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RückzugFinanzkrise zwingt kirchliche Kliniken in die Knie

Zwei traditionsreiche kirchliche Träger ziehen sich aus der Krankenversorgung zurück. Wirtschaftlich nicht mehr tragbar sei die Aufrechterhaltung stationärer Angebote. Die Krise der Krankenhausfinanzierung trifft nun auch gemeinnützige Strukturen.

Roter Pfeil nach unten auf dem Häuser herunterrutschen
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Symbolfoto

Die bayerische Krankenhausgesellschaft (BKG) schlägt Alarm: 94 Prozent der kleinen Regel- und Grundversorger machten Defizite, alle größeren Schwerpunktversorger, alle Maximalversorger, alle Unikliniken – „und jetzt auch noch die lange Zeit besser aufgestellten gemeinnützigen Kliniken“. Immerhin 82 Prozent klagten über massive Schwierigkeiten, warnen die bayerischen Branchenvertreter.

Der Sozialkonzern Diakoneo mit Sitz im bayerischen Neuendettelsau zieht die Konsequenzen und trennt sich von den Krankenhäusern in seiner Trägerschaft. Unter den gegebenen Bedingungen ließen sich unter dem Diakoneo-Dach weder Kliniken noch MVZ wirtschaftlich betreiben, begründet Personalvorständin und Unternehmensentwicklerin Ina Strickstrock in Interviews. Man fokussiere sich künftig auf Kindergärten, Schulen, Berufsausbildung und Angebote für Senioren und Behinderte.

Diakoneo verhandelt mit Nürnberg

2019 war der Konzern durch eine Fusion der Diakonie Neuendettelsau und des evangelischen Diakoniewerks Schwäbisch Hall entstanden. Nun sucht er für alle Kliniken und MVZ neue Träger. Verhandelt wird unter anderem mit der Stadt Nürnberg beziehungsweise mit deren Städtischen Klinikum. Es geht um die Übernahme der Kliniken Hallerwiese und Cnopfschen Kinderklinik. Die Verhandlungspartner hätten sich auf erste Eckpunkte verständigt, heißt es.

Knapp 300 Betten haben die beiden Diakoneo-Häuser zusammen. Sie sind spezialisiert auf die Versorgung von Frühgeborenen. Rund 3000 Geburten finden hier pro Jahr statt. Der Wegfall der Häuser hätte massive Auswirkungen auf die Gesundheits-Infrastruktur, befürchtet die Stadt. Schon jetzt gebe es deutlich zu wenig Betten. Dennoch entwickelt sich der Kaufpreis offenbar zur harten Nuss.

Das Klinikum Nürnberg versorgt im Jahr nach eigenen Angaben 335 000 Patienten – ambulant, stationär und an zwei Standorten. Eine Übernahme funktioniere nicht zu jedem Preis, betont eine Klinikums-Sprecherin in den lokalen Medien: „Wir müssen in jedem Fall unsere eigene Stabilität bewahren. Sowohl, was unseren eigenen großen Versorgungsauftrag angeht, als auch wirtschaftlich“. Auch der Nürnberger Maximalversorger fährt bereits ein Defizit ein. Eine mögliche Übernahme der Diakoneo-Häuser dürfe den städtischen Haushalt nicht noch zusätzlich belasten, heißt es. Manch ein Beobachter prognostiziert inzwischen, Diakoneo werde für die erhoffte Transaktion Geld drauflegen müssen.

Und die anderen Diakoneo-Standorte?

Neben den beiden Nürnberger Häusern stehen das Gesundheitszentrum Mittelfranken, die Lungenklinik Rangauklinik Ansbach und die Klinik Schwabach auf der Verkaufsliste. Erst Anfang Februar hatte der Stadtrat Schwabach durch Abgabe von 25 Prozent der Anteile für einen symbolischen Kaufpreis die Voraussetzung dafür geschaffen, dass sich Diakoneo auch von diesem Haus trennen kann.

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„Für das Gesundheitszentrum Mittelfranken, die Rangauklinik Ansbach und die Klinik Schwabach haben wir jeweils eigene Bieterverfahren gestartet“, meldet Diakoneo: „Aus Erfahrung wissen wir, dass sich das unter Umständen eine ganze Weile hinziehen kann“. Immerhin seien für alle Einrichtungen Interessensbekundungen eingegangen.

