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Neues Notfall-KonzeptEntlastet Ihr Telefon-Team die RKH-Notaufnahmen, Frau Hüppauf?

Die RKH Gesundheit setzt ein neues Notfall-Konzept um – mit Telefon-Hotline und Online-Symptom-Check. Wie verhalten sich die Patienten? Werden die Notaufnahmen wie geplant entlastet? Projektleiterin Dorothee Hüppauf zieht eine erste Bilanz.

ZNA Ludwigsburg-Bietigheim
Martin Stollberg/RKH Gesundheit
Die Notaufnahme im Klinikum Ludwigsburg: Teilweise sind 75 bis 80 Patienten gleichzeitig vor Ort.

Es ist ein echter Spezialauftrag, den das Team von RKH Care da seit Anfang Mai hat. Es geht um nicht weniger als eine spürbare Entlastung der fünf Zentralen Notaufnahmen (ZNA) des kommunalen Klinikverbunds RKH Gesundheit. Seit dem 6. Mai sitzen sieben Medizinische Fachangestellte (MFA) für das baden-württembergische Unternehmen am Telefon, um Menschen, die sich in einer Notlage wähnen, zur für sie passenden Hilfe zu lenken – und ihnen, wenn möglich, den Weg in eine ZNA mit unter Umständen langer Wartezeit zu ersparen.

„Mit dem RKH Care-Team etablieren wir auf Krankenhausseite ein in dieser Form neues Lotsensystem, das dem Patienten eine schnellere, adäquate Behandlung im Notfall gewährleistet und damit auch die Notaufnahmen entlastet“, hatte RKH-Geschäftsführer Prof. Jörg Martin bei der Einführung erklärt. Unter der kostenfreien Rufnummer 0800-7542273 bekommen die Anrufenden von den medizinischen Fachkräften seitdem von 6 bis 23 Uhr eine telefonische Beratung zu akuten Beschwerden.

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Am Ende geben die MFA nach mehreren Fragen zur Person und den Symptomen eine Ersteinschätzung zur Erkrankung und zur Dringlichkeit und schlagen einen geeigneten Behandlungspartner vor. Genau das leistet auch der digitale Symptom-Checker, den die RKH parallel gestartet hat.

Mit dem Tool auf der RKH-Webseite ist die Ersteinschätzung auf Basis einer Selbstauskunft der Nutzer online und anonym rund um die Uhr möglich. Für beide Kontaktwege – Symptom-Check und Care-Team – nutzt die RKH eine KI-basierte Software der Leipziger Firma Docyet.

Von den 1500 Check-Nutzern waren 38 Prozent Notfälle.

Dorothee Hüppauf
Martin Stollberg/RKH Gesundheit
Dorothee Hüppauf ist Managerin ambulante Medizin bei der RKH Gesundheit und leitet das Projekt RKH Care.

Die Erfahrungen nach den ersten Wochen sind offenbar gut. Im Mai erhielt das Care-Team 250 Anrufe, der Symptom-Checker wurde 1500 Mal genutzt, sagt Dorothee Hüppauf im Gespräch mit kma. Sie ist Managerin ambulante Medizin bei dem Klinikverbund und leitet das Projekt RKH Care.

„Von den 1500 Check-Nutzern waren 38 Prozent Notfälle“, erklärt Hüppauf. Gut 23 Prozent bekamen die Empfehlung, sich innerhalb von 24 Stunden in einer Notfallpraxis zu melden, etwas mehr als 25 Prozent wurde geraten, einen niedergelassenen Arzt aufzusuchen, und bei knapp 14 Prozent kam der Checker zu dem Ergebnis, dass zunächst eine Selbstbeobachtung ausreicht.

Die Werte decken sich mit den Empfehlungen, die das Telefon-Team bislang gab, so Hüppauf. Unter denen, die die neue Nummer der RKH wählten, sind also wirklich Patienten, deren Beschwerden als Notfälle eingestuft werden. Ebenfalls interessant: Nur acht Prozent von denen, denen die Behandlung im niedergelassenen Sektor empfohlen wurde, sind trotzdem in die Notaufnahme gekommen, erklärt Hüppauf – ein guter Wert.

