ratsbeschluss bedeute einen Kahlschlag in der kommunalen Daseinsvorsorge, kritisierte Eva Gürster vom so genannten „Einladerkreis“. „Die flächendeckend gewachsene Versorgungsstruktur einer Hochleistungsmedizin für den Stadtbezirk Mülheim wird zerstört.“ Mit der geplanten Verlagerung wolle die Stadt 400 Krankenhausplanbetten aufgeben und 381 Stellen abbauen.
Um formell gegen die Entscheidung des Rats vorzugehen, könnte die Initiative zunächst ein Bürgerbegehren starten. Sollte diesem nicht entsprochen werden, wäre die nächste Etappe ein Bürgerentscheid. Dieser bräuchte die Mehrheit der abgegebenen Stimmen und muss nach Information des Wahlamts aus mindestens 10 Prozent aller zur Stimmabgabe bei der Kommunalwahl berechtigten Bürger bestehen.
Letzte Instanz Bürgerentscheid
Dass Bürgerprotest beschlossene Restrukturierungen mitunter behindern kann, bewiesen in der jüngeren Vergangenheit Bürgerinitiativen in Bayern und in Schleswig-Holstein. Mit deutlicher Mehrheit hatten die Bewohner der oberbayerischen Gemeinden Weilheim und Schongau Anfang des Jahres den Plan ihrer Kommune abgeschmettert, die beiden Krankenhausstandorte zu einem neuen Zentralklinikum zusammenzulegen. Die Zusammenführung sollte durch den Abbau teurer Doppelstrukturen Ressourcen sparen und das medizinische Leistungsspektrum absichern. Die Bürgerinitiative „Aktionsbündnis Pro Krankenhaus Schongau“ stellte sich quer und erzwang eine Abstimmung.
In den Schleswig-Holsteinischen Kleinstädten Rendsburg und Eckernförde überstimmte das Landesgesundheitsministerium unlängst einen mit mehr als 67 Prozent Zustimmung deutlichen Bürgerentscheid zum Erhalt beider Krankenhausstandorte in der bestehenden Struktur. Das Bürgervotum sei nicht umsetzbar, hatte zuvor der Landeskrankenhaus-Ausschuss entschieden, der sich aus Vertretern von Kliniken, Kommunen, Kassen und Gesundheitsministerium zusammensetzt.
Prüfung nach Abschluss der Krankenhausreform
Wie die Stadt Köln mitteilt, ist die Umsetzung des Gesundheitscampus mit präzisen Vorgaben an Stadtverwaltung und Klinikmanagement verbunden. Diese sollen im Zuge der weiteren Detailplanung „in größtmöglichem Umfang Förder- und Drittmittel akquirieren, Sanierungsmaßnahmen dezidiert überwachen und über die Ergebnisse jährlich berichten, eine ergänzende kinderärztliche Versorgung im Linksrheinischen prüfen sowie ein Konzept erstellen, das Personalwohnungen im Rechtsrheinischen schafft“.
Für den Standort Holweide werde der Rat nach Abschluss der Krankenhausreform des Bundes beraten, ob er seinen Beschluss an die geänderten bundesgesetzlichen Rahmenbedingungen anpassen wird, heißt es. Sollten hierfür Mittel beantragt werden können, gelte dies insbesondere im Hinblick auf den Erhalt einer stationären medizinischen Infrastruktur im Sinne eines Krankenhauses. Der Rat der Stadt Köln setzt sich darüber hinaus für eine pädiatrische Notfall-Versorgung am Standort Riehl ein.








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