Der Weg zur Krise

Sichtbar wurde die aktuelle Krise bereits vor zwei Jahren am Traditionsstandort Neuendettelsau. Ende 2024 wurde dann die „Diak-Klinik“ in Schwäbisch-Hall mit großem Defizit verkauft. Führungswechsel in der Krankenhaussparte machten Schlagzeilen. Die Gemeinde, betont Bürgermeister Christoph Schmoll (SPD), habe der Diakonie Neuendettelsau viel zu verdanken. Ort und Unternehmen wuchsen gemeinsam.

Nun endet voraussichtlich die gemeinsame Geschichte in der Krankenversorgung. Die Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen hätten sich in den vergangenen Jahren verändert, betont Diakoneo-Managerin Strickstrock.

Pandemie und Homeoffice hatten vielerorts die Budgetverhandlungen mit den Krankenkassen ins Stocken gebracht und zu langen Verzögerungen geführt. Zusätzliche Belastungen erwuchsen durch Inflation, hohe Tarifabschlüsse, gestiegene Energie- und Materialkosten. Auch gemeinnützige Häuser bekommen das zu spüren.

DRK in Hessen

„Alle Einrichtungen kämpfen ums Überleben“, schrieb Anfang 2024 der Bürgermeister der Stadt Biedenkopf, Jochen Achenbach, in einem offenen Brief an den hessischen Ministerpräsidenten Boris Rhein. Hintergrund: Das DRK-Krankenhaus Biedenkopf hatte im Herbst 2023 einen Insolvenzantrag stellen müssen.

In den zurückliegenden Jahren habe das strukturelle Defizit des Krankenhauses noch aus Vermögensrücklagen und positiven Ergebnisbeiträgen anderer Wirtschaftsbereiche des Kreisverbandes gegenfinanziert werden können, erklärte die Vorständin des DRK-Kreisverbands Biedenkopf, Cornelia Bönnighausen, seinerzeit: Nun gehe das nicht mehr.

Die Zahl der stationären Fälle sinkt, immer mehr Patienten können ambulant versorgt werden. Vor diesem Hintergrund rechnen sich die hohen Vorhaltekosten einer rund um die Uhr-Versorgung gerade auf dem Land immer weniger. Der traditionelle Mix aus Pflege und Akutversorgung kirchlicher Sozialkonzerne – oft dazu noch in wirtschaftlich benachteiligten ländlichen Räumen – sei trotz caritativer Opferbereitschaft seit einigen Jahren vielerorts wirtschaftlich nicht mehr darstellbar, argumentieren diese.

Die Kirche ist keine Rückfall-Linie.

Überdies sind viele kirchliche Häuser finanziell auf sich allein gestellt, es fehlt ein finanzkräftiger Konzernverbund im Hintergrund. „Wenn katholische Häuser in finanzielle Schwierigkeiten geraten, ist das Sache der Träger“, sagt Bernadette Rümmelin, Geschäftsführerin des Katholischen Krankenhausverbands Deutschlands: „Die Kirche ist keine Rückfall-Linie“.

Es sind meistens Orden, nur noch selten Kirchengemeinden, die Krankenhäuser unterhalten. Wie in Hamburg, wo das katholische Erzbistum seit einigen Jahren versucht, seine vier Krankenhäuser in Hamburg und Schleswig-Holstein zu verkaufen. Gerungen wird unter anderem um das Kinderkrankenhaus Wilhelmsstift in Rahlstedt und das Marienkrankenhaus und Groß-Sand. Medienberichten zufolge drohen auch die jüngsten Verhandlungen zu scheitern.

Werden kommunale Häuser bevorzugt?

Viele frei-gemeinnützige Sozialkonzerne sehen sich vor allem gegenüber der kommunalen Konkurrenz im Nachteil. Deutschlands größter kirchlicher Krankenhauskonzern Agaplesion zerrte im vergangenen August die Stadt Frankfurt wegen Wettbewerbsverzerrung vor Gericht. Streitpunkt war ein Verlustausgleich von über 48 Millionen Euro für das städtische Klinikum Höchst durch kommunalen Träger. Aus den Taschen der Frankfurter Steuerzahler werde schlechtes Management ausgeglichen, argumentierte Agaplesion-Chef Markus Horneber.