Täglich sechs ZNA-Patienten weniger wäre ein Erfolg

Bei den Diagnose-Einschätzungen, die das Online-Tool gab, dominierte mit 970 Fällen deutlich die Erkältung, gefolgt von Spannungskopfschmerzen, akuter Bronchitis, akuter viraler Halsentzündung, akuter viraler Sinusitis. „Viele klassische Fälle für die Niedergelassenen“, sagt Hüppauf. Für die weitere Behandlung empfiehlt das System neben den Notfallpraxen in den Landkreisen derzeit nur Praxen in den MVZ des RKH-Verbundes, externe Niedergelassene nicht. Da geht Hüppaufs Arbeitgeber auf Nummer sicher.

Ob sich die Online-Nutzer ähnlich gut wie die Anrufer bei RKH Care an die Empfehlungen halten oder am Ende doch in eine ZNA kommen, weiß die Projektleiterin nicht, aber die Größenordnung – 60 Prozent der Fälle gehören nicht in die Notaufnahme – haben sie im Team in etwa so erwartet. Das entspricht den Ergebnissen anderer Studien.

Online-Info über Wartezeit

Neben dem Care-Team und dem Symptom-Checker hat das Notfall-Konzept der RKH noch eine dritte Säule: Für die Notaufnahme im Klinikum Ludwigsburg wird im Internet die aktuelle Warte- und Behandlungszeit veröffentlicht und alle zehn Minuten aktualisiert. Betroffene können sich so informieren, wie viele Patienten gerade in der ZNA sind und mit welcher Gesamtbehandlungszeit sie rechnen müssen. Dieses Angebot soll sukzessive auf alle Klinikstandorte ausgeweitet werden. Ein ähnliches System hatte im vergangenen Jahr auch der Berliner Klinikkonzern Vivantes eingeführt.

Nun gilt es, dass diese Patienten auch wirklich nicht kommen. Allein die ZNA des Klinikums Ludwigsburg muss teilweise 75 bis 80 Patienten gleichzeitig bewältigen, im gesamten Jahr 2023 waren es dort 57 541. Alle fünf ZNA des Verbundes zusammen behandelten im vergangenen Jahr 152 116 Patienten.

Mit den neuen Kontakt- und Beratungsangeboten täglich zwei Menschen vom Weg in Notaufnahme abzuhalten, sei schon sehr positiv, habe ihr ein ZNA-Leiter gesagt, erinnert sich Hüppauf. Sechs bis sieben Patienten weniger sind ihr persönliches Ziel, mit monatlich konstant 500 Anrufen beim Care-Team wäre sie zufrieden. Dann wäre das Projekt ein Erfolg, und die jahrelange Arbeit hätte sich gelohnt.

Die 116 117 ist immer noch den wenigsten bekannt.

ZNA Ludwigsburg-Bietigheim
Markus Bachmann/RKH Gesundheit
Die RKH Gesundheit will ihre Notaufnahmen – hier die ZNA des Klinikums Ludwigsburg – mit dem neuen Angebot deutlich entlasten.

Hüppauf weiß, dass es ein langer Weg ist, bis die Care-Team-Nummer und der Symptom-Checker in den Köpfen der Menschen angekommen sind. Dass genau das bei der 116 117, der bundesweit einheitlichen Rufnummer der Kassenärztlichen Bundesvereinigung mit sehr ähnlichem Angebot, bislang so suboptimal klappt, sei einer der Beweggründe gewesen, überhaupt ein eigenes Projekt zu starten. „Die 116 117 ist immer noch den wenigsten bekannt“, sagt Hüppauf, „deshalb wollten wir in unserem Verbund mehr tun.“

Die Verantwortlichen am RKH-Sitz in Ludwigsburg sind überzeugt, dass sie mit ihrer regionalen Initiative bessere Chancen haben. „Wir gehen das sehr konzentriert an“, erklärt Hüppauf. Lokale und soziale Medien, Plakate in den eigenen MVZ, bei Niedergelassenen und in Apotheken – „alle sind im Boot“, sagt Hüppauf. Zudem liegen auch in den Landratsämtern Infos und To-do-Listen für das Verhalten im Krankheitsfall aus – in unterschiedlichen Sprachen.

Daten direkt ins KIS

Bei den Patienten sei grundsätzlich ein Paradigmenwechsel nötig, betont die Projektleiterin: „Weil sich die Versorgungslage immer weiter verschärft, könnten Hotline-Angebote wie unsere Schule machen und eventuell sogar verpflichtend werden“, sagt sie. Und es sei auch in Ordnung, Symptome vorab digital abzuklären und auch verstärkt Telemedizin zu nutzen, statt direkt ins Krankenhaus zu kommen: „Die Patienten wurden bislang eben nicht zur Eigenverantwortung erzogen.“

Ein Jahr soll das Projekt jetzt beobachtet und mit intensivem Marketing begleitet werden. Zudem arbeitet Hüppauf noch an Erweiterungen. So will sie mittelfristig auch ein fremdsprachiges Angebot machen, und aktuell feilt sie daran, über den KIM-Standard (Kommunikation im Medizinwesen) auch die Daten aus dem anonymen Online-Tool in das Krankenhausinformationssystem (KIS) der RKH-Häuser schicken zu können.

Telefon-Team arbeitet im Homeoffice

„Damit haben wir den Vorteil, dass der Patient bereits bekannt ist und bei einer möglichen Behandlung nicht noch einmal alle Details wiedergeben muss“, erklärt Hüppauf. Auf Seiten der Behandler bedeute das einen verminderten Dokumentationsaufwand. Wer beim Care-Team anruft, muss schon jetzt einwilligen, dass seine persönlichen Daten erhoben und im KIS gespeichert werden.

Mit dem Projekt beschäftigt sich Hüppauf seit 2021. In der Spitze arbeiteten bis zu sieben Leute in ihrem Team. Für die IT-Kosten bekommt der Verbund Mittel aus dem Krankenhauszukunftsfonds, die Personalkosten finanziert er selbst. Immerhin fünf Vollzeitstellen wurden für das Care-Team geschaffen, und die Motivation, sich dafür zu bewerben, sei hoch gewesen, sagt Hüppauf. Das Team arbeitet im Homeoffice, was die Aufgabe zum Beispiel auch für Elternzeit-Rückkehrerinnen interessant mache. Zudem seien für RKH Care auch einige Jobaussteiger zurückgewonnen worden, heißt es in Ludwigsburg.

Reform der Notfallversorgung

Aktuell arbeitet die Politik in Berlin mit Hochdruck an der Reform der Notfall- und Akutversorgung in Deutschland, und die RKH-Verantwortlichen in Ludwigsburg verfolgen mit Spannung, wohin das Gesetzgebungsverfahren führen wird. Bislang liegt ein Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit vor, und nach den bisherigen Plänen könnte das Notfallgesetz dann im August im Kabinett beraten werden – parallel zur Krankenhausreform. Sollte am Ende auch eine zentrale Service-Rufnummer zu der Reform gehören, hätte das sicher auch Auswirkungen auf das Ludwigsburger Care-Team. Doch ein Abschluss der Beratungen ist derzeit noch nicht in Sicht – und bis dahin sammelt der RKH-Verbund weiter eigene Erfahrungen…

Alle im Team haben eine MFA-Ausbildung, viele bringen Erfahrung aus einer ZNA mit, die übrigen haben mehrere Wochen in einer Notaufnahme und zudem in der Rettungsleitstelle hospitiert. Viele Anrufer seien glücklich, in ihnen kompetente Ansprechpartner zu haben, weiß Hüppauf aus den bisherigen Reaktionen. Oft sei der jeweilige Hausarzt nicht erreichbar gewesen, und den Betroffenen habe eine Einschätzung für ihre Symptome gefehlt. Die MFA hätten am Telefon genug Zeit, sich intensiv mit den Problemen und Wünschen der Anrufenden auseinanderzusetzen, betont Hüppauf.

Mindestens genauso wichtig ist ihr allerdings die Zufriedenheit der ZNA-Beschäftigten. „Die Notaufnahmen sind hoch belastet, und die Arbeit ist auch mental extrem anspruchsvoll“, sagt Hüppauf. Die neuen Tools sollen zumindest ein wenig den Druck rausnehmen. Wenn das gelingt, hat sie gewonnen.

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