Von Anfang 2023 bis heute haben insgesamt 56 Krankenhäuser mit 69 Standorten ein Schutzschirmverfahren, ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung oder eine Regelinsolvenz eingeleitet. Davon waren 43 Häuser mit 50 Standorten in freigemeinnütziger Trägerschaft, 11 öffentlich getragen und drei privat. Eine ganze Reihe der Insolvenzverfahren wurde inzwischen wieder erfolgreich abgeschlossen.

Insgesamt sind von den knapp 1900 Krankenhäusern in Deutschland laut Statistischem Bundesamt 28 Prozent in öffentlicher Hand, 40 Prozent haben einen privaten und 32 Prozent einen gemeinnützigen Träger.

NRW und RLP mit den meisten katholischen Häusern

Regional gibt es im Versorgungsangebot und in der Bedeutung große Unterschiede. So befindet sich knapp die Hälfte der katholischen Krankenhäuser in NRW. Der katholische Verband zählt hier allein 128 katholisch getragene Krankenhäuser an 172 Standorten.

Auch in Rheinland-Pfalz (RLP) ist die katholische Glaubensgemeinschaft in der stationären Versorgung stark vertreten. Katholische Krankenhäuser haben hier einen Marktanteil von etwa 35 Prozent. In Trier etwa dominieren das Klinikum Mutterhaus der Borromäerinnen und das Krankenhaus der Barmherzigen Brüder.

Gerät ein kirchliches Haus in eine finanzielle Schieflage, besteht eine naheliegende Möglichkeit in der Übernahme durch ein anderes kirchliches Haus oder das Aufgehen in einem größeren Verbund. Das fördere zudem eine Schwerpunktbildung mit besserer Arbeitsteilung auf fachlicher und betriebswirtschaftlicher Ebene, betont Bernadette Rümmelin. Meist beginne die Suche nach Partnern im eigenen Lager. „Es gibt aber auch zahlreiche ökumenische Kooperationen oder solche mit anderen Trägern“, erklärt die Verbandsgeschäftsführerin.

DRK-Rückzug in Rheinland-Pfalz

Zum Beispiel wurde das insolvente DRK-Krankenhaus in Neuwied Anfang April von der Marienhaus-Gruppe übernommen. Das Haus gehört zu den Standorten der DRK Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz, die nach einer eigentlich erfolgreich abgeschlossenen Insolvenz im Dezember 2024 zum zweiten Mal in die Krise schlitterten. Inzwischen hat die Trägerorganisation, der Landesverband des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in RLP ebenfalls angekündigt, sich komplett aus der Krankenversorgung zurückzuziehen.

Die ohnehin schwierige wirtschaftliche Situation kleiner Krankenhäuser spitze sich mit der Krankenhausreform weiter zu, erklärt das DRK in RLP. Bisher habe die Organisation Defizite aus eigenen Mitteln ausgeglichen, doch dies sei nicht mehr möglich. Man werde sich in Zukunft auf den humanitären Kernauftrag und die Notfallrettung konzentrieren.

Die Landesregierung will jedenfalls nicht in die Bresche springen. „Es ist nicht die Rolle des Landes, Geld zuzuschießen in Krankenhaus-Standorte, die insolvent sind“, sagte Gesundheitsstaatssekretärin Nicole Steingaß (SPD) dem SWR.

Versorgungssicherung trotz Insolvenz

Der Rückzug des DRK schlägt im Land hohe Wellen: Der Geschäftsführer der Landeskrankenhausgesellschaft, Andreas Wermter, zürnt öffentlich, es sei in der Geschichte des Landes noch nie vorgekommen, dass sich ein Träger in so großem Umfang zurückgezogen habe. In Rheinland-Pfalz fehlten den Kliniken jährlich rund 150 Millionen Euro.

Das DRK habe viele Millionen Euro in den Erhalt der Kliniken aus eigener Kraft investiert, betont dieses. Zum Problem wurden offenbar zunehmend anorganisch gewachsene Strukturen und aufwendige Konsolidierungen. Die Häuser seien überwiegend aus kommunaler Hand übernommen und über Jahre in der Struktur gehalten worden, heißt es. Die Leistungszahlen hätten sich unterschiedlich entwickelt.

Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD) versichert, bei den fünf der von der Insolvenz betroffenen DRK-Klinikstandorten sei die medizinische Versorgung gesichert. Für jeden der Standorte gebe es bereits Interessenten.

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